Erste evangelische Autobahnkirche feiert 50-jähriges Bestehen

Vlotho-Exter (epd). Im nordrhein-westfälischen Vlotho-Exter wird am Donnerstag das 50-jährige Bestehen der ältesten evangelischen Autobahnkirche in Deutschland gefeiert. Zum Festgottesdienst werden der westfälische Präses Alfred Buß und Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Lutz Lienenkämper (CDU) erwartet. Die Gemeinde Exter hat für die kommenden Monate weitere Festveranstaltungen geplant, unter anderem einen Open-Air-Gottesdienst an Christi Himmelfahrt (21. Mai). Seit Himmelfahrt 1959 lädt die örtliche Dorfkirche die Reisenden auf der nahe gelegenen Autobahn 2 zu Entspannung, Besinnung und Andacht ein.

Besucht werde die Autobahnkirche von zahlreichen Geschäftsreisenden, aber auch Urlaubern und Busgesellschaften, sagte Gemeindepastor Ralf Steiner dem epd. Eine besondere Rolle spiele die Nähe zum Herzzentrum Bad Oeynhausen. Herzpatienten suchten auf dem Weg zur Klinik oder nach einer Operation gezielt die Autobahnkirche auf. "Viele Gäste tragen ihre Fürbitten oder ihren Dank in das Anliegenbuch ein oder zünden eine Kerze an", erklärte Steiner. "Die Leute bleiben höchstens 10 oder 15 Minuten und suchen die Stille."

Die Autobahnkirche von Vlotho-Exter ist eine von 33 Kirchen und Kapellen an deutschen Autobahnen. Rund 32.000 Besucher kommen jährlich in die in ihren Ursprüngen aus dem 17. Jahrhundert stammende Kirche. Aus Anlass des Jubiläums ist Exter von Donnerstag bis Samstag auch Tagungsort der überkonfessionellen Konferenz der Autobahnkirchen.

Die evangelische Autobahnkirche Exter ist von der A2 über die gleichnamige Ausfahrt aus beiden Richtungen zu erreichen. Sie öffnet jeden Tag von 8 bis 20 Uhr.

04. Mai. 2009

Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Exter

Weitere Informationen zu den Autobahnkirchen


Rastplätze der Seele

Älteste evangelische Autobahnkirche wird 50 Jahre alt

Von Thomas Krüger (epd)

Vlotho/Kassel (epd). "Auf meinen Reisen finde ich hier Ruhe, um für die beschützten Fahrten zu danken." Der Autofahrer, der diesen Satz in das Anliegenbuch der evangelischen Autobahnkirche im nordrhein-westfälischen Vlotho-Exter schrieb, kehrt schon seit Jahrzehnten regelmäßig in das unweit der A 2 gelegene Gotteshaus ein. Mittlerweile wird die Besucherzahl in den bundesweit 33 Kirchen und Kappellen an deutschen Autobahnen auf rund eine Million pro Jahr geschätzt. In Vlotho-Exter wird am Donnerstag das 50-jährige Bestehen des ersten evangelischen Gotteshauses dieser Art gefeiert.

Wer eine Autobahnkirche ansteuert, will alleine sein, zur Ruhe kommen, Andacht halten. Rund zwei Drittel der Gäste sprechen ein Gebet oder zünden eine Kerze an, ergab eine Befragung der Katholischen Fachhochschule Freiburg. "Diese Kirchen sind Rastplätze der Seele am Rande des hektischen Straßenverkehrs", sagt Pastor Ralf Steiner. Als Gemeindepfarrer von Exter betreut er die älteste evangelische Autobahnkirche. Seit Mai 1959 lädt die aus dem 17. Jahrhundert stammende Dorfkirche motorisierte Reisende zum geistlichen Auftanken ein.

