Gemeinsame Stellungnahme der Kirchen zum dritten Personenstandsrechts-Änderungsgesetz

Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union und des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin

Stellungnahme
des
Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin –
und des
Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union
zum
Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat
Drittes Gesetz zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften (Drittes Personenstandsrechts-Änderungsgesetz - 3. PStRÄndG)
(Stand: 14. April 2022)



I. Grundsätzliche Bewertung

Ziel des Entwurfs (im Folgenden PStG-E) ist es, diverse Verfahrensabläufe im Personenstandswesen und Regelungen zu optimieren und insbesondere vor dem Hintergrund der erforderlichen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) bis Ende 2022 den elektronischen Zugang für Bürgerinnen und Bürger zu Verwaltungsleistungen zu gewährleisten. Um dies zu ermöglichen, sollen Prozesse digital bereitgestellt und nach dem vom OZG vorgesehenen „Once-Only-Prinzip“ auf die Vorlage urkundlicher Nachweise verzichtet werden. Die Umsetzung dieses Ziels wird der Begründung des Referentenentwurfs zufolge zu einem deutlich höheren Aufwand für die Standesämter führen, aber auch zugleich Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger und der mit dem Standesamt in Kontakt stehenden Unternehmen mit sich bringen.

Vor diesem Hintergrund sieht es der Entwurf als erforderlich an, um den Mehraufwand aufgrund der Umsetzung dieses Gesetzes zu verringern, die Möglichkeit der freiwilligen Eintragung der Religionszugehörigkeit in den Personenstandseinträgen ersatzlos zu streichen (vgl. z.B. §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 21 Abs. Nr. 4, 31 Abs. 1 Nr. 1 PStG-E). Auch das in § 65 Abs. 2 PStG geregelte Benutzungsrecht der Religionsgemeinschaften zur Erteilung von Personenstandsurkunden und Auskünften über Mitglieder aus einem Personenstandsregister soll aufgehoben werden.

Aufgrund dieser umfassenden Änderungen würde der Begriff „Religion“ in dem PStG keine einzige Nennung mehr finden und wäre infolgedessen bei der Erfassung von personenbezogenen Merkmalen durch den Staat irrelevant. Dies erscheint bereits deswegen bedenkenswert, da bis in das 19. Jahrhundert fast ausschließlich die Kirchenregister die Funktion öffentlich-rechtlicher Personenstandsregister hatten und zunächst nur unter kirchlicher Führung Tauf-, Trau- und Totenbücher bestanden, die in diesem Dreiklang auch die „Eckpfeiler“ des heutigen Personenstandes darstellen.[1]

Wie bereits in der Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe zu dem Vorentwurf des Fünften Gesetzes zur Änderung des Personenstandsregisters aus dem Jahr 1996 und der Stellungnahme des Kommissariats zu dem Vorentwurf eines Gesetzes zur Reform des Personenstandsrechts aus dem Jahr 2003 sprechen wir, der Bevollmächtigte des Rates der EKD und das Kommissariat der deutschen Bischöfe, uns weiterhin für die Möglichkeit der freiwilligen Angabe der Religionszugehörigkeit in den Personenstandsregistern aus. Auch das Benutzungsrecht sollte Religionsgemeinschaften weiter rechtssicher gewährleistet werden.

II. Bewertung im Einzelnen

1. Streichung der freiwilligen Eintragung der Religionszugehörigkeit aus dem Ehe-, Geburten- und Sterberegister und aus den dazugehörigen Urkunden, §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 16 Abs. Nr. 7, 21 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 3 Nr. 5, 31 Abs. 1 Nr. 1, 57 Abs. 1 Nr. 4, 58 Abs. 1 Nr. 4, 59 Abs. 1 Nr. 5, 60 Nr. 1 PStG-E, § 36 Abs. 2 PStV-E

Seit der Reform im Jahr 2009 enthält das PStG in § 1 Abs. 1 eine Legaldefinition des Personenstands: „Personenstand im Sinne dieses Gesetzes ist die sich aus den Merkmalen des Familienrechts ergebende Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung einschließlich ihres Namens. Der Personenstand umfasst Daten über Geburt, Eheschließung, Begründung einer Lebenspartnerschaft und Tod sowie damit in Verbindung stehende familien- und namensrechtliche Tatsachen.“

Der Referentenentwurf führt in seiner Begründung für die Streichung der die Religionszugehörigkeit betreffenden Normen hierzu aus, dass die „Religionszugehörigkeit somit kein den Personenstand eines Menschen kennzeichnendes Element“[2] sei. Aufgrund dessen sei die Eintragung auch nur freiwillig und eine Streichung der Möglichkeit der Eintragung der Religionszugehörigkeit sinnvoll.

Wir stimmen mit dem Referentenentwurf darin überein, dass das PStG die Religionszugehörigkeit in der Legaldefinition nicht ausdrücklich nennt und den Personenstand rechtstechnisch an die Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung knüpft, die sich aus dem Familienrecht ergibt.[3] Allerdings ist die freiwillige Angabe der Religionszugehörigkeit in dem Personenstandsregister dennoch ein Merkmal, das Ausdruck der positiven Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG sowie der positiven informationellen Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ist und als wesentliches Identitätsmerkmal für ein Mitglied einer Religionsgemeinschaft ermöglicht werden sollte.

