Gefährdetes Klima

3. Welches sind die wichtigsten Problemfelder, auf denen ein Umdenken beginnen muß?

3.1. Veränderung von Denkgewohnheiten

(35) Die bisherigen technologischen Trends, die jetzigen ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen und das Verhalten der einzelnen Bürgerinnen und Bürger stehen in enger Wechselbeziehung zueinander und tragen zur heutigen Gefährdung des Erdklimas bei. Klimaschutz verlangt deshalb heilsame Veränderungen der Denkgewohnheiten und Handlungsmuster in vielerlei Bereichen. Diese können sich wechselseitig unterstützen und verstärken. Als Problemfelder werden daher technologische und planerische Neuansätze, ökonomische und politische Rahmenbedingungen und Verhaltensänderungen der einzelnen Menschen anzusprechen sein. Auf ihr konstruktives Zusammenspiel wird es ankommen.

(36) Um zu konkreten Einsparungen beim CO2-Ausstoß zu kommen, gibt es ein Bündel von Möglichkeiten, die sich bei gleicher Energiedienstleistung verwirklichen lassen. Dazu gehören:

  • die effizientere Umwandlung von Energie,
  • die effizientere Nutzung von Energie,
  • die Substitution durch erneuerbare Energiequellen und
  • die Substitution durch Kernenergie.

Einsparmöglichkeiten gibt es aber auch durch die Verminderung von Energiedienstleistungsanforderungen. Dazu gehören:

  • der bewußte Verzicht,
  • veränderte Konsumtrends und
  • Verschiebung der Bedürfnisbefriedigung in Bereiche mit minimalen Energieverbräuchen.

(37) Das Risiko klimatischer Veränderungen kann nur gemindert werden, wenn der Einsatz fossiler Energieträger stark reduziert wird. Im Hinblick auf das gesamte CO2-Minderungs-Potential (vgl. Anhang 8.2. Schaubild 3) sind die folgenden drei Bereiche besonders wichtig:

  • die Raumheizung von Gebäuden,
  • der Straßenverkehr und
  • die Erzeugung und Nutzung von elektrischer Energie.

In allen drei Bereichen ist die CO2-Emission ursächlich mit der Nutzung und der Bereitstellung von Energie verbunden. Daher wird im folgenden zunächst der Bereich der Energienutzung ausführlicher behandelt; dabei spielen Fragen der rationellen Nutzung von Energie wie der Energie-Einsparung in verschiedenen Bereichen eine jeweils unterschiedliche Rolle. Speziell wird auf den Bereich der Raumwärme, der Nutzung regenerativer Energiequellen sowie auf die Rolle der Kernenergie eingegangen. Anschließend werden zwei Problemfelder noch gesondert und ausführlich angesprochen: die motorisierte Mobilität und die Landwirtschaft.

(38) Seit der ersten Ölpreiskrise 1973 haben sich der Primärenergieverbrauch und die Wirtschaftstätigkeit in der alten Bundesrepublik deutlich entkoppelt. Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwischen 1973 und 1989 um rund 38 %, während der Primärenergieverbrauch lediglich um 1 % zunahm. Die Energie-Intensität des Sozialprodukts hat also deutlich abgenommen. Dies wird auf verschiedene Ursachen zurückgeführt: vorübergehend deutlich gestiegene Energiepreise, Modernisierungs-lnvestitionen, erhöhtes Energiebewußtsein, verfeinerte Steuerung und Regelung von Prozessen aller Art, Ersetzung aufwendiger Brennstoffverfahren durch "intelligente", das heißt sparsamere elektrische Verfahren. Zudem sind energieintensive Produktionsverfahren durch Sättigungs- und Struktureffekte deutlich zurückgegangen.

(39) Darüber hinaus besteht ein erhebliches Potential der CO2-Minderung im Bereich der Stofflüsse. Deutschland importiert zunehmend mehr Rohstoffe und veredelte Stoffe und läßt auf diese Weise im Ausland jene Menge an CO2 freisetzen (z.B. im Bergbau, bei der Ölgewinnung und im Transport), die für die Herstellung der Produkte nötig sind.

