Häufige Fragen (FAQ)

Zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Aufarbeitungsstudie ForuM
zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie

Aufarbeitungsstudie ForuM – Ergebnisse

  • Was ist die Haltung der evangelischen Kirche zu sexualisierter Gewalt?

    Wir unterstützen betroffene Personen und erkennen das Unrecht an, das sie erfahren haben. Wir stehen für die konsequente Aufklärung und Ahndung zurückliegender Taten. Wir setzen umfassende Präventionsmaßnahmen auf allen Ebenen von Kirche und Diakonie um.

  • Was sagen Sie zu der in der Studie genannten Fallzahl?

    Es wurden 1.259 Beschuldigte und 2.225 Betroffene über einen Zeitraum vom 01. Januar 1946 bis einschließlich 31. Dezember 2020 ermittelt.

    Wir müssen mit der Tatsache umgehen, dass es in der Evangelischen Kirche und Diakonie sexualisierte Gewalt gab und gibt. Wir müssen mit der Tatsache umgehen, dass es in der Evangelischen Kirche und Diakonie sexualisierte Gewalt gab und gibt. Die hohe Zahl von Fällen, die die Forscher*innen auf wissenschaftlicher Grundlage zusammengetragen haben, ist erschütternd. Hinter jedem Fall steht erlittenes Unrecht und Leid. Zugleich aber wissen wir, dass es ein großes Dunkelfeld von sexualisierter Gewalt gibt und auch Fälle, die zwar Eingang in Akten oder Dokumenten gefunden haben, aber nicht in der Gesamtfallzahl enthalten sind. Es ist die Aufgabe der weiteren Aufklärung und Aufarbeitung immer näher an das wirkliche Ausmaß von sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie heranzukommen.

  • Umfasst die Fallzahl alle Fälle?

    Die vorliegenden Zahlen umfassen nur einen Teil der Fälle von sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie. Wir wissen, dass es ein großes Dunkelfeld von sexualisierter Gewalt gibt und auch Fälle, die zwar Eingang in Akten oder Dokumenten gefunden haben, aber nicht in der Gesamtfallzahl enthalten sind. Ferner ist auch die Falldefinition der Forschenden enger als die kirchliche Definition von sexualisierter Gewalt. Die Studie erfasst nur Fälle, bei denen die Betroffenen zum Tatzeitpunkt minderjährig waren. Evangelische Kirche und Diakonie zählen aber auch zum Tatzeitpunkt Erwachsene als Betroffene von sexualisierter Gewalt.

    Es ist die Aufgabe der weiteren Aufklärung und Aufarbeitung immer näher an das wirkliche Ausmaß von sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie heranzukommen.

  • Was ist mit dem Dunkelfeld?

    In dieser Studie konnte das Dunkelfeld nicht bestimmt werden. Alle Beteiligten sind sich darüber im Klaren, dass die tatsächliche Anzahl der Fälle nur näherungsweise abgeschätzt werden kann. Dies zu tun, bleibt eine wichtige Aufgabe, die nur gesamtgesellschaftlich gelöst werden kann. Die EKD unterstützt daher nachdrücklich die Anstrengungen zur Dunkelfeldforschung im Nationalen Rat der UBSKM.

  • Wie geht die evangelische Kirche mit den Ergebnissen der Aufarbeitungsstudie ForuM nun um?

    ForuM ist ein Teil unseres entschlossenen Einsatzes gegen sexualisierte Gewalt.
    Die Ergebnisse der Aufarbeitungsstudie werden in einem ersten Schritt auf allen Ebenen der evangelischen Kirche intensiv und breit diskutiert.

    Die zentrale Rolle in dem ganzen Prozess spielt das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD. Darin werden kirchliche Beauftragte und Betroffenenvertreter*innen die Ergebnisse zusammen und mit den Forschenden diskutieren und Konsequenzen und Empfehlungen für das kirchliche Handeln ableiten. Unser Ziel einer umfassenden Aufarbeitung und konsequenten Prävention wird durch die Studie bestätigt.

  • Was bedeutet Aufarbeitung konkret für die Betroffenen?

