Schritte auf dem Weg des Friedens

Anhang B: Texte zur Einführung in den Beitrag des Rates

1. Presseinformation

Frieden zu bewahren, zu fördern und zu erneuern ist eine vorrangige Aufgabe aller Politik. Die tiefgreifenden politischen Veränderungen in Deutschland und Europa nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation und das Aufflammen verdeckt schwelender Konflikte im ehemaligen Jugoslawien, in einigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, in Somalia und an vielen anderen Orten der Erde lassen erneut die Frage stellen, was die evangelische Kirche an ethischer Orientierung zu dieser Aufgabe beitragen kann.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat deswegen seine Kammer für Öffentliche Verantwortung - über ein Jahrzehnt nach der Friedensdenkschrift von 1981 - beauftragt, für diese Aufgabe eine Orientierungshilfe zu erarbeiten. Der Kammer gehören seit ihrer Neubesetzung 1991/92 Mitglieder aus westdeutschen und ostdeutschen Landeskirchen an. Dieser Umstand hat im Zusammenhang der Friedensthematik besondere Bedeutung, denn die Kirchen in Ost und West waren bis zu ihrer Vereinigung weithin durch unterschiedliche friedensethische Positionen bestimmt: Während in den Äußerungen der Leitungsorgane der (westlichen) EKD die nukleare Abschreckung als Mittel auf dem Weg einer internationalen Friedenssicherung akzeptiert wurde, schlossen die Äußerungen der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR diese Möglichkeit grundsätzlich aus. Zwar sind diese tiefgreifenden Unterschiede noch nicht vollständig ausgeräumt, aber es ist in der Kammer gelungen, einen Konsens darüber zu erzielen, was die Kirche in der gegenwärtigen Situation friedensethisch und friedenspolitisch beitragen könne. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat sich die Ausarbeitung der Kammer zu eigen gemacht.

In vier Schritten wird der Konsens formuliert: Nach einer Zusammenfassung der Einsichten nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes (I) wird die neue Situation, in der wir stehen, durch die Stichworte Erwartung und Ernüchterung (II) markiert. Die Erwartung richtet sich auf einen "ernsthaften Versuch zur Errichtung und Durchsetzung einer internationalen Ordnung des Friedens". Die Normen und Verbindlichkeiten, auf denen der Rechtsstaat beruht und die dem Zusammenleben innerhalb eines Gemeinwesens Halt geben, können und müssen über das Völkerrecht zu allgemeiner Anerkennung gebracht werden und auch bei Konflikten zwischen staatlichen Gemeinwesen zur Geltung kommen. Die Ernüchterung besteht in der Einsicht, "daß mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes nicht das Ende der Notwendigkeit jeder Sicherheitspolitik eingetreten ist". Vor allem das Aufflammen verdeckt schwelender Konflikte in verschiedenen Regionen der Welt und das Problem der Abrüstung insbesondere nuklearer Potentiale erfordern neue Anstrengungen, um dem in der UN-Charta vorgegebenen Gewaltverbot zwischen den Staaten den Weg zu bereiten und es durchzusetzen.

Grundsätzliche Überlegungen zu friedensethischen Orientierungspunkten (III) bedenken in einem weiteren Schritt unter anderem die Themenbereiche nukleare Abschreckung, Sicherheitsbegriff, Vorrang gewaltarmer Wege, Rechtfertigung des Einsatzes militärischer Gewalt, "gerechter Krieg" und Kriegsdienstverweigerung. Leitend sind dabei folgende Einsichten:

