Christ*in sein ohne Kirche – geht das?

„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Matthäus 18,20)

Christ*in sein ohne die Kirche – geht das überhaupt? Gerade in der evangelischen Kirche ist uns die Botschaft wichtig: Jede und jeder hat einen direkten Draht zu Gott. Das ändert sich auch nicht mit dem Kirchenaustritt. Dennoch gehört es zu unserem Verständnis, unseren Glauben in der Gemeinschaft zu leben.

Das beginnt mit der feierlichen Taufe, in der der Täufling in die christliche Glaubensgemeinschaft aufgenommen wird und endet mit der Trauerfeier, bei der wir gemeinsam der Auferstehung und dem ewigen Leben gedenken. Aus diesem Grund verliert die Taufe nicht an Gültigkeit, sodass auch bei einem Wiedereintritt keine erneute Taufe notwendig ist.

Christ*in sein auch ohne Kirche: Ein Grund für den Kirchenaustritt?

„Ich kann auch ohne die Kirche christlich sein“ ist ein häufig angegebener Grund für den Kirchenaustritt. In der Studie zu Kirchenaustritten der EKD gaben rund 70 % der Befragten als Grund für den Kirchenaustritt an, ihren Glauben auch ohne die Kirche leben zu können. Diese Gruppe der Befragten bildet einen Großteil im Gegensatz zu den vormals Evangelischen, die als Grund für den Kirchenaustritt die Gleichgültigkeit gegenüber dem Glauben bzw. der Kirche angeben.

So zeigt sich in der Statistik auf der Seite der ehemals Evangelischen, die als Grund angeben, auch ohne die Kirche christlich sein zu können, dass viele den Austritt nicht als Abkehr vom Glauben empfinden. Ganz im Gegenteil: Die Befragten verstehen sich weiterhin als Christinnen und Christen. Doch was bedeutet das für die Gemeinschaft des Glaubens? Kann der Glaube auch ohne die Kirche praktiziert werden?

Christ*in sein ohne Kirche: Geht das?

Die evangelische Kirche pflegt den Grundsatz, dass jeder Mensch frei ist und selbstverständlich die Freiheit besitzt, seinen Glauben frei zu wählen und frei zu praktizieren. Das bedeutet auch, dass jedes Kirchenmitglied selbst die Entscheidung trifft, ob es Teil der kirchlichen Glaubensgemeinschaft sein möchte oder nicht.

Wenn Sie aus der Kirche austreten, akzeptieren wir Ihre Entscheidung. Dennoch bedauern wir jeden Kirchenaustritt und die Entscheidung, sich von der Kirche abzuwenden.

Die Kirche in ihrer institutionellen Gestalt ist zwar nicht notwendig, um den christlichen Glauben zu leben. Was jedoch notwendig ist, ist die Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist die Kirche. Sie ist der Ort, an dem das christliche Leben stattfindet und bildet die Heimat des Glaubens. Christsein bedeutet, den Glauben teilen zu wollen und ihn in der Gemeinschaft zu zelebrieren und zu stärken – zum Beispiel bei der Taufe, der Hochzeit und den Gottesdiensten.

All dies will auch gut organisiert sein. Pfarrpersonen sollen verlässlich ansprechbar sein, Kitas geöffnet, Kirchgebäude zugänglich und Friedhöfe gepflegt. Dafür braucht es die Kirche nicht nur als vermittelnde Instanz und Ort des Glaubens, sondern ebenfalls als Organisations- und Verwaltungsapparat für die verschiedenen Aufgabenbereiche.

Neben dem Feiern gemeinsamer Feste finden wir in der kirchlichen Gemeinschaft einen Ort der Liebe und Zuversicht, an dem wir uns gegenseitig helfen und füreinander da sind. Gemeinsam suchen wir den Sinn im Leben, stellen Fragen, zweifeln und sprechen über alle Themen des Lebens und des Glaubens. Hierbei ist die Kirche die Wegbegleiterin, die alle Gemeindemitglieder in den wichtigen Lebensetappen begleitet und unterstützt. Eine solche Gemeinschaft wollen wir als Kirche sein und bieten. Damit der christliche Glaube im alltäglichen Leben an Relevanz gewinnt – durch Alltagshilfen, praktische Glaubenshilfe und die Unterstützung in allen Lebensbereichen. So bot die evangelische Kirche etwa während der Corona-Pandemie praktische, digitale Alltagshilfen.

Sind ein Kirchenaustritt und Christ*in sein vereinbar?

