In 90 Stunden zum Papst

Der Thüringer Extremsportler Guido Kunze startet auf Martin Luthers Spuren nach Rom

1.600 Kilometer für die Ökumene. Auf seiner Radtour zur Generalaudienz mit Franziskus hat Guido Kunze auch die Ansichten junger Christen im Gepäck. Das gemeinsame Credo von Protestanten und Katholiken: "Uns eint mehr, als uns trennt."

Der Extremsportler Guido Kunze auf dem Rennrad in Australien
Der Extremsportler Guido Kunze unterwegs in Australien.

Mühlhausen/Erfurt (epd). „Gern ermögliche ich Ihnen mit 7 Personen die Teilnahme an der Generalaudienz des Heiligen Vaters am Mittwoch, dem 13. September 2017“, schreibt Georg Gänswein im Juni in einem Brief nach Mühlhausen. „Dazu stelle ich für Sie einen (1) Platz in der prima fila zur Verfügung“, fügt der Erzbischof und Präfekt des Päpstlichen Hauses hinzu. Dabei ist die Beschränkung auf den Platz in der ersten Reihe extra fettgedruckt. Sie bedeute zugleich, „dass eine kurze Begegnung mit dem Heiligen Vater möglich ist“.

Nicht die längste Anreise aber die extremste

Der Heilige Vater ist Papst Franziskus. Tausende werden am Mittwoch nächster Woche wieder zur Generalaudienz kommen. Einer der wenigen, die dann ein Wort mit ihm wechseln können, hat vielleicht nicht die allerlängste Anreise, wohl aber eine der extremsten. Hinter Guido Kunze liegen dann gut 1.600 Kilometer im Sattel seines Rennrades – zurückgelegt in weniger als vier Tagen, die Überquerung der Alpen mit dem 2.310 Meter hohen Septimerpass in der Schweiz inklusive.

Es ist bei weitem nicht die größte Herausforderung für den 51-jährigen Kunze. Der Thüringer Extremsportler hat in den vergangenen Jahrzehnten einige Rekorde auf dem Rad aufgestellt. So schnell wie er hat noch kein anderer die über 4.000 Kilometer von Ost nach West in Australien durchquert. Mit dem Mountainbike fuhr er in den Anden bis auf eine Höhe von 6.233 Meter. In den Alpen schaffte der Karosseriebau-Meister, der inzwischen einen Laufladen in seiner Heimatstadt Mühlhausen betreibt, innerhalb von 14 Tagen 100.000 Höhenmeter.

Bei seinem Trip nach Rom geht es nicht um Bestmarken. Er folgt der Route, die Martin Luther vor über 500 Jahren genommen haben soll. Wann das genau war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Selbst im Jahr des 500. Reformationsjubiläums offenbaren sich in Luthers Biografie große weiße Flecken. Inzwischen gehen die Wissenschaftler davon aus, dass er 1511 – und damit ein Jahr später als die bisher vorherrschende Lehrmeinung – gen Süden aufgebrochen war.

Selbst der Grund seiner (Pilger-) Reise wird nicht mehr unbedingt in der Schlichtung eines internen Streits seines Augustinerordens durch den Papst gesehen. Dass er sich in Begleitung eines älteren Bruders überhaupt auf die beschwerliche Reise begab, weiß die Nachwelt aus einigen überlieferten Anspielungen in seinen Wittenberger Tischreden. So lobte er den Fleiß der Schweizer oder die Heilkunst eines Florentiner Spitals, das er krank während seiner Wanderung aufsuchen musste.

Ein Trikot für Franziskus

Dagegen macht Guido Kunze aus seiner Motivation keinen Hehl. Er trägt dreierlei in seinem sparsamen Gepäck: Eine Broschüre über die Jugendkirche in seiner Heimatstadt, dazu einige Blätter von jungen Protestanten und Katholiken zum Thema „Uns eint mehr, als uns trennt“ und ein Trikot für Franziskus. Es ist allerdings kein Fußball-Leibchen für den bekennenden Anhänger dieser Sportart. Mit dem Trikot will der Thüringer den Argentinier auf sein nächstes Projekt hinweisen und es sich vom Papst auch gleich segnen lassen: Die Kakaobohnen-Tour soll im März kommenden Jahres starten.

Auf dem Weg durch Ecuador will Guido Kunze der Frage nachgehen, wer an der billigen Schokolade in den deutschen Supermärkten überhaupt etwas verdient. 10.000 Kilometer will er dann auf seiner Reise von den Kakaobauern in den Bergen bis hin zu den Händlern an der Küste auf dem Rad verbringen. 80.000 Höhenmeter sind dabei in fünf Wochen geplant, ehe es mit einem kleinen Segelboot zurück nach Europa geht. Dort schließt sich eine Radreise durch den Kontinent an, die ihn zu Produzenten und Forschern und schließlich bis nach Hause zu seinen Partnern der Erfurter Schokoladenmanufaktur „Goldhelm“ führt.

Durchaus eine Pilgerreise

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Jetzt steht die Fahrt nach Rom an. Am 9. September startet er am Morgen im Erfurter Augustinerkloster, in das Luther 1505 eingetreten war, und in dem er bis zu seinem Umzug 1511 nach Wittenberg lebte.

Für Guido Kunze, der nach der Wende aus der Kirche austrat, werden die geplanten 90 Stunden auf dem Rad durchaus eine Pilgerreise. Durch die Bekanntschaft mit der Mühlhäuser Jugendkirche hat er inzwischen seine Entscheidung rückgängig gemacht. Nicht nur das. Im vorigen Jahr hat er seine Gaby nach 33 gemeinsamen Jahren geheiratet – in der Klosterkirche in Volkenroda, nicht weit von seiner Heimatstadt entfernt. Natürlich gaben sich die beiden das Ja-Wort bei einer Fahrradtour.

Dirk Löhr (epd)