  • Krieg als Form zwischenstaatlichen Konfliktaustrages und Mittel zur Durchsetzung partikularer politischer Ziele muß grundsätzlich geächtet werden.
  • Sicherheit kann nicht allein militärisch definiert werden, sondern muß in erster Linie politisch bestimmt werden. Dabei ist eine rechtlich verfaßte internationale Friedensordnung das vorrangige Ziel.
  • Die weltweite Bedrohung des Friedens fordert verschiedene Wege und Mittel zur Erhaltung und Wiederherstellung des Friedens. Dabei gilt es, vorrangig die Leistungsfähigkeit nicht-militärischer Instrumente zu prüfen, auszubauen und zu stärken.
  • Bei sorgfältiger Prüfung aller Mittel und Wege, den Frieden zu wahren, bildet es keinen grundsätzlichen Widerspruch zu einer christlichen Friedensethik, militärische Mittel bereitzustellen und notfalls einzusetzen. Dabei ist zu beachten, daß der Einsatz militärischer Gewalt lediglich eine Notwehr oder eine Nothilfe sein kann, die Ausübung rechtswidriger Gewalt einzudämmen. Er ist nicht hinreichend, um Konflikte zu lösen und Frieden zu schaffen.
  • Die Benutzung militärischer Macht ist um so eher zu vertreten, je enger sie im Sinne von Notwehr und Nothilfe auf den Schutz bedrohter Menschen, ihres Lebens, ihrer Freiheit und der demokratisch-rechtsstaatlichen Strukturen ihres Gemeinwesens bezogen bleibt und je gezielter und begrenzter sie nur die militärischen Angriffsmittel zerstört.
    In einem vierten Schritt werden die gewonnenen Grundsätze in konkrete Handlungsanweisungen überführt, wie friedenspolitische Verantwortung in einer veränderten Welt (IV) wahrgenommen werden kann:
    1. Stärkung der internationalen Friedensordnung: "Eine rechtlich verfaßte internationale Ordnung kann nur Friedensordnung sein, wenn sie unter dem Recht steht, d.h. die Herrschaft des Rechts bindendes Prinzip dieser Ordnung bildet. Rechtsbefolgung wird also ein entscheidendes Element einer internationalen Friedensordnung zu sein haben ... Eine Friedensordnung, international ebenso wie innerstaatlich, die ihre Geltung jedoch ausschließlich auf den Gedanken der Akzeptanz stützen wollte, entbehrt nach aller geschichtlichen Erfahrung der Realität. Im Konfliktfall muß Recht auch durchgesetzt werden." In diesem Zusammenhang werden "humanitäre Interventionen", die Frage nach der Leistungsfähigkeit der UNO und die Beteiligung der Bundeswehr an militärischen Zwangsmaßnahmen im Rahmen der internationalen Friedensordnung erörtert.
    2. Ausbau von Wegen der zivilen Konfliktbearbeitung: Vorrang bei der Erfüllung der Friedensaufgabe haben Wege und Mittel, die auf den Einsatz von Gewalt und die Ausübung von Zwang so weit wie möglich verzichten. "Weil Feindschaft nicht durch Waffen überwunden werden kann und sich konfliktverursachende oder -verschärfende ungerechte Strukturen nicht mit Gewaltanwendung überwinden lassen, besteht ein dringender Bedarf an wirksamen nicht-militärischen Mitteln zur Bearbeitung und Lösung von Konflikten. In Ansätzen sind sie durchaus vorhanden. In den Kirchen haben sich vor allem die Friedensdienste ihrer Entwicklung, Förderung und Anwendung angenommen. Ein entschlossener Ausbau der vorhandenen Ansätze ist nötig und möglich."
    3. Begrenzung des Rüstungspotentials: "Auf militärische Machtmittel kann gegenwärtig und künftig in einer internationalen Friedensordnung nicht verzichtet werden. Aber sie müssen auf ein friedensverträgliches Maß zurückgeführt werden." Dazu gehört, daß die nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes in Gang gekommene Abrüstung fortgeführt und intensiviert wird. Zugleich ist die Kontrolle der Lieferung von Kriegsmaterial von großer Dringlichkeit, um die Gefahr des Ausbrechens von militärischen Konflikten möglichst zu verringern.

2. Einführung durch den Vorsitzenden des Rates, Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt, bei der Pressekonferenz am 4. Februar 1994

Die friedensethische Debatte ist seit einiger Zeit neu in Bewegung gekommen. Alte Koalitionen zerbrechen. Neue Allianzen bilden sich. Mit Erstaunen stellen manche fest, daß einstige Gesinnungsgenossen sie kritisieren und frühere Kontrahenten ihnen zustimmen. Das vertraute Koordinatensystem stimmt nicht mehr. Dabei ist es keineswegs so, daß sich die grundlegenden friedensethischen Überzeugungen gewandelt haben oder wandeln müßten. Wir brauchen keine neue Friedensethik. Aber der Kontext hat sich tiefgreifend verändert. Die weltpolitische Landschaft ist eine andere geworden. Darum brauchen wir eine situationsgerechte Aktualisierung und Konkretisierung der bewährten friedensethischen Überzeugungen.