Ob Christ*in sein ohne Kirche möglich ist, muss schlussendlich jeder selbst für sich entscheiden. Dennoch sollten Sie sich darüber bewusst sein: Wer aus der Kirche austritt, bekundet damit seine Abkehr von der Glaubensgemeinschaft der Kirche.

Die Kirche ist viel mehr als nur eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie ist ein Gemeinschaftsverband für alle Christinnen und Christen, die sich in ihrem Glauben verbunden fühlen. Denn den christlichen Glauben denkt man nicht für sich allein, sondern praktiziert ihn in der Kirche als Glaubens- und Solidargemeinschaft.

Die Bedeutung der Taufe

Die Taufe ist für Christen das Sakrament, mit dem sie in die Gemeinschaft der Glaubenden aufgenommen werden. Die Taufe ist ein Ja zu Gott. Das Ja Gottes wiederum ist unwiderruflich und gilt immer. Auch ein Kirchenaustritt ändert nichts daran, dass Sie mit der Taufe ein Kind Gottes sind und unter Gottes Schutz stehen. Die Taufe wird gemeinsam in einem Gottesdienst zelebriert und das Kind wird nach dem christlichen Selbstverständnis in die Reihe derer aufgenommen, bei denen Christus gegenwärtig ist. "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ ( Matthäus 18,20), sagt Jesus.

Christsein bedeutet, gemeinsam Verantwortung übernehmen

Der Körper des Menschen ist einer und besteht doch aus vielen Teilen. Aber all die vielen Teile gehören zusammen und bilden einen unteilbaren Organismus. So ist es auch mit Christus: mit der Gemeinde, die sein Leib ist (1.Korinther 12)

Als Christinnen und Christen übernehmen wir gemeinsam Verantwortung für eine menschenfreundlichere Gesellschaft. Wenn Sie aus der Kirche austreten, weil Sie den christlichen Glauben ohne die Kirche praktizieren möchten, verlieren Sie mit dem Kirchenaustritt nicht nur Ihre Rechte, sondern entziehen sich damit auch bewusst der Verantwortung. Ein allein für sich glaubender Mensch kann die Kirche und ihre vielseitigen Arbeiten und Aufgaben nicht unterstützen.

Zu diesen Aufgaben gehören zum einen soziale Einrichtungen wie Kindergärten, kirchliche Kindertagestätten, Schulen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Hospize. Zum anderen bietet die evangelische Kirche vielseitige Angebote für die Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbildung und ist ein Schutzraum für alle, die Hilfe und Unterstützung benötigen. Neben der Vielzahl sozialer Einrichtungen unter kirchlicher Trägerschaft gehört auch der Kampf gegen Armut, Unterdrückung und für Freiheit, Gleichheit und die Würde des Menschen zu den wichtigen Aufgaben der Kirche.

Auch das politische Engagement für den Klimaschutz zählt zu den wichtigen Aufgaben der Kirche. So setzt die evangelische Kirche nicht nur in ihrem eigenen Einflussbereich für Nachhaltigkeit und Klimaschutz ein, sondern engagiert sich ebenfalls mit vielseitigen Projekten und Klimaaktionen für eine nachhaltige Entwicklung auf der Welt. Insbesondere mit der Ökumene möchte die Kirche Christinnen und Christen auf der ganzen Welt vereinen und Brücken bauen. Ein wichtiges Augenmerkt der ökumenischen Arbeit liegt auf dem Engagement für Chancengleichheit, Konfliktlösung, Nachhaltigkeit und ein friedliches Miteinander.

Hierzu leistet jedes einzelne Kirchenmitglied einen essenziellen Beitrag, ohne den das alles nicht möglich wäre.

Nimmt man die Bibel mit ihrer christlichen Botschaft ernst, so kann man nicht ohne die Kirche für sich allein Christ sein. Denn in der Bibel geht es nicht in erster Linie um das eigene Verhältnis zu Gott. Vielmehr geht es um die christliche Glaubensgemeinschaft und die soziale Beauftragung, Verantwortung für unsere Mitmenschen zu übernehmen und im Sinne der christlichen Nächstenliebe zu handeln. Nur so schaffen wir es gemeinsam, die Welt, in der wir leben, zu einem sozialeren, solidarischeren und gerechteren Ort werden zu lassen.


Bei Fragen stehen Ihnen unsere Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner der evangelischen Kirche gerne zur Seite. Oftmals helfen ein persönliches Gespräch und der Austausch dabei, Sorgen, Ängste und Bedenken zu reflektieren und diese womöglich zu nehmen. Wir haben ein offenes Ohr für Ihre Anliegen und sind Ihnen gerne bei der Entscheidungsfindung behilflich.

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