"Für uns gestorben" – Evangelische Kirche legt Grundlagentext zur Kreuzestheologie vor

Frankfurt a.M./Hannover (epd). Das Christentum ist ohne das Kreuz nicht denkbar. Als Symbol versinnbildlicht es Tod und Leiden Jesu. Es hängt in Kirchen, steht auf Friedhöfen oder findet sich in der christlichen Kunst. Kurz vor Ostern, dem Fest an dem Christen an den Tod Jesu erinnern und seine Auferstehung feiern, legte der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Donnerstag einen Grundlagentext zur Kreuzestheologie vor.

Darüber, wie im 21. Jahrhundert über das Kreuz gepredigt werden kann, wird immer wieder heftig diskutiert. Zuletzt entzündete sich vor sechs Jahren im Rheinland nach einer Radioandacht ein Streit an der Frage, ob Jesus Christus für die Sünden der Menschen gestorben ist. Viele moderne Theologen sehen im Verständnis des Kreuzestodes als Sühnopfer ein grausames und sadistisches Gottesbild, das der Lehre Jesu von der unbedingten Liebe Gottes widerspricht. Konservative Christen halten dagegen am Opfergedanken fest und argumentieren, der Kreuzestod Jesu verliere ohne die Opfervorstellung seine besondere Bedeutung.

"Der EKD-Grundlagentext zeichnet eine mittlere Linie zwischen denjenigen, die unter allen Umständen an der klassischen Gestalt der Sühnopfer-Vorstellung festhalten wollen und den anderen, die die sie sofort streichen wollen", sagt der Berliner Kirchenhistoriker Christoph Markschies, der als Vorsitzender der Kammer für Theologie den Text maßgeblich miterarbeitet hat. Anliegen des Textes sei es deshalb, "gegen allzu vorschnelle Kritik zu erklären, warum es sinnvoll ist gerade dieses christliche Erbe zu bewahren". Zunächst sei es daher darum gegangen, "ruhig und sachlich" die Befunde darzustellen.

Der EKD-Text spannt einen Bogen von der Bibel bis zur Gegenwart, greift Kirchenlieder, aber auch Passionskonzerte und Jesusfilme auf und referiert die darin transportierte Kreuzestheologie. "Die Frage nach der Bedeutung der Passion ist bis zum heutige Tage nicht verstummt, und sie wird auch in Zukunft nicht verstummen. Das ist gut", heißt es in dem Text. "Denn diese Frage verhindert, dass sein Kreuz zu einer Selbstverständlichkeit wird, zu einem bloßen Symbol andächtiger Erniedrigung oder gar zu einem Schmuckstück, bei dessen Anblick wir die Schmerzensschreie des Gekreuzigten nicht mehr hören."

Einen großen Raum nehmen die Interpretationen des Leidens und Sterbens Jesu in der Theologiegeschichte ein: Die Satisfaktionslehre des mittelalterlichen Theologen Anselm von Canterbury, die das Sterben Jesu als Sühneopfer interpretiert, steht neben Martin Luthers Vorstellung des stellvertretenden Kreuzestodes als Ausdruck der Liebe und Barmherzigkeit Gottes. Aber auch Theologen der Aufklärung reihen sich ein wie Friedrich Schleiermacher, der das Sterben Christi als inneres Mitgefühl mit der Sünde der Welt deutet.

"Wie kein anderes Zeichen macht das Kreuz Jesu Christi deutlich, dass die Liebe Gottes den Weg der tiefsten Erniedrigung geht, damit wir leben können", heißt es in dem EKD-Dokument. Der Grundlagentext, der mit Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 erarbeitet wurde, setzt sich intensiv mit den biblischen Befunden auseinander: "Die Betrachtung des Kreuzestodes im Horizont der biblische Texte kann den Verdacht ausräumen, es sei auf Golgatha um die Vollstreckung eines göttlichen Strafbedürfnisses gegangen." Vielmehr stehe hinter dem Leiden Jesu das leidenschaftliche Drängen Gottes auf Versöhnung des Menschen mit Gott sowie zwischen den Menschen.

"Das Kreuz ist das christliche Zeichen der Menschenfreundlichkeit Gottes und der Versöhnung der Welt", schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm im Vorwort. Er formuliert den Auftrag, der sich nach Ansicht der Autoren aus der Auseinandersetzung mit der Kreuzestheologie ergibt: "Christliche Theologie steht vor der Aufgabe, das Verständnis der Liebe Gottes im Kreuz immer wieder neu zu erklären und zu entfalten."

Von Barbara Schneider (epd)

27. März 2015


Für uns gestorben. Die Bedeutung von Leiden und Sterben Jesu Christi. Ein Grundlagentext des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), 194 Seiten, Gütersloher Verlagshaus 2015

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