    Alle kirchenpolitischen Entscheidungen zum Thema sexualisierte Gewalt werden unter Mitwirkung von Betroffenenvertreter*innen im Beteiligungsforum getroffen. Dazu zählt auch der Bereich der Anerkennungsleistungen, in dem wir als Gemeinschaft der Gliedkirchen koordiniert vorgehen wollen.

    Ferner entsteht aktuell, gesteuert durch Betroffenenvertreterinnen aus dem Beteiligungsforum, die neue digitale Vernetzungsplattform „BeNe“, die einen Ort der Vernetzung und gegenseitigen Unterstützung für betroffene Personen aus evangelischer Kirche und Diakonie sein soll.

    Auch in den Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen, die aktuell entsprechend der Gemeinsamen Erklärung mit der UBSKM entstehen, arbeiten betroffene Personen direkt mit. Betroffenenvertretungen begleiten diesen nächsten Schritt der Aufarbeitung kritisch und über Betroffenenforen in den Landeskirchen können regelmäßig Informationen über den Prozess sowohl weitergegeben als auch Forderungen und Interessen aufgenommen werden.

  • Welche Veranstaltungen sind noch geplant?

    Die Kirche wird sich das ganze Jahr 2024 in unterschiedlichsten Gremien mit den Ergebnissen beschäftigen. Dies geschieht regional in den Landeskirchen und ihren Synoden, aber auch zentral bei der EKD – koordiniert durch das Beteiligungsforum. Im November 2024 wird dann das Beteiligungsforum der Synode der EKD konkrete Vorschläge für Maßnahmen vorlegen.

  • Muss das alles nicht viel schneller gehen?

    Unzufriedenheit mit der Geschwindigkeit der Aufarbeitung ist nachvollziehbar und verständlich. Jedoch erfordern sowohl der Umfang der Studie als auch die Komplexität der Sachverhalte eine genaue Analyse der Zusammenhänge und damit ein Mindestmaß an Zeit.

    Vorschnelle Äußerungen und hektische Maßnahmen wären in diesem Thema eher kontraproduktiv. Für Lösungen brauchen wir einen breiten Dialog in der Kirche und zwar in den gewählten Synoden und mit Betroffenenvertreter*innen zusammen. Beschlüsse des Rates, der Kirchenkonferenz und der Synode müssen erst von den kirchlichen Beauftragten und Betroffenenvertreter*innen im Beteiligungsforum vorbereitet werden. Das braucht Zeit, auch wenn wir die Dringlichkeit sehr ernst nehmen.

Aufarbeitungsstudie ForuM – Allgemein

  • Wie kam es zur Aufarbeitungsstudie ForuM und wie wurde das Projekt ausgewählt?

    Die Aufarbeitungsstudie ForuM geht zurück auf einen Beschluss der Synode der EKD aus dem Jahr 2018 und war Teil des damaligen 11-Punkte-Handlungsplans. Der Auftrag der Synode lautete, eine externe wissenschaftliche Gesamtstudie durchzuführen, die die systemisch bedingten Risikofaktoren der evangelischen Kirche und Diakonie analysiert.

    Entsprechend des Synodenbeschlusses erfolgte eine öffentliche Ausschreibung der Studie, auf die sich mehrere Forschungsverbünde verschiedener wissenschaftlicher Einrichtungen bewarben. Externe Fachleute begutachteten die Bewerbungen und die Auswahl wurde auf Basis dieser unabhängigen Gutachten getroffen. Der Gesamtprozess der Ausschreibung und Auswahl wurde beratend durch universitäre Expert*innen unterstützt.  

  • Ist die Aufarbeitungsstudie ForuM „unabhängig“?

    Ja. Die Forschenden von ForuM arbeiten absolut weisungsfrei und unabhängig. Sie gehören verschiedenen deutschen Universitäten und Instituten an. Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der EKD und dem Forschungsverbund sichern die wissenschaftliche Unabhängigkeit.

  • Wie ist die Studie finanziert und was kostet sie?

    Die Durchführung der wissenschaftlichen Aufarbeitung erfolgt extern und unabhängig, wird aber durch die Kirche finanziert. Die EKD und die Landeskirchen unterstützen ForuM mit einer Zuwendung von 3,6 Millionen Euro.