Denn aus verfassungsrechtlicher Perspektive geht das Personenstandsrecht über die bloße Verknüpfung zum Familienrecht hinaus und ist nach dem BVerfG keine „Marginalie“, sondern umschreibt vielmehr in „zentralen Punkten die rechtlich relevante Identität einer Person“[4]. Mit dieser Formulierung knüpft das BVerfG gedanklich auch an den historisch gewachsenen Begriff des Personenstands an, der bis zum Inkrafttreten des Personenstandsrechtsreformgesetzes im Jahr 2009 eben nicht definiert war, sondern sich vielmehr an der „Gesamtheit der personenbezogenen Daten“[5] orientierte. Die Religion stellt aber ein Identitätsmerkmal einer Person dar, denn der Glaube ist eine „mit einer Person des Menschen verknüpfte Gewissheit über den Bestand und Inhalt bestimmter Wahrheiten“.[6] Damit ist es von großer Bedeutung, dass sich eine Person hierzu bekennen und damit in dem Personenstandsregister zum Ausdruck bringen kann, dass zu ihrer Identität der Glaube gehört.

Dies entspricht nicht nur dem Interesse der Kirchen, sondern auch und in erster Linie dem der Kirchenmitglieder, die die Religionszugehörigkeit als wesentlich für ihre Identität empfinden. Dies zeigen auch die in dem Referentenentwurf selbst dargelegten Zahlen bezüglich des Erfüllungsaufwandes für die Verwaltung. Demnach findet eine Eintragung der Religionszugehörigkeit in das Sterberegister noch bei 80% der Verstorbenen statt. In die Geburten- und Eheregister lassen 50% ihre Religionszugehörigkeit eintragen. Darin spiegelt sich sehr deutlich das Bedürfnis der Kirchenmitglieder wider, ihre Religionszugehörigkeit weiterhin in den Registern zu vermerken.

Darüber hinaus wurde die Definition bereits bei der Novellierung des PStG im Jahr 2009 geändert und dennoch anstatt einer – wie zuvor in dem Vorentwurf vorgesehenen – bloßen Hinweismöglichkeit auf eine Religionszugehörigkeit bewusst weiterhin die Möglichkeit der Angabe der Zugehörigkeit zu einer Religion in den urkundlichen Teil des Registers beibehalten. Auch dies spricht dafür, die Möglichkeit zur freiwilligen Eintragung der Religionszugehörigkeit weiter vorzusehen und damit der individuellen wie historisch gewachsenen Bedeutung Rechnung zu tragen.

Der Referentenentwurf begründet eine Streichung zusätzlich damit, dass für die Religionsgemeinschaften als öffentlich-rechtliche Körperschaft weiterhin das Recht bestehe, die Mitglieder selbst zu registrieren und entsprechende Daten nach § 42 BMG von der Meldebehörde erlangt werden könnten. Damit würden die Daten aus dem Personenstandsregister weder für kirchliche noch für weltliche Zwecke benötigt.

Die Datenübermittlung an öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften nach § 42 BMG kann jedoch nicht die Möglichkeit einer Bürgerin oder eines Bürgers ersetzen, die Religionszugehörigkeit in den Personenstandseinträgen auf freiwilliger Basis zu ergänzen. Wie oben dargestellt geht die Bedeutung des Personenstandsregisters über eine bloße mögliche Informationsfunktion hinaus und betrifft die „relevante Identität“ einer Person.

Schließlich weisen wir – wie bereits zuvor in der Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe zum Vorentwurf des Gesetzes zur Reform des Personenstandsrechts von 2003 – darauf hin, dass das Neutralitätsverständnis und das gewachsene Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Deutschland die Beibehaltung der möglichen Angabe der Religionszugehörigkeit nahelegen. Dies auch in Anbetracht dessen, dass Interessen und Rechte Dritter nicht tangiert werden. Der Verzicht auf die Aufnahme der Religionszugehörigkeit bedeutet, der Verdrängung des Religiösen aus dem öffentlichen Raum ins Private Vorschub zu leisten und damit letztlich die positive Religionsfreiheit zurückzudrängen.

Insofern die Streichung – wie in der Begründung des Referentenentwurfs angegeben – den Mehraufwand für die Standesämter aufgrund der erforderlichen Digitalisierung verringern soll, so handelt es sich hierbei um rein pragmatische Gesichtspunkte. Diese können aber nicht durchdringen, denn die Digitalisierung der Verwaltung führt nicht nur zu Vereinfachungen und Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger und die mit dem Standesamt in Kontakt stehenden Unternehmen, sondern langfristig zu einer vereinfachten Erfassung und Weiterleitung der Daten sowie der effizienteren und schnelleren Bearbeitung von Anträgen. Damit sind der erhöhte Aufwand und die Kosten, die für die digitale Umstellung i.S.d. OZG erforderlich sind, nur temporär begrenzt und werden sich langfristig amortisieren.

