Die lila Schwestern

Der ambulante Pflegedienst der Diakonie in Ueckermünde

Zu Hause alt werden – das ist der Wunsch vieler Menschen. In Ueckermünde am Stettiner Haff trägt der ambulante Diakonie-Pflegedienst seinen Teil dazu bei, dass das möglich ist. Die „lila Schwestern“ sind jedoch viel mehr als „nur“ eine Hilfe beim Waschen und Anziehen. 

Edith Giese aus Luckow mit Diakonie-Mitarbeiterin Manuela Zeisler

Edith Giese aus Luckow wird morgens und abends von Manuela Zeisler betreut. Die beiden Frauen sind ein Herz und eine Seele.

Die ambulante Betreuung ist ein wichtiger Baustein im Pflegesystem. Auch in Ueckermünde im Nordosten Deutschlands. In der kleinen Stadt am Stettiner Haff gibt es eine von 15 Sozialstationen der Diakonie-Pflegedienst gGmbH in Vorpommern. Von ihrem Standort an der Chausseestraße betreuen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rund 230 Klienten. Eine von ihnen ist Manuela Zeisler. Sie und ihre Kollegen sind für die Menschen die „lila Schwestern“, und die Diakonie-Sozialstation ist das „lila Haus“. Das Wort „Diakonie“ kommt nur wenigen Leuten über die Lippen.

Kurz vor 6 Uhr morgens. Das Wetter ist ungemütlich. Es nieselt leicht. Auf den Straßen ist kaum etwas los. Hier und da kommt ein Fahrradfahrer des Weges, selbst die Autofahrer machen sich noch rar. Die meisten Menschen dürften sich im warmen Bett noch einmal auf die Seite drehen. Das haben die Frauen schon hinter sich, die nach und nach durch die Seitentür ins Haus an der Chausseestraße in Ueckermünde kommen – die Frühschicht der Diakonie-Sozialstation. Die Kollegin der Nachtschicht hat bereits zwei große Kannen Kaffee gebrüht. Es ist ein kleiner, doch wichtiger Beitrag zur Wohlfühl-Atmosphäre.

Die Frauen bereiten sich langsam auf ihren Dienst vor. Eine von ihnen ist Manuela Zeisler. Sie selbst bezeichnet sich als „Quereinsteigerin“, offiziell nennt sie sich Pflegehilfskraft. Die 44-Jährige Ueckermünderin ist gelernte Verkäuferin und Maschinenanlagen-Mechanikerin. Doch nach der Geburt ihrer beiden Kinder war es nichts mit dem Wiedereinstieg in einen ihrer Berufe. Und da Manuela Zeisler sowieso gerne etwas mit Menschen macht, „habe ich mich beim Diakonie-Pflegedienst beworben“, erzählt sie auf dem Weg zu einer Klientin. Für Manuela Zeisler war es eine richtige Entscheidung. Der Diakonie-Pflegedienst sei ein guter Arbeitgeber: „Wir werden regelmäßig qualifiziert.“ Das Lob der Quereinsteigerin wird von ihrem Arbeitgeber prompt erwidert. „Sie ist tüchtig“, lobt Silvana Pirch, stellvertretende Pflegedienstleitung (PDL).

Gegen 6.30 Uhr fährt Manuela Zeisler mit dem Kleinwagen der Pflegestation in eine der in den 1960er-Jahren hochgezogenen Plattenbau-Stadtteile von Ueckermünde. Die zu besuchende Klientin, 84 Jahre alte Dame, lebt dort schon seit dem Bau – zuerst mit ihrer Familie, jetzt alleine. Hilfe kommt vom Sohn gleich in der Nähe, von den Nachbarn und einer Haushaltshilfe. Nach einem Sturz, einem Krankenhausaufenthalt und anschließender Kurzzeitpflege im Haus der Diakonie-Pflegedienste an der Chausseestraße nimmt die Dame seit Mai 2018 auch die ambulante Pflege in Anspruch. „Die Klientin wäscht sich morgens selbst“, sagt Manuela Zeisler, „wir müssen nur den Rücken waschen und eincremen.“ Es ist ein Leistungskomplex der sogenannten Grundpflege.

Heute bleibt auch noch Zeit für einen Plausch. Doch das ist nicht immer so. Jetzt, kurz vor dem Jahreswechsel haben die Verwandten Urlaub. In dieser Zeit betreuen viele ihre Angehörigen selbst und bestellen den Pflegedienst oftmals ab. Die Touren für Manuela Zeisler und ihre Kolleginnen werden weniger, das Arbeiten ist entspannter. "Das ist nicht immer so", berichtet Manuela Zeisler. In der heutigen Frühschicht kümmert sie sich um fünf Klienten; es können aber auch bis zu zwölf sein.

Das lila Haus

Manuela Zeisler hat Desinfektionsmittel und Gummihandschuhe auch Schuhüberzieher immer dabei – die kleine Hygiene-Grundausstattung. Ansonsten machen ein lilafarbenes Poloshirt und eine passende Jacke die 44-Jährige und ihre Kolleginnen als Mitarbeiter des Diakonie-Pflegedienstes aus. Doch in einem Landstrich, in dem nach 40-jähriger real-sozialistischer Herrschaft nur noch rund zehn Prozent der Bevölkerung eine der großen Kirchen angehören, kommt den Menschen das Wort „Diakonie“ relativ selten über die Lippen. Diakonie bedeutet Dienst am Menschen.

