Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes

Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union und des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin –

Gemeinsame Stellungnahme
des Kommissariats der deutschen Bischöfe
– Katholisches Büro in Berlin –
und des Bevollmächtigten des Rates der EKD
bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union

zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz - Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden



Wir danken für die Übersendung des Referentenentwurfs und nehmen die Gelegenheit zur Stellungnahme gerne wahr.

Die Kirchen begrüßen grundsätzlich Anliegen und Ziel des Gesetzentwurfs, im Rahmen der Umsetzung der europäischen Hinweisgeberschutzrichtlinie den Hinweisgeberschutz in der Bundesrepublik Deutschland wirksam und nachhaltig zu verbessern.
 

Wir bitten aber um Berücksichtigung folgender kirchlicher Anliegen:

  1. Zu § 5 Absatz 2 des Entwurfs des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG-E) – Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten

§ 5 Absatz 2 Nr. 3 bis 5 HinSchG-E wahrt die Vertraulichkeit der Kommunikation der Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte, Verteidiger, Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Ärzte, Apotheker und Angehörige anderer Heilberufe sowie deren Gehilfen.

Nicht aufgeführt und entsprechend geschützt wird hingegen das Seelsorgegeheimnis. Dabei gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das seelsorgerliche Gespräch zum verfassungsrechtlichen Menschwürdegehalt der Religionsausübung im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 und 2 GG und ist regelmäßig dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen (s. BVerfGE 109, 279, 322: „§ 53 StPO schützt zwar seinem Grundgedanken nach das Vertrauensverhältnis zwischen dem Zeugen und dem Beschuldigten. Jedoch erfolgt auch dieser Schutz nicht in allen Fällen des § 53 StPO um der Menschwürde des Beschuldigten oder der Gesprächspartner willen. Diese Annahme trifft allerdings auf das seelsorgerliche Gespräch mit dem Geistlichen zu.“). Der Gesetzgeber hat den umfassenden Schutz des Seelsorgegesprächs auch stets anerkannt und neben den prozessualen Vorschriften des § 53 Absatz 1 Nr. 1 StPO, § 383 Absatz 1 Nr. 4 ZPO den Seelsorger auch von der Pflicht zur Anzeige geplanter Straftatengemäß § 139 Absatz 2 StGB befreit. Der umfassende Schutz des Seelsorgegesprächs liegt auch Artikel 9 des Reichskonkordates zugrunde, wonach  „Geistliche von Gerichtsbehörden und anderen Behörden nicht um Auskünfte über Tatsachen angehalten werden (können), die ihnen bei Ausübung der Seelsorge anvertraut worden sind und deshalb unter die Pflicht der seelsorgerlichen Verschwiegenheit fallen.“

Wir bitten daher nachdrücklich, § 5 Absatz 2 Nr. 4 HinSchG-E wie folgt zu ergänzen: „sowie durch Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist,“.

  1.  Zu § 12 HinSchG-E – Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen

Nach § 3 Absatz 9 HinSchG-E wird der Kreis der von dem Gesetz erfassten Beschäftigungsgeber weit gefasst. Zu den Beschäftigungsgebern zählen unter anderem juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts. Dabei wird in der Begründung ausdrücklich klargestellt, dass auch die als Körperschaften öffentlichen Rechts verfasste evangelische und katholische Kirche mit ihren Kirchengemeinden von dem Begriff umfasst werden (siehe Seite 71 der Entwurfsbegründung).

Der Entwurf lässt aber dann die kirchlichen Strukturen – insbesondere im Hinblick auf die öffentlich-rechtlich verfassten kirchlichen Einrichtungen – unberücksichtigt. So sieht der Entwurf in § 12 Absatz 1 Satz 2 HinSchG-E vor, dass, sofern Bund oder Länder als juristische Personen des öffentlichen Rechts Beschäftigungsgeber sind, die obersten Bundes- oder Landesbehörden Organisationseinheiten in Form von einzelnen oder mehreren Behörden, Verwaltungsstellen, Betrieben oder Gerichte bestimmen, die interne Meldestellen einrichten und betreiben. Durch diese flexible Regelung kann – so führen es die Entwurfsverfasser in der Begründung aus – je nach Verwaltungs- und Organisationsstrukturen eine passgenaue Lösung gefunden werden, die eine niedrigschwellige Erreichbarkeit einer internen Meldestelle gewährleistet, ohne ineffiziente und zu kleinteilige Strukturen zu schaffen.

Eine solche Möglichkeit sieht der Entwurf bisher für die öffentlich-rechtlich verfassten Kirchen nicht vor. Dabei ist das kirchliche Selbstorganisationsrecht gemäß Artikel 140 GG iVm Artikel 137 Absatz 3 WRV als Bestandteil des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auch verfassungsrechtlich gewährleistet (s. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 -, Rn. 90: Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht „erweist sich als notwendige, rechtlich selbständige Gewährleistung, die der Freiheit des religiösen Lebens und Wirkens der Kirchen und Religionsgemeinschaften die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerlässliche Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung hinzufügt (vgl. BVerfGE 53,366 (401)“). Die Kirchen bedürfen zudem auch einer solchen flexiblen Lösung, wie sie Bund und Ländern beziehungsweise über das Landesrecht den Gemeinden und Gemeindeverbänden ermöglicht wird. So ist nicht nur die Diözese oder Landeskirche als Körperschaft öffentlichen Rechts Beschäftigungsgeber mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten. Auch die als Körperschaft öffentlichen Rechts verfassten Kirchengemeinden haben mitunter mindestens 50 Beschäftigte, etwa wenn sich Kirchengemeinden zu größeren Einheiten zusammengeschlossen haben und/oder sie Träger von Kindergärten, Altenheimen oder ähnlichen kirchlichen Einrichtungen sind. In diesen Fällen muss es den Kirchen – wie Bund, Ländern und Gemeinden – ebenfalls möglich sein, eine niedrigschwellig erreichbare, interne Meldestelle zu errichten, ohne ineffiziente und zu kleinteilige Strukturen zu schaffen. Der derzeitige Entwurf benachteiligt vor diesem Hintergrund auch die öffentlich rechtlich verfassten kirchlichen Einrichtungen, da privatrechtlich verfasste Einrichtungen, sofern sie private Beschäftigungsgeber nach § 3 Absatz 10 HinSchG-E sind, sich nach Maßgabe des § 14 Absatz 2 HinSchG-E für das Betreiben einer internen Meldestelle zusammenschließen und so ressourcenschonend agieren können.

Wir bitten daher ausdrücklich darum, auch den öffentlich- rechtlich verfassten Kirchen die Möglichkeit einzuräumen, Organisationseinheiten zu bilden.

§ 12 Absatz 1 HinSchG-E ist daher um folgenden Satz zu ergänzen:

„Sind öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften Beschäftigungsgeber, bestimmen diese Organisationseinheiten in Form von einzelnen oder mehreren Stellen“.
 

Berlin, den 11. Mai 2022

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