2. Benutzung durch Behörden und Gerichte, § 65 Abs. 2 PStG-E

Die geltende Regelung nach § 65 Abs. 2 PStG, nach welcher Religionsgemeinschaften Auskünfte und Personenstandsurkunden erteilt werden können, soll ebenfalls ersatzlos gestrichen werden.

Aus kirchlicher Sicht sollte jedoch § 65 Abs. 2 PStG beibehalten werden, da weiterhin Konstellationen bezüglich eines Auskunftsverlangens bestehen, die – anders als es der Referentenentwurf in der Begründung ausführt – nicht über § 42 BMG erlangt werden können. Dies ist etwa der Fall, wenn die Kirche im Fall eines Kirchenaustritts den Ort der Taufpfarrei des ausgetretenen Mitglieds sucht, um den Kirchenaustritt im Taufbuch eintragen zu können. Dafür wird mitunter die frühere Wohnadresse der Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes beim Standesamt erfragt. Der seinerzeitige Wohnsitz der Eltern zum Zeitpunkt der Geburt lässt dann Rückschlüsse auf die Taufgemeinde des nun aus der Kirche ausgetretenen Kindes zu.

Dabei schließt der Entwurfsverfasser auch nicht aus, dass die Kirchen über die Möglichkeit zur Auskunft aus dem Melderegister hinaus weiter eine Auskunft oder Personenstandsurkunde aus den Personenstandsregistern benötigen. Als mögliches Auskunftsrecht nennt die Begründung des Entwurfs nun das allgemeine Benutzungsrecht i.S.d.       § 62 PStG. Abgesehen davon, dass die Kirchen hier als erhöhte Voraussetzung bei jedem Auskunftsersuchen ein rechtliches Interesse geltend machen müssten, erscheint dieses Auskunftsrecht den Kirchen jedenfalls nicht hinreichend rechtssicher offenzustehen. Denn nach dem Wortlaut des § 62 Abs. 1 PStG sind „Personen“ Anspruchsberechtigte der Norm. Dass sich auch kirchliche Stellen auf § 62 PStG berufen können, müsste wohl mindestens in der Begründung rechtssicher klargestellt werden. Aus kirchlicher Sicht erscheint es jedoch – auch aus gesetzessystematischen Gründen – angezeigt, das Auskunftsrecht weiter in § 65 PStG zu verankern, wobei die öffentlich-rechtlich verfassten kirchlichen Stellen auch unter Abs. 1 PStG subsumiert werden könnten. Denn dieser bezieht sich auf die Benutzung durch Behörden und Gerichte. Aus dem öffentlich-rechtlichen Status leitet sich die Behördeneigenschaft der kirchenbuchführenden Dienststellen ab.[7] Den Eintragungen in Kirchenbüchern der Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts kommt die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde im Sinne der staatlichen Rechtsordnung zu. So sind etwa die einzigen Urkunden, die über den Empfang einer Taufe öffentlichen Nachweis erbringen können, die Eintragungen in Taufbüchern. Mit der Eintragung in das Taufbuch wird die Taufe nicht nur innerkirchlich, sondern auf Grund des Körperschaftsstatus auch mit öffentlich-rechtlicher Wirkung beurkundet mit der Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde[8]. Entsprechend sind die kirchlichen Urkunden, wie etwa solche, die über den Empfang der Taufe öffentlich Nachweis erbringen, „sonstige öffentliche Urkunden“ nach § 9 PStG. Im Fall einer Streichung des § 65 Abs. 2 PStG sollte daher aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit in der Gesetzesbegründung zu § 65 Abs. 1 PStG oder in der Norm des § 65 Abs. 1 PStG selbst festgehalten werden, dass auch öffentlich-rechtlich verfasste Religionsgemeinschaften sich auf § 65 Abs. 1 PStG berufen können beziehungsweise unter den Behördenbegriff fallen.

Berlin, den 1. Juli 2022

 

[1] Vgl. Lorenz, Personenstandswesen. Meldewesen. Datenschutz, in: Listl/Pirson, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, S. 717 f.

[2] Referentenentwurf zum 3. PStRÄndG (April 2022), S. 62.

[3] BGH, Beschl. v. 22. 6. 2016 – XII ZB 52/15, Rn. 15.

[4] BGH, Beschl. v. 10. 10. 2017 – 1 BvR 2019/16, Rn. 45.

[5] Vgl. Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe zum Vorentwurf eines Gesetzes zur Reform des Personenstandsrecht (September 2003), 2004, S. 2, Hepting/Gaaz, Personenstandsgesetz, Handkommentar, § 1, Rn. 4.

[6] V. Mangoldt/Klein/Starck, Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 4, Rn. 10.

[7] Vgl. Vorwerk/Wolf, Krafka, BeckOK ZPO, 44. Aufl. 2022, § 415, Rn. 13; BayObLG, Beschl. v. 30.12.1994 – BReg. 2 Z 171/54, siehe auch Listl, Archiv für katholisches Kirchenrecht Band 143, Jg. 1974, S. 101ff.

[8] Vgl. Fn. 7.

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