„Wir sind die lila Schwestern“, meint Manuela Zeisler schmunzelnd. Nicht nur ihr bereitet dieser Ausdruck gute Laune. Auch PDL-Vize Silvana Pirch und die Chefin aller, Pflegedienstleiterin Jeanette Wolfsteller-König, freut sich mit. Selbst den Begriff Diakonie-Sozialstation würden einige Menschen nicht kennen. „Für sie sind wir das lila Haus. Damit können alle Leute hier in der Gegend etwas anfangen“, sagt Jeanette Wolfsteller-König ebenfalls mit einem Lachen im Gesicht. Ihre Stellvertreterin findet es als Zugezogene aus Berlin eher erstaunlich.

Katja Trampe hingegen kommt das Diakonie-Wort ohne Probleme über die Lippen. Sie ist an diesem Morgen wieder bei ihrer Mutter Edith Giese in Luckow. Die Gemeinde mit ihren 582 Einwohnern gehört zum Amt „Am Stettiner Haff“. Für Manuela Zeisler ist es sozusagen ein Einsatz in der Nachbarschaft, denn auch sie lebt dort. Hilfe bei der Morgentoilette und Frühstück zubereiten gehören bei Edith Giese, Jahrgang 1932, zu ihren Aufgaben.

Familiärer Umgang

Bei Edith Giese geht es familiär zu. Während sich Manuela Zeisler um sie kümmert, muss Katja Trampe ein bisschen weinen, denn sie hängt sehr an ihrer Mutter. Kein Wunder, dass sie sie im wahrsten Sinne des Wortes hegt und pflegt. Doch Angehörige kommen dabei schnell an ihre Grenzen. Und Urlaub muss auch mal sein. In diesen Fällen stehen Manuela Zeisler und Co. bereit. Katja Trampe hat dies zum Beispiel im vergangenen Jahr positiv bemerkt. „Ich bin der Diakonie unheimlich dankbar“, sagt sie und wischt sich mit einem Taschentuch die Freudentränen aus den Augen.

Die Küche ist für die 86-Jährige ein wichtiger Ort, wo der morgendliche Kaffee das Wichtigste ist. Und überhaupt: Sie wolle so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben. Manuela Zeisler und Katja Trampe nicken zustimmend. Im eigenen Haus gebe es viele kleine Gewohnheiten und Handgriffe. Sie seien wichtig für die Menschen. Hilfsmittel erleichterten glücklicherweise das Leben zuhause. Diese Erfahrung hat Manuela Zeisler auch bei anderen Klienten gemacht.

Damit Edith Giese möglichst lange in Luckow wohnen kann, kommt nicht nur der ambulante Pflegedienst zu ihr. Seit eineinhalb Jahren ist die rüstige Frau zu Gast in der Tagespflege. Jeweils montags, dienstags und donnerstags erfreut sie sich im lila Haus an der Chausseestraße ihres erfüllten Lebens. „Wir sind schon eine gute Runde“, sagt Edith Giese noch immer kichernd. Und Katja Trampe wirft ein: „Die Betreuung durch die Diakonie ist sehr wertvoll.“

Ein persönliches Verhältnis zwischen Klient und Pflegemitarbeitern

Noch ein Klaps auf die Schulter, dann bricht Manuela Zeisler auf zu ihrer nächsten Klientin. Rosemarie Jahr lebt im Ueckermünder Ortsteil Bellin. Die 86-Jährige nimmt den Pflegedienst schon seit Oktober 2016 in Anspruch. Montags, mittwochs und freitags sind Manuela Zeisler oder eine ihrer Kolleginnen zu Gast in dem großen Haus etwas abseits der Hauptstraße. Auf dem Programm stehen baden, anziehen und eincremen als Bestandteil der Grundpflege.

Der besondere Tag ist der Mittwoch. Dann nämlich haben Manuela Zeisler und Rosemarie Jahr eine Stunde Zeit, um etwas Schönes miteinander zu unternehmen. Die beiden Frauen essen Kuchen, unternehmen einen Spaziergang oder gehen zum Einkaufen los. Auch das gehört zur Betreuung der Klienten und wird von der Pflegekasse übernommen.

Dadurch und auch durch den regelmäßigen Kontakt miteinander entwickelt sich zwischen Klient und Pflegemitarbeitern ein persönliches Verhältnis. „Wenn die Kinder wegziehen, wird der Pflegedienst zur Familie“, weiß PDL Jeanette Wolfsteller-König. Manuela Zeisler kann dies nur bestätigen. Beide wissen: Der Gang in die Häuser sei erst einmal schwierig. Aber wenn der Pflegedienst erst einmal da ist, dann werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch zum Geburtstag eingeladen – und es gibt ein kleines Weihnachtsgeschenk.

Ulf Buschmann (für evangelisch.de)