Kirchentag in Dortmund: Echtes Vertrauen im Pott

Der Kirchentag feiert ein Glaubensfest in Dortmund

Posaunenchöre und Beten unter freiem Himmel - beides darf beim Kirchentag nicht fehlen. Beim größten Treffen evangelischer Laien in Dortmund stehen aber auch wichtige politische Themen auf der Agenda.

Blick auf die Dortmunder Innenstadt mit den Kirchtürmen der evangelischen Kirchen St. Reinoldi und St. Petri und der katholischen Propsteikirche

Blick auf die Dortmunder Innenstadt mit den Kirchtürmen der evangelischen Kirchen St. Reinoldi (Mitte hinten) und St. Petri (vorne) und der katholischen Propsteikirche (hinten rechts). In Dortmund findet vom 19. bis 23. Juni 2019 der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag statt.

Dortmund (epd). Menschenmengen sind die Dortmunder gewohnt - die Stadt im Ruhrgebiet zieht regelmäßig Tausende Fußballfans des Bundesliga-Spitzenklubs Borussia Dortmund an. Mit dem Bundesliga-Meistertitel wurde es in diesem Jahr nichts, doch Feiern im Freien mit geschätzt 100.000 Gästen ist dennoch möglich: Der evangelische Kirchentag 2019 ist vom 19. bis 23. Juni zu Gast in der Ruhrmetropole.

Kirchentag – das bedeutet: Spontanes Singen in der U-Bahn, Posaunenchöre, die Straßenmusik machen und Beten unter freiem Himmel. Selten sind Gläubige in der Gesellschaft so sichtbar wie beim Kirchentag. Das Treffen der evangelischen Laien bedeutet aber auch politischen Diskurs. „Es wird ein großes Glaubensfest und gleichzeitig ein sehr politischer Kirchentag“, sagt Kirchentagspräsident Hans Leyendecker. Und so haben die Veranstalter mit der Kirchentagslosung „Was für ein Vertrauen“ einen Nerv getroffen in Zeiten, in denen Vertrauen zu einer wichtigen politischen Ressource geworden und immer wieder von Vertrauenskrisen die Rede ist. Zur „Echten Liebe“, die die Borussia mit ihrem Motto verspricht, gesellt sich „Echtes Vertrauen“.

„Das soll doch mal gesagt werden dürfen“

Mit der Entscheidung, AfD-Politiker nicht zu Kirchentagspodien einzuladen, haben die Veranstalter allerdings auch eine Debatte ausgelöst. Beim zurückliegenden Kirchentag 2017 in Berlin hatte die AfD noch mitdiskutieren dürfen. Der Ausschluss gelte nur Partei-Funktionären und nicht den Bürgern, die mit der AfD sympathisieren, betonte das Präsidium. Präsident Leyendecker selbst verteidigte die Entscheidung immer wieder mit den Worten, dass sich die Partei seit 2017 weiter radikalisiert habe.

Um aber im Gespräch zu bleiben mit allen, die aus Protest gegen die Regierung unter Angela Merkel mit der AfD liebäugeln, gibt es ein Barcamp mit dem Titel „Das soll doch mal gesagt werden dürfen“. Der Name soll Programm sein. Auch die Themen „neuer Konservatismus“ und „Angst“ stehen auf der Agenda. Unter den Rednern und Podien-Gästen sind viele Politiker aus der ersten Reihe: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nebst seinen drei Amtsvorgängern Joachim Gauck, Christian Wulff und Horst Köhler werden erwartet.

Echte Liebe zu Gott

Dortmund sei genau der richtige Ort für die politische Kontroverse über gesellschaftlich relevanten Themen, sagt Leyendecker, der im Rheinland verwurzelt ist. Hier spiegele sich die „bunte Vielfalt“ der Gesellschaft. Kohle und Stahl haben Dortmund fast ein Jahrhundert lang als Stadt geprägt. Nach dem Niedergang der Kohle- und Stahl-Industrie scheinen die Dortmunder den wirtschaftlichen Strukturwandel geschafft zu haben. Doch die Stadt macht immer wieder negative Schlagzeilen wegen der rechten Szene im Stadtteil Dorstfeld.