Die Geschichte der Autobahnkirchen hatte kurz zuvor durch die Privatinitiative eines Augsburger Fabrikanten begonnen. Ihm war aufgefallen, dass in seiner Heimat zwar an jedem besseren Feldweg Kreuze und Kapellen zur Andacht riefen, nicht aber an den viel befahrenen Verkehrsadern. Er stiftete Grundstück und Rohbau für die 1958 eingeweihte Kirche "Maria, Schutz der Reisenden" in Adelsried an der Autobahn München-Stuttgart.

Die Initiative des katholischen Unternehmers ließ die Protestanten nicht ruhen. Als "evangelisches Gegenstück" wurde die Kirche im ostwestfälischen Vlotho-Exter auserkoren, lag sie doch unmittelbar neben der Autobahn zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin. "Die Abfahrt verlief damals direkt hinter der Sakristei und zerschnitt sogar den Friedhof", berichtet Pastor Steiner. Heute gelangen Autofahrer nach 500 Metern von der A2 zum schattigen Parkplatz an der Kirche.

Die direkte Anbindung an eine Abfahrt oder Raststätte ist Voraussetzung für eine Bestimmung als Autobahnkirche. Mehr als einen Kilometer entfernt von der Schnellstraße darf das Gotteshaus nicht liegen, hat die überkonfessionelle Konferenz der Autobahnkirchenpfarrer beschlossen.

Die Mehrzahl der Autobahnkirchen und -kapellen ist erst in den letzten zehn Jahren entstanden. "Bis Ende der 80er Jahre gab es ganze sieben", erklärt Birgit Krause von der Akademie Bruderhilfe/Familienfürsorge in Kassel. Das kirchliche Versicherungsunternehmen begann damals mit der Vernetzung der isoliert arbeitenden Projekte. Einen Boom erlebten die Autobahnkirchen nach dem Fall der innerdeutschen Grenze, allein elf entstanden in den neuen Bundesländern. "Die kombinierte Nutzung als Gemeinde- und Autobahnkirche bietet mancherorts die Chance, ein Kirchgebäude überhaupt erhalten zu können", sagt Krause.

Bis heute gehen die Initiativen für Autobahnkirchen "von unten" aus, von Gemeinden, Trägern oder Privatleuten, die Spenden sammeln. "Eine Steuerung durch übergeordnete Stellen gibt es nicht", betont Birgit Krause. Landeskirchen oder Diözesen müssen aber zustimmen, ebenso wie das Bundesverkehrsministerium. Das Interesse hält an: Noch in diesem Jahr soll eine Kapelle an der Raststätte Hamm-Rhynern eröffnet werden, weitere Projekte in Bochum und Siegen sind in Planung.

Unter den Gästen der Autobahnkirchen bilden Männer die Mehrheit, fanden die Forscher der Katholischen Fachhochschule heraus. In Exter stoppen schon morgens um acht Geschäftsreisende in Schlips und Kragen. "Hier können sie Anspannung und Stress ablegen", sagt Pastor Ralf Steiner. "Danach fahren sie ruhiger und sicherer." Auch Menschen, die zu Privatbesuchen oder in Urlaub unterwegs sind, steuern die Gotteshäuser an, mal spontan, mal geplant.

Fast alle Besucher gehören einer christlichen Kirche an, die Mehrheit sind eng verbundene und engagierte Mitglieder. Ein missionarischer Vorposten sind Autobahnkirchen also nicht unbedingt, diagnostizieren die Forscher, sondern eher "Teil einer kirchlichen Infrastruktur im Lebensraum von Kirchenmitgliedern". Einfacher formulierte es ein Gast im Anliegenbuch der Kirche von Exter: "Ich konnte hier mal in aller Ruhe über vieles nachdenken und Dich um etwas bitten. Dank dafür!"

Die evangelische Autobahnkirche Exter ist von der A2 über die gleichnamige Ausfahrt aus beiden Richtungen zu erreichen. Sie öffnet jeden Tag von 8 bis 20 Uhr.

04. Mai 2009