Familienförderung im kirchlichen Arbeitsrecht

Eine Arbeitshilfe erarbeitet im Auftrag des Rates der EKD, EKD-Texte 92, 2007

5. Wie lassen sich familienfreundliche Maßnahmen finanzieren?

Bei einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung ist zwischen den Kosten und Nutzen familienfreundlicher Maßnahmen zu unterscheiden.

5.1. Realisierungskosten

Der überwiegende Teil der in dieser Arbeitshilfe vorgeschlagenen Maßnahmen verursacht keine oder nur sehr geringe Realisierungskosten. Diese Maßnahmen fußen vor allem auf Veränderungen bei der Arbeitsorganisation und erfordern hier eine höhere Aufmerksamkeit und ein größeres Engagement. Zu dieser Maßnahmengruppe gehören die

  • Einrichtung einer betrieblichen Anlaufstelle für Arbeitszeitfragen,
  • die Verankerung eines Anspruchs auf Aufstockung der Arbeitszeit,
  • die Vereinbarung flexibler Arbeitszeitmodelle und
  • die Gewährung unbezahlter Freistellungen aus familiären Gründen.

Auch die Ermöglichung von Telearbeit/Arbeit von zuhause aus fällt in diese Kategorie, weil die Kosten für die Einrichtung eines solchen Arbeitsplatzes i.d.R. durch nicht erforderliche Ausgaben für die Wiederbeschaffung von Personal überwiegend oder völlig gedeckt werden.

Zu den Maßnahmen, die Realisierungskosten verursachen, gehören

  • die Einführung eines Zeit-Bonus für Pflege und Betreuung,
  • die Gewährung zusätzlicher Tage bezahlter Freistellung zur Pflege von Kindern oder Angehörigen,
  • die Aufstockung des Kinderkrankengeldes,
  • die Bereitstellung betrieblich unterstützter Kinderbetreuung und Notfallarrangements,
  • das Vorhalten von Belegplätzen in der Tages- und Kurzzeitpflege,
  • Beratungs- und Vermittlungsangebote sowie
  • die Einrichtung einer Familienkasse.

Die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen der Vorschläge hängen zum einen davon ab, welches Maßnahmenbündel aus dem dargestellten Katalog möglicher Regelungen die Arbeitsrechtlichen Kommissionen bzw. die kirchlichen Tarifvertragsparteien auswählen. Die finanziellen Konsequenzen variieren zudem auch je nach Art und Struktur der einzelnen Dienststellen bzw. Einrichtungen.

Gegenüber dem Status quo würden die in dieser Arbeitshilfe dargelegten Vorschläge in ihrer Gesamtheit zu einer Personalkostensteigerung von etwa 1 bis 3 Prozent führen. Die erforderlichen Aufwendungen können zum Teil durch Umschichtung innerhalb der kirchlichen Tarifsysteme aufgebracht oder im Rahmen künftiger Gehaltssteigerungen mitberaten werden. Für Umschichtungen innerhalb der kirchlichen Tarifsysteme bietet z.B. die im TVöD vorgesehene Leistungsvergütung einen Ansatzpunkt, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Grundlage einer strukturierten Leistungsbewertung gewährt werden soll. Innerhalb der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie herrscht die Auffassung vor, dass diese Leistungsvergütung für die meisten (in der Regel kleinen) Arbeitgeber aus organisatorischen und strukturellen Gründen inadäquat ist. Im öffentlichen Dienst beläuft sich zur Zeit der Aufwand für die Leistungsvergütung auf 1 Prozent der Gesamtentgelte eines Arbeitgebers und soll schrittweise angehoben werden.

5.2. Der Nutzen familienfreundlicher Maßnahmen

Mit einem durchdachten Gesamtkonzept familienfreundlicher Maßnahmen können kirchliche und diakonische Einrichtungen erheblichen Nutzen erzielen. Die Investition in familienfreundliche Maßnahmen ist also langfristig betrachtet eine Kostensenkungsmaßnahme. Ein Teil der Investitionskosten kann daher vom Arbeitgeber getragen werden.