Zu weiteren gesellschaftlichen Themen zählen Klimaschutz, Digitalisierung, sexualisierte Gewalt und feministische Theologie. Hinzu kommt ein üppiges Kulturprogramm mit 600 Veranstaltungen. Alle Veranstaltungen sollen zudem barrierefrei sein.

Damit sich die mehr als 100.000 erwarteten Besucher in der Stadt und bei den Veranstaltungen sicher fühlen können, werden Tausende Einsatzkräfte für Ordnung sorgen. Veranstaltungsorte werden zusätzlich mit Betonklötzen und Lkw-Sperren abgesichert. Innerhalb der Innenstadt gilt an allen Veranstaltungstagen tagsüber ein Lkw-Fahrverbot.

Am Ende des Kirchentages werden sich Fußball und Glauben noch einmal ganz nahe kommen. Einer der beiden zentralen Abschlussgottesdienste wird im Stadion stattfinden – diesmal geht es nicht um echte Liebe zur Borussia, sondern um echte Liebe zu Gott.

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Höhepunkte des Kirchentages

Fast 2.400 Veranstaltungen in fünf Tagen: Die Besucher werden es auch beim 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund schwer haben, den Überblick zu behalten. Einige Höhepunkte aber sind im Programm deutlich auszumachen.

Traditionell zählen Anfang und Ende zu den besonderen Erlebnissen der Besucher: Nach den drei Eröffnungsgottesdiensten unter freiem Himmel am 19. Juni steigt ein Straßenfest in der Innenstadt. Der „Abend der Begegnung“ nimmt die Sprache des Ruhrgebiets auf und steht unter dem Motto „Da machse wat mit!“

Besonderheit beim Schlussgottesdienst am Sonntag: Erstmals seit 18 Jahren, 2001 in Frankfurt am Main, wird ein Kirchentagsabschluss wieder in einem Stadion gefeiert. Die Heimspielstätte des Vizemeisters Borussia Dortmund ist das größte Fußballstadion Deutschlands.

Ein roter Faden

Einen besonderen inhaltlichen Schwerpunkt des diesjährigen Kirchentages bildet der „Rote Faden Migration, Integration und Anerkennung“. Mit dem „Roten Faden“ sind mehr als 65 Ausstellungen, Führungen, Gottesdienste, Podien und Workshops gekennzeichnet.

Zum Kirchentag ist in Dortmund eine besondere Promi-Dichte zu erwarten. Neben dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier werden auch dessen Vorgänger Joachim Gauck, Christian Wulff und Horst Köhler kommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) diskutiert mit der ehemaligen Präsidentin Liberias, Ellen Johnson-Sirleaf, über Vertrauen in der internationalen Politik. Um den Schutz von Frauen und Kindern in Konflikten geht es auf einem Podium, zu dem unter anderen der kongolesische Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) erwartet werden.

Bibelarbeiten und Großkonzerte

Zum Start in den Tag lädt der Kirchentag traditionell zu Bibelarbeiten ein. Garant für volle Hallen ist seit vielen Jahren die prominente Theologin Margot Käßmann. In Dortmund deuten unter anderen auch die Journalistin Dunja Hayali, die Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann und der Regisseur Jürgen Flimm ausgesuchte Passagen aus der Heiligen Schrift.

Musik und Feiern sind bei jedem Kirchentag zentrale Bestandteile, oft spontan in den Gemeinschaftsunterkünften, in Bahnen und Bussen oder auf offener Straße. Für einen Teil der Besucher sind abendliche Großkonzerte ein Anziehungspunkt. In Dortmund werden neben anderen Culcha Candela und Anna Loos auftreten. Mehr als 2.000 Mitwirkende bringen „Martin Luther King – Das Chormusical“ auf die Bühne.

Franziska Hein (epd)