3.2. Umgang mit Energie

(40) Es gibt verschiedene Wege, auf denen die energiebedingte CO2-Emission gesenkt werden kann: Von großer Bedeutung ist die rationellere Energie-Nutzung. Mit Ausnahme des Energieinhalts der Nahrung brauchen Menschen Energie nicht unmittelbar. Was sie unmittelbar brauchen, sind vielmehr die Energiedienstleistungen. Das ist zum Beispiel eine angenehme Raumtemperatur, der Transport von einem Ort zum anderen, aber auch Güter und Einrichtungen, bei deren Herstellung und Nutzung Energie verbraucht wird. Die für eine bestimmte Energiedienstleistung benötigte Energie läßt sich in vielen Fällen ohne Verlust von Annehmlichkeit durch technische Maßnahmen vermindern. Beispiele sind die Wärmedämmung von Wohnhäusern, energiesparende Haushaltsgeräte, die Verbesserung des Wirkungsgrads von Automobilmotoren, aber auch das Recycling von Aluminium und energiesparende industrielle Herstellungsverfahren. Solche Maßnahmen können wirtschaftlich attraktiv sein. Das ist insbesondere häufig bei technischen Neuheiten der Fall. In anderen Fällen ist die Umstellung - vor allem bei den gegenwärtigen Energiepreisen - teurer als der Gewinn an eingesparten Energiekosten. Stets ist auch eine Gesamtbetrachtung über aller Energieflüsse einer geplanten Maßnahme wichtig. Aus diesem Grund sollte bei nur begrenzt zur Verfügung stehenden Finanzmitteln vorrangig die energiesparende Maßnahme ergriffen werden, bei der die Kosten-Nutzen-Rechnung aus Sicht des Klimaschutzes am effektivsten ist. So kann zur Zeit beispielsweise die Verbesserung der Wärmedämmung an vielen kirchlichen Gebäuden sinnvoller sein als der Bau einer Photovoltaik-Anlage. Ebenso kann bei dem vorzeitigen Auswechseln eines Geräts die Energie für dessen Herstellung den Einspareffekt bei späterem Verbrauch zunichtemachen. Jedoch kann ein kleiner Mehrverbrauch an Strom durch genauere elektronische Regelung häufig ein Vielfaches an Energie einsparen helfen.

(41) Ein weiteres Potential zur CO2-Emissionsvermeidung liegt in einer effizienteren Umwandlung der Primärenergie in die von Verbraucherinnen und Verbrauchern genutzten Endenergie, vor allem in der Form des elektrischen Stroms. Die bestehenden Kondensations-Kraftwerke, wozu auch die Kernkraftwerke gehören, haben einen Wirkungsgrad von durchschnittlich 35 %. In neueren - jüngst in Betrieb genommenen und im Bau befindlichen - Kondensations-Kraftwerken werden allerdings schon wesentlich bessere Werte erreicht (Steinkohle 42 - 45 %, Braunkohle 40 %, Erdgas 52 %). Kraftwerke mit noch höheren Wirkungsgraden sind in der Erprobung oder Entwicklung. Eine sehr effiziente Nutzung der eingesetzten Primärenergie erreicht man durch die Kraft-Wärme-Koppelung, wenn für die ausgekoppelte Niedertemperaturwärme ein Bedarf besteht, der sonst durch fossile Brennstoffe befriedigt würde. Auch die Auskopplung von industrieller Prozeßwärme ist in vielen Fällen energetisch effizient. Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung kann noch erheblich ausgeweitet werden. In dem Maße, wie die weitgehende Gleichzeitigkeit des Bedarfs an Strom und Wärme fehlt, gehen allerdings sowohl der Energiespareffekt als auch die Wirtschaftlichkeit verloren. Andere Lösungen sind dann auch unter ökologischen Aspekten vorzuziehen.

(42) Ein weiterer Weg zur CO2-Emissionsminderung liegt im Wechsel der Energieträger Kohlenstoffhaltige Energieträger können durch Energien ersetzt werden, die beim Einsatz CO2-emissionsfreie sind. Dazu gehören regenerative Energien und Kernenergie (siehe dazu weiter unten). Oder die stärker CO2 emittierende Kohle kann zumindest vorübergehend durch das emissionsärmere Erdgas ersetzt werden. Dadurch wird der CO2-Ausstoß zwar nicht ganz vermieden, aber verringert.

(43) Schließlich bleibt noch der Weg, auf die Energiedienstleistung selbst zu verzichten, im wörtlichen Sinne Energie zu sparen. Dazu gehört zum Beispiel der Verzicht auf weite Urlaubsreisen und die Senkung der Raumtemperatur. Aber in einem weiteren Sinne gehört dazu auch eine größere Achtsamkeit darauf, nicht gebrauchte Energiedienstleistungen zu vermeiden, wie das Heizen unbenutzter Räume und unnötige Autofahrten, wobei man hierbei die Bequemlichkeit des Nicht-Nachdenken-Müssens aufgeben muß. Der Bericht der Vorhalte-Energiedienstleistungen wie zum Beispiel der Stand-by-Betrieb von Fernsehern und Computern etc. hat zwischenzeitlich eine erhebliche Dimension angenommen.