Vor vierzehn Tagen erschien im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt ein Artikel, der meiner Meinung nach wiedergibt, was viele Christen und Bürger im Augenblick umtreibt. Unter der Überschrift "Quälende Zweifel an der Gewaltlosigkeit" beschreibt die Journalistin Sabine Bode, wie der Krieg in Bosnien ihre bisherigen Auffassungen in Frage gestellt hat. "Was gilt eigentlich noch" - so sagt sie - "von meinen politischen Positionen? Wo ich auch hingreife, ich finde keinen Halt mehr. Nur eines weiß ich sicher: Die Zeiten, als ich immer genau wußte, was zu tun war, als ich wußte, wer in politischen Konflikten oder bei deren Lösung meine Verbündeten waren und wer meine Gegner, sie sind vorbei - eine Einsicht, die mich lähmt und ständig mit neuen Zweifeln belästigt. Was hat mich in früheren Zeiten so sicher gemacht in meinen Überzeugungen?" So weit Sabine Bode.

Ich denke, ihr Artikel trifft sehr gut eine verbreitete Stimmung. "Quälende Zweifel an der Gewaltlosigkeit" können uns überfallen, wenn wir die schrecklichen Bilder aus Bosnien sehen und die Berichte hören, wie auch an vielen anderen Orten der Erde fortwährend Friedensbrüche geschehen und Menschenrechte verletzt werden. Ich nenne beispielhaft nur den Sudan, den ich vor zwei Wochen besucht habe. Verunsicherung hat sich breit gemacht: Was ist zu tun? Und was werden die Folgen sein?

Angesichts dieser Situation hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland vor einem guten Jahr seine Kammer für Öffentliche Verantwortung gebeten, sich der Thematik anzunehmen und die Frage zu bearbeiten: "Was hat die evangelische Kirche an ethischer Orientierung beizutragen zur Aufgabe der internationalen Staaten- und Rechtsgemeinschaft, unter den gewandelten weltpolitischen Verhältnissen politischen Frieden zu bewahren, wiederherzustellen und zu fördern?"

Es gab für die evangelische Kirche noch einen anderen Grund, die Friedensfrage erneut aufzunehmen. Die vergangenen fünfzehn Jahre waren - vor dem Hintergrund älterer Differenzen - durch eine heftige friedensethische Kontroverse gekennzeichnet. Diese Kontroverse ließ sich zwar zu keinem Zeitpunkt schlichtweg auf einen Ost-West-Gegensatz verrechnen, aber sie fand jedenfalls auch ihren Ausdruck in unterschiedlichen und zum Teil gegensätzlichen friedensethischen Positionsbestimmungen der Leitungsorgane in West und Ost, etwa der Friedensdenkschrift des Rates der EKD von 1981 und dem Beschluß "Bekennen in der Friedensfrage" des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR von 1987. Nach der Wiedergewinnung der kirchlichen Einheit stellte sich somit die Frage, ob unter den gewandelten weltpolitischen Verhältnissen und angesichts der aktuellen Bedrohungen des Friedens auch ein neuer friedensethischer Konsens in der evangelischen Kirche gefunden werden könne. Die Kammer für Öffentliche Verantwortung bot für einen solchen Versuch beste Voraussetzungen, weil ihr unter der bewährten Leitung von Professor Trutz Rendtorff seit 1991 Mitglieder aus West und Ost und gerade auch Protagonisten bisher sehr unterschiedlicher friedensethischer Positionen angehören.

Der Vorsitzende der Kammer wird das Ergebnis sogleich inhaltlich im einzelnen vorstellen. Der Rat hat es sich zu eigen gemacht und veröffentlicht diese Orientierungspunkte für Friedensethik und Friedenspolitik unter seinem Namen. Er ist der Kammer sehr dankbar für die von ihr geleistete Arbeit: um des Beitrages zur Sache und um des Beitrages zum Konsens in unserer Kirche willen. Manche können es noch gar nicht recht glauben, daß die neue, vereinigte EKD auf dem Feld der Friedensethik tatsächlich mit einer Stimme sprechen kann. Zu sehr haben sie sich an die Vorstellung gewöhnt, daß die evangelische Kirche in Sachen Frieden hoffnungslos zerrissen sei. Aber es ist an der Zeit, solche Vorurteile zu korrigieren. Gewiß, noch sind keineswegs alle Differenzen ausgeräumt, das gilt vor allem für die Beurteilung atomarer Waffen und der nuklearen Abschreckung. Aber der Konsens ist enorm verbreitert worden, wie im übrigen auch aus dem Beschluß der Synode zur Friedensverantwortung vom 11. November 1993 hervorgeht, der zusammen mit dem Beitrag von Kammer und Rat veröffentlicht wird.