  • Was ist das Ziel der Aufarbeitungsstudie ForuM aus Sicht der Kirche?

    Die unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitungsstudie ForuM bildet eine neue systematische Grundlage für unsere institutionelle Aufarbeitung. Sie hilft uns dabei, Zusammenhänge besser zu verstehen und Risiken zu minimieren.

  • Was sind die Ziele der Aufarbeitungsstudie ForuM aus Sicht der Wissenschaft?

    Die Wissenschaftler*innen selbst haben ihre Ziele in Form der folgenden Forschungsfragen definiert:

    • Welche systemischen und organisationalen Faktoren ermöglichen oder verhindern (sexualisierte) Gewalt? Welche Spezifika lassen sich für den evangelischen Kontext identifizieren?
    • Welchen Gefährdungs- und Tatkonstellationen waren Betroffene ausgeliefert? Wie wurde mit Hinweisen und Meldungen umgegangen? Welche Merkmale der Beschuldigten lassen sich identifizieren?
    • Welche Kennzahlen zum Ausmaß der Häufigkeit von Übergriffen und erlebter sexualisierter Gewalt lassen sich ermitteln?
    • Welche Ableitungen für weitere Aufarbeitung, Prävention und Schutzkonzepte folgen daraus?
  • Wie ist der Forschungsverbund strukturiert?

    Die gewaltige Aufgabe war nur arbeitsteilig zu bewältigen. Deshalb besteht der Forschungsverbund aus sechs Teilprojekten. Ein sogenanntes „Meta-Projekt“ setzt eine verbindende Klammer.

    • Das Teilprojekt A untersucht aus einer historischen Perspektive den kirchlichen und öffentlichen Umgang mit sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche.
    • Das Teilprojekt B untersucht die bisherige Praxis der Aufarbeitung.
    • Das Teilprojekt C erforscht die Erfahrungen und Sichtweisen von Menschen, die sexualisierte Gewalt in evangelischen Kontexten erlitten haben.
    • Das Teilprojekt D erforscht die Perspektive Betroffener auf Strukturen der evangelischen Kirche und deren Nutzung durch Täter*innen.
    • Das quantitative Teilprojekt E ermittelt Kennzahlen zur Häufigkeit und beschäftigt sich mit der Aktenführung.
  • Warum wurden Fragebögen nicht fristgerecht zur Verfügung gestellt?

    Die Bereitstellung von Daten in Form von Fragebögen war eine besondere Herausforderung und schwieriger als ursprünglich angenommen. Hierbei handelte es sich um verschiedene, sehr komplexe und lange Fragebögen, die für jeden der bekannten Fälle erhoben wurden, um systematisch und möglichst vollständig sämtliche notwendige Daten zu erfassen.

    Nachdem es im ersten Teilschritt zu Verzögerungen gekommen war, entwickelten die EKD und Forschende gemeinsam ein gutes Verfahren zur nachträglichen Erhebung. Forschende und Verantwortliche aus den Landeskirchen konnten in direkter Kommunikation offene Fragen klären.

    Die Verzögerungen im ersten Teilschritt hatten Auswirkungen auf den weiteren Projektverlauf. Auf Basis der umfangreichen Gespräche und Nacherhebungen in den Landeskirchen schlugen die Forschenden einen geänderten Plan für das Projekt vor.

  • Lehnt die evangelische Kirche ein staatliches Eingreifen in die Aufarbeitung ab?

    Nein, ganz im Gegenteil. Die EKD hat mehrfach betont, dass jede Art von staatlichem Standard positiv und unterstützend für den Aufarbeitungsprozess der Institution ist. Dies gilt auch für die Frage der Anerkennungsleistungen.

  • Ist die Kirche erst 2018 nach dem Hearing der Unabhängigen Aufarbeitungskommission in der Frage der sexualisierten Gewalt aktiv geworden?