(44) Der rationellen Energienutzung sind durch ökonomische und gesetzgeberische Rahmenbedingungen, also durch strukturelle Hemmnisse, Grenzen gesetzt, beispielsweise:

  • Investitionen zur rationeller Energienutzung müssen sofort finanziert werden, die Betriebskosteneinsparungen fallen erst später an. Derartige Investitionen tragen also ein finanzielles Risiko.
         
  • Die getrennte Verantwortung für Investitionen und für den laufenden Betrieb - zum Beispiel in Sozialeinrichtungen oder im Verhältnis Mieter/Vermieter behindert Maßnahmen zur Energieeinsparung.
         
  • Nicht-internalisierte externe Kosten der Energieumwandlung und -nutzung verfälschen die Wirtschaftlichkeitsrechnung.
         
  • Aufgrund der rechtlichen Stellung der Energieversorgungsunternehmen, unter anderem durch das Energiewirtschaftsgesetz, ist eine Behinderung konkurrierender Stromerzeugung aus rationeller und/oder regenerativer Energienutzung möglich, zum Beispiel durch zu niedrige Einspeisungsvergütungen.

Eine entscheidende Verbesserung ist allerdings durch das am 1.1.1991 in Kraft getretene Stromeinspeisungsgesetz zu verzeichnen. Vor kurzem sind auch die Vergütungen für eingespeisten Strom aus Kraft-Wärme-KopplungsAnlagen durch eine Änderung der sogenannten Verbändevereinbarung erhöht worden.

(45) Strukturelle Hemmnisse für eine effizientere Energieerzeugung und eine sparsamere Energienutzung haben zusammen mit der gesetzlich eröffneten Möglichkeit, Konzessionsverträge zu kündigen, die Forderung nach und die Diskussion um die "Rekommunalisierung" der Energieversorgung ausgelöst. Es dürfte eine gründliche Untersuchung wert sein, ob und in welchem Ausmaß kommunale Versorgungsunternehmen hier Vorteile aufweisen. Ein Aspekt dieser Diskussion ist auch die Auseinandersetzung um die im Einigungsvertrag und im Kommunal-Vermögensgesetz der demokratisch gewählten Volkskammer vom März 1990 vorgesehene Neuordnung der ostdeutschen Energieversorgung. Der Einigungsvertrag sieht die Begünstigung westdeutscher Verbundunternehmen gegenüber der Neugründung von Stadtwerken vor. Inzwischen ist hier eine außergerichtliche Einigung erzielt worden, die je nach Interessenlage unterschiedlich beurteilt wird.

(46) Besonders umstritten ist der Einsatz von Strom im Wärmemarkt. Von Ausnahmen abgesehen, muß dieser aus ökologischen Gründen zurückgeführt werden. Es sollte diskutiert werden, ob nicht das Brandenburger Vorschaltgesetz zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, wonach der Neuanschluß von elektrischen Direktheizungen und Nachtstromspeicherheizungen unzulässig ist, beispielhaft für andere Bundesländer sein kann. Es ist allerdings nicht so, daß die dezentrale Stromversorgung in allen Fällen bessere Ergebnisse hinsichtlich der Nutzung erneuerbarer Energien, der Kraft-Wärme-Kopplung oder der rationalen Stromanwendung erbringen würde.

(47) Aus diesen Darlegungen ergibt sich ein politisches Handlungsfeld. Seit längerem wird eine administrative Verteuerung der Energien zur Verbrauchssenkung und der damit verbundenen Emmissionsreduktion diskutiert. Offen ist die Frage, ob es eine allgemeine Primärenergie- oder spezifische CO2-Abgabe geben soll. Eine derartige Verteuerung ist aus Klimaschutzgründen grundsätzlich zu befürworten. Die hinsichtlich der Sozial- und Wirtschaftsverträglichkeit auftauchenden Probleme müssen allerdings wesentlich gründlicher als bisher untersucht werden.

