Ernährungssicherung und Nachhaltige Entwicklung

Vorwort

Die evangelischen Kirchen in Deutschland haben sich mehrfach mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft auseinandergesetzt. In der nun vorgelegten Studie "Ernährungssicherung und nachhaltige Entwicklung" greift die Kammer der EKD für Entwicklung und Umwelt die bisherige Debatte auf und führt sie weiter. Der Rat der EKD hat sich im Juni 2000 eingehend mit dem Text auseinandergesetzt und ihn als anregenden Diskussionsbeitrag begrüßt.

Wenn es um die Zukunft der Ernährung geht, sind nicht nur die Experten gefragt. Veränderungen im landwirtschaftlichen Bereich betreffen uns alle. Dies gilt insbesondere für Fragen der weltweiten Agrarproduktion und des globalen Agrarhandels, die auf der Tagesordnung der Welthandelsorganisation (WTO) stehen. Das Verhältnis von Chancen und Risiken des Einsatzes von genetisch verändertem Saatgut in der Landwirtschaft ist umstritten. Besorgt fragen Landwirte und Verbraucher nach den langfristigen Folgen. Was bedeutet die Patentierung von gentechnischen Verfahren für die Herstellung und weltweite Verfügbarkeit auf Nutzpflanzensorten?

Die Studie der EKD-Kammer für Entwicklung und Umwelt informiert über die aktuellen international diskutierten Konzepte für Welternährung, landwirtschaftliche Produktion und Agrarhandel und zeigt die Brisanz politischer Entscheidungen für die globale Ernährungssicherung unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen Entwicklung auf. Werte- und Interessenkonflikte prägen die Diskussion über Mittel und Wege, mit denen dies erreicht werden soll. Die Kirchen bringen vorrangig mit der Option für die Schwachen und Benachteiligten ihre spezifischen Beurteilungskriterien und Entscheidungshilfen in diesen komplexen Diskurs ein.

Auch diese Studie der EKD will einem breiten Kreis interessierter Bürgerinnen und Bürger Zugänge zu den Sachfragen und Problemanzeigen vermitteln und Orientierung im Spannungsfeld der konkurrierenden Ziel- und Wertvorstellungen anbieten. Die Bibel verkündigt Gott als den Schöpfer und Erhalter dieser Welt, der den Menschen als sein Ebenbild beauftragt hat, die Erde zu bebauen und die Schöpfung zu bewahren. Und sie erinnert an Gottes Parteinahme für Schwache und Arme und an die Verpflichtungen der Generationen füreinander. Die Erde darf darum nicht nur den kurzfristigen Zwecken einer einzigen Generation oder dem Zugriff eines privilegierten Teils der Weltbevölkerung unterworfen sein. Deshalb sind aus christlicher Sicht die Solidarität der heute lebenden Generationen und die Chancengerechtigkeit für die nachkommenden Generationen Dreh- und Angelpunkte für eine nachhaltige Entwicklung.

Im Ringen um ethisch verantwortbare Entscheidungen müssen wir uns vor Sackgassen und falschen Alternativen hüten. So dürfen zum Beispiel die Prognosen über künftige Gefährdungen menschlichen Lebens nicht gegen die heutigen Bemühungen zur Bekämpfung von Armut und Marginalisierung ausgespielt werden - und umgekehrt.

Die Studie zeigt Gefährdungen der Zukunftsfähigkeit in der Landwirtschaft durch den Verlust von Regionalität und biologischer Vielfalt auf, und sie weist auf mögliche negative Folgen des Einsatzes der Gentechnik in der Landwirtschaft hin. Besonders in diesen Themenbereichen möchte die EKD-Kammer für Entwicklung und Umwelt mit der Studie einen kritischen Diskussionsbeitrag leisten, Anstöße für nötige Reformen geben und auf Alternativen aufmerksam machen, die drei Zielen nachhaltiger Entwicklung entsprechen: dem Schutz der Umwelt, der Effizienz des Wirtschaftens und der sozialen Gerechtigkeit. Nachhaltigkeit wird nur dann erreicht, wenn die einseitige Ausrichtung auf eines der drei Ziele vermieden wird.

Allen an der Entstehung der Studie Beteiligten möchte ich für dieses Arbeitsergebnis danken.

Hannover, 20. Juli 2000
Präses Manfred Kock
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

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