    Als Reaktion auf die 2010 bekannt gewordenen Missbrauchsskandale hat die damalige Bundesregierung den „Runden Tisch Sexueller Missbrauch“ einberufen – , und davor bereits den Runden Tisch „Heimerziehung“, an beiden Tischen waren auch evangelische Vertreter*innen beteiligt. Die Auseinandersetzung, die in der Gesellschaft zu diesem Thema stattfand, wurde auch in der evangelischen Kirche und der Diakonie aufgegriffen.

    Im April 2011 fand die erste Sitzung der Konferenz für Prävention, Intervention und Hilfe bei Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (PIH-K) statt. 2013 und 2016 wurden jeweils Vereinbarungen mit dem damaligen Unabhängigen Beauftragen für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) getroffen. Seit 2013 beteiligt sich die EKD am Ergänzenden Hilfesystem. Anfang 2018 starteten in vielen Landeskirchen die Schulungen nach dem Standard des Materials „hinschauen – helfen – handeln“.

    In Reaktion auf das Hearing von 2018 hat die Synode der EKD dann einen 11-Punkte-Handlungsplan beschlossen, der eine deutlich Verstärkung und Intensivierung der Anstrengungen bedeutete.

  • Warum kommt die evangelische Studie so viel später als die katholischen Studien?

    Ja, die Studie kommt später, aber diese Zeit war keine Zeit des Abwartens und der Untätigkeit, im Gegenteil. Ab 2010 lag ein hoher Fokus auf dem Bereich der Prävention, wozu auch zwei Vereinbarungen mit dem damaligen UBSKM abgeschlossen wurden. In dieser Zeit hat sich die gesellschaftliche wie innerkirchliche Erkenntnis rund um das Thema Sexualisierte Gewalt in Institutionen sowie in den Institutionen der evangelischen Kirche weiterentwickelt. Wissen und Akzeptanz wurden intern verbreitet und vergrößert. Sodass man sagen kann: Später, ja. Aber es ist jetzt auch eine gute Zeit. Der Boden ist bereitet, mehr denn je, für umfassende Auseinandersetzung.

  • Was ist der gravierende Unterschied zwischen der ForuM-Studie und der katholischen MHG-Studie und warum wird man die Fallzahlen nicht so einfach vergleichen können?

    Die Aufarbeitungsstudie ForuM ist eine umfassende und systematische Studie. Sie bezieht sich nicht nur auf sexualisierte Gewalt durch Geistliche (wie die MHG-Studie der katholischen Kirche), sondern untersucht Taten sexualisierter Gewalt in der ganzen Breite des kirchlichen Lebens unabhängig vom Beruf des Täters oder der Täterin. Ferner ist auch das große Feld der Einrichtungen der Diakonie in der Studie erfasst. Das heißt, dass die in der ForuM-Studie dargestellte Fallzahl eine völlig andere und breitere Basis als die Fallzahl der MHG-Studie hat.

  • Die Aufarbeitungsstudie ForuM beruht sehr stark auf den Berichten betroffener Personen. Was sagt die Kirche dazu?

    Wir empfinden eine große Achtung vor der Bereitschaft der betroffenen Personen, die ihre Erfahrungen des Leids und Unrechts den Forschenden bereitgestellt haben. Nur hierdurch ist ForuM überhaupt möglich gewesen. Die Zeugenschaft der betroffenen Personen muss vollständig respektiert werden.

  • Welche Maßnahmen hat die evangelische Kirche schon während der Laufzeit von ForuM in Gang gebracht?

    Während der Laufzeit von ForuM wurde vor allem im Juni 2022 das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD gegründet. Dort werden alle Fragen, die sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie betreffen, von Betroffenenvertreter*innen und kirchlichen Vertreter*innen gemeinsam bearbeitet. Es ist als zentraler Ort der Diskussion und Lösungsfindung mit Betroffenenvertretung sowie Kirchenvertreter*innen über mehrere Monate in intensiven Gesprächen durch eine externe Expertin entwickelt worden. Jede kirchenpolitische Entscheidung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt geschieht unter Mitwirkung des Beteiligungsforums und damit unter direkter Mitwirkung Betroffener.

    Zu den wichtigsten Projekten des Beteiligungsforum, die in den letzten Jahren aufgenommen oder abgeschlossen wurden, gehören:

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