(48) Zur CO2-Minderung können unter anderem folgende politische und/oder unternehmerische Maßnahmen beitragen,

  • eine Verschärfung der Anforderungen an den Wärmedämm-Standard und die Heizungsanlagen neuer (und älterer) Gebäude sowie die systematische Kontrolle ihrer Einhaltung;
         
  • die Beschleunigung entsprechender Verbesserungen im Gebäudebestand, vor allem im Zusammenhang mit Sanierung und Renovierungen , durch attraktive finanzielle und steuerliche Anreize;
         
  • die Realisierung einer neuen Generation Kohle-Kraftwerken mit höheren Wirkungsgraden, nachdem Ergebnisse entsprechender Demonstrations-Vorhaben vorliegen, unter anderem mit Kopplung von Gas- und Dampfturbinen-Prozessen; es müssen Mittel und Wege gefunden werden, diese Technologien in bestmöglichem Umfang auch in Entwicklungsländern einzusetzen;
         
  • die kontinuierliche Weiterentwicklung und Nutzung der regenerativen Energien; dabei sind Markteinführungshilfen bei den Techniken sinnvoll und geboten, die einen hinreichenden Reifegrad besitzen und sich der Wirtschaftlichkeitsschwelle nähern;
         
  • die verstärkte Durchsetzung energiesparender Heizsysteme wie Gas-Brennwertkessel und Wärmepumpen mittels finanzieller Förderung durch die Energieversorgungsunternehmen (EVU) im Sinne eines Energie-Dienstleistungsunternehmens und durch staatliche Programme;
         
  • eine verstärkte Entwicklung kommunaler Energieversorgungskonzepte unter Berücksichtigung von Kraft-Wärme-Kopplung einschließlich Blockheizkraftwerken und öffentlicher Fernwärmeversorgung;
         
  • die Vermeidung von Stromverbrauch und von Energieverbrauch ("Negawatts" und "Ökowatts" durch reduzierte Beeinflussung der Nachfrage, besonders durch kosteneffiziente Maßnahmen des Least-Cost-Planning und des Demand-Side-Management , und damit die stärkere Ausrichtung der Versorgungsunternehmen auf Energie-Dienstleistungen.

3.3 Raumwärme

(49) Ein großes Potential zur Reduzierung der CO2-Emissionen steckt im Energieverbrauch für Raumheizung. Dafür wird in Deutschland rund ein Drittel der Endenergie (31,2 % in den alten Bundesländern im Jahr 1992) und knapp ein Viertel der Primärenergie (22,5 % in den alten Bundesländern im Jahr 1992) eingesetzt. Der Anteil der CO2-Emission aus der Raumheizung liegt ebenfalls bei knapp einem Viertel. Mit den heute vorhandenen technischen Möglichkeiten könnten davon theoretisch rund vier Fünftel vermieden werden; die Enquetekommission zum Klimaschutz sieht ein technisches Potential von 70 - 90 %. Kosten und strukturelle Hemmnisse erlauben indessen nur die Realisierung eines Teils dieses Potentials und dies auch nur über einen längeren Zeitraum.

(50) Es gibt eine Reihe von Techniken, mit denen der Brennstoffverbrauch ohne Komfortverlust gesenkt werden kann: Bessere Wärmeisolation und Rückgewinnung der Lüftungsverluste, Wärme aus Heizkraftwerken (Kraft-Wärme-Kopplung), Wärmepumpen, passive und aktive Solarwärme. Dabei ist zu beachten daß die Sparpotentiale der genannten Techniken nicht einfach addiert werden dürfen, weil sie teilweise zueinander im Wettbewerb stehen. Die meisten Maßnahmen sind bei den gegenwärtigen Brennstoff-Marktpreisen für den einzelnen Investor nicht wirtschaftlich. Die Mehrkosten sind allerdings von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Um so wichtiger ist es, aus dem oben genannten Strauß der technischen Möglichkeiten die Kombination zu finden, die mit den einsetzbaren finanziellen Mitteln den größten ökologischen Erfolg erzielt.

(51) Dabei erscheinen unter anderem, wie oben schon gesagt, folgende Maßnahmen empfehlenswert:

  • eine baldige Verschärfung der ab 1995 geltenden Wärmeschutzverordnung für neue Gebäude sowie eine völlig neue Verordnung für die Genehmigung von Heizungsanlagen und die Kontrolle ihrer Einhaltung;
         
  • die begünstigende steuerliche Absetzbarkeit von energiesparenden Investitionen allgemein;
         
  • die Beschleunigung entsprechender Verbesserungen im Gebäudebestand, vor allem im Zusammenhang mit Sanierungen und Renovierungen, durch attraktive finanzielle oder spezielle steuerliche Anreize;
         
  • die verstärkte Durchsetzung energiesparender Heizsysteme, zum Beispiel Gas-Brennwertkessel und Wärmepumpen;
         
  • eine wirksamere Verbraucher-Aufklärung, um die großen Unterschiede im Heizenergie-Verbrauch völlig gleicher Wohnungen aufgrund des Verhaltens der Bewohner zu verringern.