Ich schließe mit einer Feststellung, die in dem heute vorzustellenden Text schwergewichtig am Anfang steht. So bedeutsam es ist, daß die Kirche zu friedenspolitischer Verantwortung anhält und dafür Orientierung gibt - der besondere Beitrag der Kirche und der Christen bleibt das Gebet um den Frieden, die Botschaft von der versöhnenden Liebe Gottes und die Tat der Nächsten- und Feindesliebe.

3. Einführung durch den Vorsitzenden der Kammer für Öffentliche Verantwortung, Professor Dr. Trutz Rendtorff, bei der Pressekonferenz am 4. Februar 1994

  1. Der vom Ratsvorsitzenden der Öffentlichkeit vorgelegte Text ist die erste grundsätzliche Stellungnahme der EKD zur Friedensethik und Friedenspolitik nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes und nach der Vereinigung Deutschlands. Im Gefolge beider Ereignisse war es nach Auffassung der EKD erforderlich, eine neue Positionsbestimmung zu Grundfragen der Friedensethik zu formulieren und in der Kirche sowie in der politischen Gesellschaft zur Diskussion zu stellen. Damit sind die beiden Schwerpunkte genannt, die das Ergebnis unserer Beratungen bilden und auf die ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte.

    2. Der Text "Schritte auf dem Weg des Friedens" soll einen Beitrag der Kirche leisten zur inneren Vereinigung Deutschlands. Auf dem Hintergrund oft tiefgreifender Kontroversen, die vor allem in den achtziger Jahren die Auseinandersetzung bestimmt haben, geht es um einen neuen Konsens in der Friedensethik. Die Gegensätze innerhalb des Protestantismus (wie in unserer Gesellschaft überhaupt) zwischen einer pazifistischen Grundposition einerseits und der Mitverantwortung von Christen als Bürger einer demokratischen Gesellschaft in der Sicherung und Erneuerung des Friedens andererseits können überbrückt werden. Diese Gegensätze sind zwar zu keinem Zeitpunkt einfach identisch gewesen mit der Position der Kirche in der DDR einerseits und der EKD in der Bundesrepublik andererseits. Aber sie waren doch mit der deutschen Teilung und dem Ost-West-Gegensatz auf vielfache Weise verschränkt. Der Text "Schritte auf dem Weg des Friedens" fordert auf zu einer heute möglichen Verständigung: Die "vorrangige Option für Gewaltfreiheit" entbindet nicht von der Verpflichtung, zum Schutz von Recht und Frieden notfalls mit politisch zu verantwortenden Mitteln militärischer Gewalt einzustehen. Zugleich gilt weiter fort, was die Friedensdenkschrift der EKD 1981 gefordert hat: "Frieden zu wahren, zu fördern und zu erneuern ist das Gebot, dem jede politische Verantwortung zu folgen hat." Der Einsatz militärischer Gewalt muß diesem Imperativ zu- und untergeordnet sein. In der Kammer für Öffentliche Verantwortung sind die unterschiedlichen und kontroversen Positionen vertreten. Mit dem erreichten Konsens, wie er im Text im einzelnen ausgeführt und dargestellt ist, verbindet sich darum die Aufforderung an alle Gruppen und Positionen in der evangelischen Kirche bzw. im Protestantismus, der Linie dieser Verständigung zu folgen und sich auf diesem Wege als Christen und Bürger an der Vertiefung der inneren Vereinigung Deutschlands in einer lebenswichtigen Frage zu beteiligen.

