Grußwort der Deutschen Bischofskonferenz bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Generalsynode der VELKD

Bischof Dr. Gerhard Feige, Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz

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Es gilt das gesprochenen Wort

Sehr geehrte Präses der Synode der EKD, liebe Schwester Heinrich!
Sehr geehrter Präsident der Generalsynode der VELKD, lieber Bruder Kannengießer!
Sehr geehrte Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, liebe Schwester Kurschus!
Sehr geehrter Leitender Bischof der VELKD, lieber Bruder Meister!
Liebe Mitglieder der Synode der EKD und der Generalsynode der VELKD! Verehrte Synodale!
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schwestern und Brüder!

Nach 2011 und 2016 freut es mich als katholischer Ortsbischof im „Lande Luthers“, heute erneut bei der Synode der EKD hier in Magdeburg Gast sein zu dürfen. Ich grüße Sie auch im Namen der Deutschen Bischofskonferenz sehr herzlich und danke Ihnen für die Gelegenheit, zu Ihnen sprechen zu können. Für mich ist das keine nur formale Angelegenheit, sondern ein lebendiger Ausdruck unseres vertrauensvollen ökumenischen Miteinanders, das wir in Deutschland pflegen.

Ein großes Thema ist in der katholischen Kirche aktuell die Synodalität als ekklesiologische Grunddimension. Anders als in der evangelischen Kirche hat sie in der katholischen Kirche – zumindest, wenn es um die Einbeziehung des ganzen Gottesvolkes ging – lange Zeit kaum eine Rolle gespielt. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrte zwar, dass die Gesamtheit der Gläubigen im Glauben nicht irren kann (LG 12). Aber erst mit Papst Franziskus ist ein fundamentaler Perspektivwechsel weg vom Amt und der Verantwortung der Bischöfe und des  Papstes hin zum ganzen Volk Gottes eingetreten. Er hat das Thema Synodalität in den Fokus gerückt und damit eine ungeheure Dynamik ausgelöst. Das Besondere in dem von ihm 2021 ausgerufenen weltweiten synodalen Prozess war von Anfang an die Idee, dass es eine Synode des ganzen Volkes Gottes sein soll, an der nicht nur Bischöfe, Priester und Diakone sowie Ordensleute beteiligt sind, sondern auch die Laien. Diese Dimension hat nach meinem Eindruck im Laufe der Zeit zunehmend an Gewicht gewonnen und wurde auch als Grund für die jüngste Verlängerung des ursprünglich bis 2023 angelegten Prozesses um ein weiteres Jahr genannt.

Da die Partizipation aller in der Taufe gründet, kommt auch den Geschwistern außerhalb der katholischen Kirche eine Bedeutung zu. Das wurde im Vorbereitungsdokument des Synodensekretariats zur ersten Phase der Konsultation unterstrichen und in einem gemeinsamen Brief von Kardinal Kurt Koch und Kardinal Mario Grech vom 28. Oktober 2021 nochmals verdeutlicht. Die Deutsche Bischofskonferenz hat diesen Impuls gern aufgegriffen und die in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland verbundenen Kirchen, Zusammenschlüsse und Organisationen eingeladen, die katholische Kirche an ihren je eigenen Erfahrungen, Einschätzungen und Vorschlägen zum Thema Synodalität teilhaben zu lassen. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland hat auf diese Einladung geantwortet, wofür ich an dieser Stelle ausdrücklich danken möchte. Die Rückmeldungen zeigen, dass Synodalität und ihre Strukturprinzipien jeweils aus der eigenen Kirchengeschichte abgeleitet und erläutert werden. Daher sind negative wie positive Erfahrungen auch nicht ohne Weiteres übertragbar. Dennoch sehe ich in dem Austausch über unterschiedliche Formen, Synodalität in der Kirche zu leben, nicht nur die Chance, einander noch besser kennenzulernen und zu verstehen, sondern auch ein Potenzial für die katholische Kirche, von den Erfahrungen anderer Kirchen zu lernen.