Die Wohnungsgrößen pro Person nehmen in der Tendenz nach wie vor zu und damit auch die damit verbundenen Energiedienstleistungen (Raumwärme, Licht und anderes). Über die genannten Vorschläge zur Senkung des spezifischen Energieverbrauchs je Energiedienstleistung hinausgehend sind Maßnahmen vordringlich, die diesem Trend entgegenwirken. Beispielsweise sind steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Wohneigentum nur bis zu bestimmten Obergrenzen je Person angemessen.

3.4. Regenerative Energiequellen

(52) Was die technischen Möglichkeiten anbelangt, könnten prinzipiell die erneuerbarer Energien - wenn man die wichtigsten Techniken wie Wasserkraft, Windkraft, Solarstrom und Solarwärme zusammen nimmt - weltweit gesehen den größten Teil eines sparsamen Energieverbrauchs decken. Dieses technisch mögliche Potential kann aber wie bei anderen Technologien auch unter realen Bedingungen nur zu einem Teil ausgeschöpft werden. Das hat verschiedene Gründe, die bei den genannten regenerativen Energiequellen mit je unterschiedlichem Gewicht zur Geltung kommen

(53) Dies können ökologische Gründe sein, wie sie zum Beispiel dem Bau großer Stauseen und zunehmend auch Windkraftanlagen entgegenstehen, oder Bedenken gegen eine intensive Bewirtschaftung von Pflanzen zur Energiegewinnung (Energieplantagen). Des weiteren kann es sich um Begrenzungen des natürlichen Angebots handeln, die nur mit zum Teil erheblichen zusätzlichen Kosten oder bei Inkaufnahme anderer Nachteile überwunden werden können. Eine solche Begrenzung besteht zum Beispiel darin, daß - wie bei Wind und Sonne - die Energie nicht immer dann und dort zur Verfügung steht, wo und wann sie gebraucht wird. Für Niedertemperaturwärme aus Solarkollektoren wiederum gibt es nur einen bestimmten Bedarf, der außerdem zu einem Teil besser eingespart wird oder alternativ in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt werden kann. Letztlich sind es aber vor allem die Kosten, die mit steigender Ausschöpfung des technischen Nutzungspotentials der erneuerbarer Energien deren Einsatz erschweren oder gar verhindern. Dabei fällt ins Gewicht, daß je erzeugter kWh hohe Mengen an Material in die Anlagen investiert werden müssen und auch wegen der unsicheren Verfügbarkeit von Wind und Sonne Ersatzkapazität bereitgehalten oder die Energie gespeichert werden muß

(54) Wieviel Energie sich langfristig bei einer weltweiten Politik der nachhaltigen Entwicklung aus erneuerbarer Quellen wird gewinnen lassen, kann man heute nur schwer abschätzen. Zum einen weiß man nicht genau, welche Kostensenkungen sich durch technologische Weiterentwicklung und Massenfertigung werden erreichen lassen, zum anderen ist ungewiß, welche zusätzlichen Kosten die Gesellschaften dafür aufbringen werden und welche Einschränkungen sie bereit sind, dafür hinzunehmen. Die in der Fachliteratur zu findenden Prognosen schwanken denn auch beträchtlich. Nach aktuellen Zusammenstellungen spreizen sich die Werte für den weltweiten regenerativen Energiebeitrag des Jahres 2030 von 2,5 Mrd. Tonnen Steinkohle-Einheiten (t SKE) bis zur mehr als dreifach höheren Schätzung von über 8 Mrd. t SKE. Immerhin hält der Weltenergierat bis zum Jahr 2020 einen Beitrag der regenerativen Energien von 4,4 Mrd. t SKE für denkbar, wenn ihr Einsatz politisch gestützt wird. In diesem Fall sind allerdings die traditionelle Wasserkraft mit knapp 1 Mrd. t SKE und die nichtkommerzielle Nutzung wie Brennholz, tierische und pflanzliche Abfälle mit 1,5 Mrd. t SKE eingeschlossen. An "neuen Energien" sind darin knapp 2 Mrd. t SKE enthalten. 4,4 Mrd. t SKE entsprechen rund einem Drittel des derzeitigen Weltenergiebedarfs. Bis zur Mitte des kommenden Jahrhunderts wird eine Steigerung der regenerativen Energieerzeugung auf 7,3 Mrd. t SKE für möglich gehalten, wobei insbesondere die Erzeugung aus den erneuerbarer Energiequellen Windkraft und Solarenergie von knapp 2 Mrd. t SKE auf mehr als das Doppelte ansteigen soll.