  2. Den zweiten Schwerpunkt bildet unsere Überzeugung, daß nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes und angesichts der neuen Konflikte in Südosteuropa und in Afrika die Zeit gekommen ist für den ernsthaften Versuch zur Errichtung und Durchsetzung einer internationalen Ordnung des Friedens. Die zunehmende Skepsis, die sich im Blick auf die Bereitschaft und Fähigkeit der Völkergemeinschaft ausbreitet, ihre rechtlichen, politischen und organisatorischen Möglichkeiten für die Beendigung von kriegerischen Gewaltkonflikten einzusetzen, stellt eine akute Gefährdung der Entwicklung des Friedens in der vor uns liegenden Zukunft dar. Die Schrift "Schritte auf dem Weg des Friedens" plädiert mit Nachdruck dafür, die Chancen für eine wirksame Verpflichtung der Völkergemeinschaft auf eine verbindliche internationale Rechtsordnung nicht zu vertun. Die aktuellen Konflikte zeigen, daß diese Aufgabe nicht leicht ist. Aber dem Rückfall in das Regime von machtpolitischen Interessen von Einzelstaaten oder in die Resignation angesichts von purer Gewalt darf angesichts der noch vorhandenen Schwächen der Vereinten Nationen und anderer, internationaler Zusammenschlüsse nicht noch Beifall gezollt werden. Im Gegenteil, die Entwicklung in Europa zeigt, daß es möglich und politisch erfolgreich ist, durch die feste Einbindung in übernationale Rechtspflichten zu dauerhaften friedlichen Verhältnissen zu gelangen. Das entspricht auch dem Imperativ der Friedensethik. Aus diesem Grunde enthält der Text "Schritte auf dem Weg des Friedens" eine detaillierte Darstellung, was die Stärkung der internationalen Friedensordnung unter der Ägide des Rechts bedeutet, welche Schritte sie fordert. Die Konfliktlage in Südosteuropa verstärkt die Forderung, die Strukturen des Völkerrechts und der Vereinten Nationen zu stärken und den politischen Willen dafür zu mobilisieren. In diesem Zusammenhang muß darum auch an die Bereitschaft Deutschlands appelliert werden, sich an internationalen Verpflichtungen zur Sicherung des Friedens und zur Schaffung von Voraussetzungen des Friedens zu beteiligen. Die EKD schlägt dafür keine direkten Einzelmaßnahmen vor. Das betrachtet sie mit gutem Grund auch nicht als ihre Aufgabe. Gleichwohl aber geht es der Kirche darum, die Richtung zu markieren und nachdrücklich zu vertreten, in die das Denken, die politischen Konzeptionen und die ihnen zugeordnete strategische Aufgabe militärischer Mittel weiterentwickelt werden müssen.

  3. Auch in einer internationalen Friedensordnung kann gegenwärtig und künftig auf militärische Machtmittel nicht verzichtet werden. Der Text "Schritte auf dem Weg des Friedens" spricht sich aber dafür aus, gegenüber einer Wiederbelebung der Redeweise vom "gerechten Krieg" die Abwehr von Friedensbrüchen oder von Bedrohungen des Friedens als Ausübung internationaler Polizeigewalt zu begreifen. Es sind die Begriffe und die damit verbundenen Vorstellungen, die unser Handeln leiten. Es ist darum wichtig, daran festzuhalten, daß die Notwendigkeit militärischer Gewalt als "ultima ratio" des internationalen Rechts keine Rückkehr zur Kriegführung als Mittel der Politik souveräner Einzelstaaten legitimiert.

  4. Damit beteiligt sich die Kirche an der Diskussion um einen erweiterten Friedensbegriff, zu dem auch der Ausbau von Wegen ziviler Konfliktbearbeitung im Blick auf kulturell verfestigte Fremdheits- und Feindbilder gehört. Hier liegen große Aufgaben gerade angesichts von Fremdenhaß und Ausländerfeindlichkeit, die sich in unserer eigenen Gesellschaft regen, denen allerdings auch große Potentiale zu ziviler Toleranzbereitschaft gegenüberstehen.

    Ich habe versucht, die Schwerpunkte des Textes "Schritte auf dem Weg des Friedens" herauszustellen. Die Verteidigung des Rechts und des Rechtsstaates und die Forderung nach einem Ethos der Rechtsbefolgung entsprechen Grundüberzeugungen der christlichen Sozialethik wie des modernen Rechtsbewußtseins. Weil irdischer Friede immer bedroht ist, muß er dort gestärkt werden, wo er realisiert ist, und wo er gefährdet oder mißachtet wird, muß er mit Mitteln befördert werden, die dem Frieden gemäß sind. Deswegen liegt der Kirche daran, alle Aufmerksamkeit auf den unlöslichen Zusammenhang von Frieden und Recht zu konzentrieren.