Familienförderung im kirchlichen Arbeitsrecht

Eine Arbeitshilfe erarbeitet im Auftrag des Rates der EKD, EKD-Texte 92, 2007

1. Warum diese Arbeitshilfe?

Von kirchlichen Arbeitgebern wird erwartet, dass sie mit gutem Beispiel bei der Förderung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen vorangehen. Die Tarifreform im öffentlichen Dienst schafft hier neuen Handlungsbedarf. Jahrzehntelang wurden im Arbeits- und Dienstrecht von Kirche und Diakonie Familienzuschläge (Kinder- und Ehegattenzuschläge) gewährt. Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamte erhalten diese familienbezogenen Leistungen weiterhin. Da das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes, an dem sich Kirche und Diakonie bislang orientiert haben, nach der Ersetzung des BAT durch den TVöD/TV-L allein auf den Leistungsaustausch fokussiert, sind solche familienbezogenen Elemente hier nicht mehr vorgesehen.

Diese Entwicklung wirft die Frage auf, ob ein kirchengemäßes Tarifsystem hier andere Wege gehen muss als der öffentliche Dienst und welche Gestaltungsmöglichkeiten das kollektive Arbeitsrecht bietet. Für den überwiegenden Teil des kirchlichen Dienstes muss diese Frage durch die arbeitsrechtlichen Koalitionen - in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen oder durch die kirchlichen Tarifvertragsparteien - noch beantwortet werden. In anderen Bereichen sind Regelungen vorhanden, diese bedürfen aber der Konkretion.

Die aktuelle Situation eröffnet die Chance, zeitgemäße Formen der Familienförderung zu entwickeln, die sowohl die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch der Dienstgeber berücksichtigen und damit für beide Seiten vorteilhaft sind. Denn angesichts veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen stehen neben dem Gesetzgeber auch die arbeitsrechtlichen Koalitionen vor der Herausforderung, bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse eine neue Balance von Erwerbsarbeit und familiärer Verantwortung für Frauen und Männer zu ermöglichen. Statt der strikten Trennung von Arbeit und (Privat-)Leben, wie sie in der Vergangenheit üblich war, ist eine familienbewusste Arbeitspolitik gefragt.

In dieser Situation hat der Rat der EKD auf Initiative der Synode eine Arbeitsgruppe mit der Erstellung dieser Arbeitshilfe beauftragt, die die Entscheidungen der arbeitsrechtlichen Koalitionen in Kirche und Diakonie über die Umsetzung familienfreundlicher Regelungen und Maßnahmen unterstützen soll (Mitglieder der Arbeitsgruppe siehe Anhang).

Viele familienfreundliche Regelungen und Maßnahmen erfordern keinen oder einen nur sehr geringen finanziellen Aufwand. Andere kosten zwar etwas oder verlangen organisatorischen Einsatz, zahlen sich für die Dienststellen und Einrichtungen aber in der Regel aus, weil den Umsetzungs- und Investitionskosten ein deutlich höherer Nutzen gegenüber steht, denn der Familie-Beruf-Konflikt wirkt sich auch für den Arbeitgeber aus: Zeitdruck und Vereinbarkeitsstress beeinträchtigen die Qualität der Arbeit und die Motivation, verhindern Flexibilität und führen zu höheren Fehlzeiten.

Die Arbeitshilfe ist ein Impuls an kirchliche Arbeitgeber und die Interessenvertretungen der Mitarbeiterschaft, die Herausforderungen moderner Arbeit anzunehmen und gezielt zu gestalten. Sie illustriert, wie anstelle der bisher gewährten Familienzuschläge durch andere Instrumente eine wirkungsvollere Förderung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen erreicht werden kann. Die Arbeitsgruppe schlägt Regelungen und Maßnahmen vor, die die Bedürfnisse der Familien aufgreifen und auf unterschiedlichen Ebenen umgesetzt werden können.

Die Arbeitsgruppe war sich darüber im klaren, dass für eine wirksame Familienförderung nicht nur Veränderungen in der Arbeitswelt erforderlich sind. Denn Familienförderung muss in vielen Politikbereichen ansetzen. Dazu gehört ein familiengerechtes Steuer- und Sozialversicherungsrecht ebenso wie die Bereitstellung einer vielfältigen Infrastruktur zur Unterstützung von Familien. Trotz der Breite des Themenfeldes sind arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Familienförderung von hoher Bedeutung. Denn eine familienfreundliche Arbeitswelt ist die Voraussetzung, damit Familien in einem wertschätzenden und verständnisvollen Klima die Sorge für Kinder und für pflegebedürftige Angehörige wahrnehmen können.

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