(55) Wie auch immer man die Chancen im einzelnen einschätzt, wir brauchen die erneuerbarer Energien, wenn bis zur Mitte des kommenden Jahrhunderts der CO2-Ausstoß weltweit mindestens auf die Hälfte reduziert werden soll. Hierbei kommt vor allem der Solarenergie eine wichtige Rolle zu. Bislang jedoch kommt - mit Ausnahme der Wasserkraft - nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der Energie aus erneuerbarer Quellen. Trotz staatlicher Förderung in einer Reihe von Ländern wird derzeit weniger als ein Promille des Stroms aus den erneuerbaren Energiequellen Windkraft und Solarenergie gewonnen, in Deutschland liegt der Anteil nur geringfügig höher.

(56) Wichtig ist jetzt, die technologischen Weichen zu stellen und die Entwicklung nicht abreißen zu lassen, um so die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß im nächsten Jahrhundert aus den erneuerbarer Quellen die oben genannten Energiemengen erzeugt werden können. Das sind die gegenwärtigen Ziele, die so effizient wie möglich erreicht werden sollten. Aus diesen Vorgaben sollten die jetzt zu fordernden Einzelmaßnahmen der Förderung abgeleitet werden.

(57) Bei der technisch weitgehend ausgereiften Windkraft sollten nun die dafür geeigneten Standorte nach und nach für ihren Einsatz erschlossen werden. Solange dazu eine finanzielle Unterstützung nötig ist, muß sie für den Bürger transparent bleiben.

(58) Solarkollektoren für den Warmwasserbedarf und die Raumheizung in Übergangsperioden werden sich im Markt durchsetzen, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch steigende Ölpreise oder steuerliche Anreize dies wieder begünstigen.

(59) Bei der solaren Stromerzeugung geht es mittelfristig vor allem darum, die Hersteller solcher Anlagen - Solarzellen oder in Regionen mit hoher Direkteinstrahlung solarthermische Systeme mit Spiegeln - durch eine verläßliche Rahmenbedingungen in die Lage zu versetzen, eine Massenfertigung und technische Systemverbesserungen entwickeln und erproben zu können.

3.5. Kernenergie

(60) Während die Nutzung erneuerbarer Energien breite Zustimmung erfährt und nur der Umfang ihres möglichen Beitrags zur Energieversorgung unterschiedlich eingeschätzt wird, löst die Nutzung der ebenfalls CO2-emissionsfreien Kernenergie erhebliche Kontroversen aus. In den fünf Jahren, die seit dem Erscheinen der letzten Stellungnahme des Umwelt-Beirats zum Problem der Klimagefährdung verstrichen sind, haben sich die Positionen in der Diskussion um die Kernkraft - nicht nur im Beirat sondern in der Politik und der Gesellschaft insgesamt - kaum verändert; wenngleich beide Seiten die Schwierigkeit der Umsetzung ihrer Strategien erkennen. Dennoch sind die Bemühungen um einen politischen "Energiekonsens" in der Bundesrepublik einstweilen ergebnislos geblieben. Der Beirat hat deshalb die Diskussion um das Für und Wider nicht vertieft, sondern stellt im folgenden die wesentlichen Argumente dar.

(61) Unter dem Eindruck der Katastrophe von Tschernobyl votierten die Synoden vieler westdeutschen Landeskirchen und auch des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR für den Ausstieg aus der Kernenergie. Doch gab es innerhalb und außerhalb der Synoden Minderheiten, die bei allem Verständnis für die Sorgen der Mehrheit diese Beschlüsse nicht mittragen konnten, sie sogar für verhängnisvoll falsch hielten. Die Erklärung der Synode der nordelbischen evangelisch-lutherischen Kirche vom 30. Januar 1988 spricht diese Situation an: "Wir wissen, daß unsere Entscheidung nicht von allen Mitchristen geteilt wird. Wir sprechen weder denen, die die Nutzung der Kernkraft als längerfristige Möglichkeit vertreten, noch denen, die dagegen protestieren, Verantwortungsbewußtsein und Christsein ab."