Für die Privatwirtschaft ist durch betriebswirtschaftliche Studien und Modellrechnungen bereits klar belegt, dass der realisierte Nutzen die Kosten der Maßnahmen deutlich übersteigt. So hat die sogenannte Prognos-Studie [11] auf der Grundlage von Controllingdaten aus zehn mittelständischen Unternehmen einen „Return on Investment“ von plus 25 Prozent ermittelt. Dabei wurde nur der direkt messbare Nutzen berücksichtigt, während indirekte, schwer messbare, aber dennoch plausibel begründbare Wirkungen wie die Erhöhung der Motivation und Identifikation unberücksichtigt blieben. (Eine Kurzzusammenfassung der Studie ist als Anhang 15 abgedruckt.)

Auch für Kirche und Diakonie gewinnt ein effizientes Personalmanagement in Zeiten knapper werdender Kassen immer mehr an Bedeutsamkeit. Allerdings fehlt es bisher an Modellrechnungen für Non-Profit-Bereiche, die eine Quantifizierung des Einsparpotenzials für diese Segmente des Arbeitsmarktes ermöglichen. Der hohe Frauenanteil an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von etwa 75 Prozent legt die Vermutung nahe, dass das Einsparvolumen durch familienfreundliche Maßnahmen in Kirche und Diakonie besonders hoch ausfällt. Denn die unzureichende Vereinbarkeit von Familie und Beruf brennt Frauen i.d.R. nach wie vor mehr unter den Nägeln als Männern. Weitere für das Einsparpotenzial relevante Faktoren sind die spezifische Situation im jeweiligen Arbeitsmarktsegment und die Qualifikationsstruktur in den Dienststellen und Einrichtungen. Damit auf der „Einnahmeseite“ mit verlässlichen Zahlen gearbeitet werden kann, ist die Durchführung einer Pilotstudie zum Einsparpotenzial in kirchlichen und diakonischen Arbeitsfeldern zu erwägen.

5.3. Was kann ein Familienbudget leisten?

Ein Instrument, das zur Finanzierung eines Teils der hier vorgeschlagenen Maßnahmen dienen kann, ist das Familienbudget.

Das Familienbudget ist ein variabel einsetzbarer, an die Bruttolohnsumme gekoppelter Betrag, der für familienfördernde Maßnahmen zur Verfügung gestellt wird. Die Einrichtung eines solchen Budgets ist in zwei neueren Arbeitsrechtsregelungen in Kirche und Diakonie bereits vorgesehen. (Beispiel siehe Anhang 13.) Durch das Familienbudget können vor allem solche Maßnahmen finanziert werden, auf die kein rechtlicher Anspruch besteht. Je nach den Ergebnissen der Bedarfsanalyse können dies z.B. sein:

  • betrieblich unterstützte Angebote zur regelmäßigen Kinderbetreuung (4.5.1.1.),
  • Betreuungsangebote für pflegebedürftige Angehörige (4.5.2.),
  • Kinderbetreuungsangebote für Ausnahmesituationen und Ferienzeiten (4.5.1.2.),
  • Beratungs- und Vermittlungsdienste (4.5.3.),
  • Leistungen aus einer Familienkasse, z.B. Schülerbeihilfen, Zuschüsse zu den Kindergartenbeiträgen, Pflegegeld, etc. (4.5.4.).

Was im einzelnen aus einem Familienbudget finanziert werden kann, ist von der vereinbarten Höhe abhängig. Als Untergrenze für ein Familienbudget erscheint mindestens ein Prozentpunkt der Bruttolohnsumme sinnvoll, da mit darunter liegenden Beträgen auch in größeren Einrichtungen kaum wirkungsvolle Maßnahmen erreicht werden können. (Eine Musterdienstvereinbarung findet sich in Anhang 14.)

Das Tarifrecht sollte eine grundsätzliche Regelung für das Familienbudget vorsehen mit der Möglichkeit, Näheres in einer Dienstvereinbarung zu regeln; die arbeitsrechtliche Regelung sollte gleichzeitig eine Lösung für den Fall vorsehen, dass eine Dienstvereinbarung nicht zustande kommt.

Als flexibles Instrument zur Finanzierung von Service- und Unterstützungsangeboten für Beschäftigte mit familiären Aufgaben stellt das Familienbudget eine gute Alternative zu den bisher gewährten Familienzuschlägen dar. Der Vorteil liegt neben der Orientierung am tatsächlichen Bedarf und der Offenheit für den wachsenden Unterstützungsbedarf pflegender Angehöriger, vor allem auch darin, dass die Kosten - auch in langfristiger Perspektive - klar zu kalkulieren sind.

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