In Wechselbeziehung zum weltweiten synodalen Prozess steht der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland, der mit einer ersten Synodalversammlung zu Beginn des Jahres 2020 aufgenommen wurde. Die Etappen, die wir seither durchschritten haben, zeigen, dass er für alle Beteiligten ein Lernprozess ist. Es verwundert daher nicht, dass es dabei auch zu Konflikten und manchmal auch schmerzlichen Erfahrungen kommt. Aber wir stehen mit dem erschütternden Ausmaß von sexuellem und seelischem Missbrauch im Raum der katholischen Kirche, wie es in den letzten Jahren aufgedeckt wurde und immer neu offenkundig wird, vor einem großen Scherbenhaufen. Deshalb kann und darf es ein „Weiter so“ nicht geben. Aber unabhängig davon hat sich die katholische Kirche in ihrer Geschichte immer wieder als reformbedürftig und als reformfähig erwiesen, auch wenn der Eindruck bleibt, dass das Schiff sich oft nur sehr langsam bewegt hat. Diese Einsichten beantworten noch nicht die Frage, in welche Richtung es weitergehen kann. Ein offener, ehrlicher und in wechselseitigem Respekt geführter Diskurs ist unbedingt nötig. Jeder synodale Weg vertraut darauf, dass Gottes Geist wirksam ist, wenn das Volk Gottes zusammenkommt, um zu erkennen, wohin Jesus Christus seine Kirche führen will. Dabei müssen wir uns immer wieder auch selbstkritisch fragen, ob ein Hören aufeinander und auf den Heiligen Geist gelingen kann, wenn wir uns in Lager auseinanderdividieren, oder wenn von der einen oder anderen Seite gar ein Verrat an der Wahrheit unterstellt wird.

Wie das kürzlich veröffentlichte Arbeitsdokument für die zweite, kontinentale Phase der weltweiten Synode zeigt, sind die Themen, die im Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland beraten werden, auch in vielen anderen Ländern der Welt virulent. Das gilt für den Wunsch nach Beteiligung und Mitverantwortung aller Getauften ebenso wie für eine Neubewertung der Rolle der Frau in der katholischen Kirche und gleichermaßen für die Anerkennung und Wertschätzung von LGBTQ-Personen. Mit schnellen Lösungen rechne ich nicht. Aber mit den synodalen Prozessen in der katholischen Kirche wird schon jetzt eine neue Herangehensweise praktiziert, als Volk Gottes gemeinsam Fragen und Herausforderungen zu identifizieren, Antworten zu suchen und Veränderungen herbeizuführen.

Das synodale Arbeitsdokument für die kontinentale Phase steht unter dem programmatischen Vers aus Jesaja „Mach den Raum deines Zeltes weit“ (Jes 54,2). Könnte das nicht auch ein ermutigendes Wort für die Ökumene der Zukunft sein? Wenn die Beobachtung von Tomáš Halík stimmt, dass es heute die größten Unterschiede nicht zwischen den Kirchen, sondern innerhalb der Kirchen gibt,1 macht das den ökumenischen Weg zu einer versöhnten Gemeinschaft, die Einheit in Vielfalt lebt, freilich nicht leichter. Als katholischer Bischof sehe ich deutlich und bedaure es zutiefst, wie innerkatholische Entwicklungen und Spannungen auch das ökumenische Miteinander belasten. Und auch die diesjährige Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe war nicht frei von Konflikten, die sich wohl eher an kulturellen denn an konfessionellen Unterschieden festmachen ließen. Dennoch war die Vollversammlung, wie ich selbst erlebt habe, ein eindrucksvolles Zeichen des miteinander geteilten und gelebten Glaubens an Jesus Christus. Weil er die Geschicke der Welt und jedes einzelnen Menschen in Händen hält, sind Christinnen und Christen nicht Zeugen des Untergangs, sondern Zeugen der Hoffnung. Von dieser Hoffnung zu reden trotz der vielfältigen Herausforderungen und Bedrängnisse unserer Zeit, im Angesicht von Krieg und Klimakrise, von Vertreibung und durch verschiedenste Notlagen verursachten Migrationsbewegungen, von Corona und der durch diese Entwicklungen beförderten Zerrissenheit der Gesellschaften und der Kirchen, ist nicht leicht. Und vielleicht steht es uns auch gut an, nicht allzu vollmundig daherzukommen und stattdessen besser beredte Zeichen sprechen zu lassen. Aber verschweigen dürfen wir die christliche Hoffnungsbotschaft nicht, wenn wir Jesu Ruf in die Nachfolge ernst nehmen.

Mögen wir uns als Gläubige und als Kirchen in dieser Hoffnung wechselseitig bestärken. Und mögen Sie auch bei den Beratungen und Entscheidungen während Ihrer Synodentagung von dieser Hoffnung getragen sein.

 

1 Vgl. Tomáš Halík, Der Nachmittag des Christentums. Eine Zeitansage (Freiburg – Basel – Wien 2022), S. 11.