(62) So halten ihre Gegner nach wie vor die geforderte Reduktion des CO2-Aussto,ßes auch ohne Kernenergie für machbar, wenn dies zum Ziel einer konsequenten Politik gemacht wird. Eine Fortsetzung der Kernenergie-Nutzung wird von ihnen vor allem aus den folgenden Gründen abgelehnt:

  • das hohe mögliche Schadensausmaß bei Unfällen heutiger Reaktoren (Katastrophenpotential);
         
  • die ungeklärte Endlagerung radioaktiver Abfälle und die darin enthaltene auch administrative Verantwortung künftiger Generationen;
         
  • die schweren gesundheitlichen und ökologischen Schäden bei der Urangewinnung;
         
  • das Problem der Proliferation (Weiterverbreitung von Kernwaffen bzw. von spaltfähigem Material);
         
  • die Schadensträchtigkeit der Kernenergie - und zwar von Reaktoren ebenso wie von anderen Systemelementen - im Zusammenhang mit Gewaltakten, insbesondere (Bürger-)Kriegen;
         
  • die störenden und unerwünschten Rückwirkungen der unbegrenzten - bzw. nur durch kurzfristige wirtschaftliche Kriterien eingeschränkten - Nutzung der Kernenergie auf die gesellschaftlichen Strukturen und auf kulturelle Verhaltensweisen, die für das Überleben der Menschheit nötig sind; so wird argumentiert, daß die unbegrenzte Nutzung der Kernenergie, die mit dem Pathos entwickelt wurde, das Energieproblem der Menschheit, insoweit es ein Knappheitsproblem ist, zu lösen, kulturell einer "Effizienzrevolution" entgegenstehen.

(63) Die Befürworter heben das Potential der Kernenergie hervor, einen großen Teil des benötigt Stroms aber auch des Wärmebedarfs ohne Emission von CO2 und Luftschadstoffen zu erzeugen, und weisen darauf hin, daß die Kosten dieser CO2-Vermeidung erheblich unter denen der meisten übrigen Vermeidungspotentiale liegen. Bei dem erreichbaren hohen Stand der Sicherheit gilt das nach ihrer Einschätzung einschließlich aller möglichen Folgekosten. Die Befürworter der Kernenergie halten es für sehr unwahrscheinlich, daß die erneuerbarer Energien in der Lage sein werden, den - auch bei größter Sparanstrengung noch verbleibenden - Zuwachs des weltweiten Energiebedarfs zu befriedigen und gleichzeitig noch fossile Brennstoffe zu ersetzen in dem Maße, wie es aus Gründen des Klimaschutzes gefordert wird. Sie halten die Probleme eines globalen Mangels an umweltverträglicher und erschwinglicher Energie für weit verhängnisvoller als die verbleibenden, aus ihrer Sicht geringen Risiken bei weiterem Einsatz der Kernenergie. Sie fordern daher den Ausbau einer sichheitstechnisch weiterentwickelten Kernkraftnutzung. Sie weisen darauf hin, daß

  • bei neuen Reaktoren in Deutschland nachgewiesen werden muß, daß selbst im Fall der extrem unwahrscheinlichen Kernschmelze keine schweren Schäden in der Umgebung eintreten und sich damit etwaige Evakuierungen erübrigen;
         
  • Schweden und Finnland vor einigen Jahren Endlager für leicht- und mittelaktive Abfälle in Betrieb genommen haben, und daß bei Endlagerung in tiefen geologischen Formationen auch hochradioaktive Abfälle über Zeiträume bis zu Millionen Jahren von der Biosphäre isoliert werden können, wegen der langen Abklingzeiten im Zwischenlager diese Endlager aber erst in etwa 40 Jahren bereitstehen müssen, und somit in Ruhe unter verschiedenen erprobten Möglichkeiten die beste ausgewählt werden kann;
         
  • die Proliferation sich auch ohne Nutzung der Kernenergie zur Energiegewinnung vollzieht oder droht, wenn die internationale Staatengemeinschaft keine wirksamen Kontrollen durchführt und nicht auch bereit ist, notfalls die erforderlichen Sanktionen zu ergreifen;     

  • die Kernenergie auch für ihre Befürworter nicht die alleinige Lösung des Klimaproblems ist, daß sie vielmehr in ihr zusammen mit einer sparsameren und rationeller Nutzung der Energie und einer wirtschaftlich tragbaren Ausschöpfung erneuerbarer Energiequellen eine realistische Chance für die geforderten Emissionsverminderungen sehen.
    (64) Daß selbst gemeinsam von christlicher Ethik bestimmte Menschen sich in dieser Frage nicht einigen können, liegt vor allem an unterschiedlichen Einschätzungen von Sachverhalten, die nicht sicher oder nur ungenau beschrieben oder vorhergesagt werden können. In den ethischen Zielen und Wertsetzungen ist man sich unter solchen Gesprächspartnern zumeist einig. Zwar stößt man in den Debatten immer wieder auf Differenzen im Informationsstand über Fakten die an sich als geklärt gelten. So wichtig es ist, eine gemeinsame Basis des Wissenstandes zu erreichen, wird ein Konsens dadurch allein nicht zu finden sein. Es ist vielmehr der verantwortliche Umgang mit den Begrenzungen unseres Wissens und Könnens, über den man sich neu verständigen muß, um einem Konsens in der Energiepolitik - wie auch in manchen anderen strittigen Fragen - näher zu kommen. Einig sind sich jedenfalls die Vertreter beider Positionen darin, daß zunächst die gemeinsamen Anstrengungen auf die Einsparung und die effektivere Nutzung der Energie konzentriert werden sollen.

3.6. Motorisierte Mobilität

(65) Auf die CO2-Problematik des Verkehrs ist in Abschnitt I eingegangen worden. Der Verkehrssektor wird in den nächsten Jahren zur weiteren Verschärfung der Klimaproblematik beitragen. Nach einer Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg ist bei unveränderten rechtlichen Rahmenbedingungen für den Zeitraum von 1988 - 2000 mit einem Anstieg der verkehrsbedingten CO2-Emissionen um 26 % zu rechnen (alte Bundesländer 15 %, neue Bundesländer 118 %). Das ungebrochene Wachstum des Straßen und Luftverkehrs muß durch eine integrierte und in sich stimmige Verkehrspolitik begrenzt und der Verkehr nach Möglichkeit wieder verringert werden eine solche Verkehrspolitik gibt es in der Bundesrepublik bislang noch nicht. (66) Daß die Verkehrsleistungen in den letzten Jahrzehnten ständig weiter zugenommen haben, hängt von mehreren, sich einander verstärkender' Faktoren ab.

Die wichtigsten dieser Faktoren sind:

  • die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft,

  • die räumliche Trennung von Wohn- und Arbeitsstätten und Zunahme der Berufstätigkeit beider Lebenspartner,

  • die sich fortsetzende Entwicklung zur Kleinfamilie mit einer steigenden räumlichen Trennung der Verwandtschaft,

  • der wachsende Freizeitverkehr,

  • die wachsende Material- und Transportintensität des Konsums und

  • die zunehmende Zentralisierung öffentlicher und privater Dienstleistungen.

(67) Die Klimaproblematik wie auch die Endlichkeit der fossilen Ressourcen lassen ein unbegrenztes Wachstum des motorisierten Verkehrs grundsätzlich nicht zu. Eine vorausschauende Verkehrspolitik muß daher von den folgenden Zielen geleitet sein - wobei die Reihenfolge der Ziele durchaus Programm ist:

  • Verkehrsvermeidung,
  • Verkehrsverlagerung,
  • Verkehrsoptimierung und
  • Verkehrsberuhigung.

(68) Der neue Bundesverkehrswegeplan (BVP) ist als verkehrspolitische Wende gelobt worden. Er enthält aber trotz gegenteiliger Beteuerungen kein Umsteuern in der Verkehrspolitik. Für den Zeitraum von 20 Jahren sieht er zum Beispiel den Neu- und Ausbau von Bundesstraßen in einer Länge von 12.500 km, von Schienenwegen in einer Länge von 6.000 km vor. Bei Berücksichtigung der Straßenbaumaßnahmen der Länder ergeben sich insgesamt 55.000 km Straßen. So konstatiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin: "Der neue Bundesverkehrswegeplan stellt ... weitgehend eine Fortschreibung des Status quo dar und läßt eine stärkere Berücksichtigung ökologischer Ziele nicht erkennen."

Dieses wiegt um so schwerer, als die Tendenz zur generellen Erhöhung der Mobilität und zur Ausweitung des Straßenverkehrs anhält.

(69) Wenn Verkehrsvermeidung gefragt ist, müssen die weiter oben angesprochenen Gründe für die stetige Verkehrsvermehrung beseitigt werden. Dazu gehört ganz sicher ein Umschwenken zu einer Verkürzung der Transportwege, und das heißt eine Regionalisierung der Versorgungssysteme. Eine Verteuerung der Energiepreise und eine entschiedene Nachfrage der Verbraucher nach Produkten mit kurzen Transportwegen böten dafür geeignete Anreize. Eine erhebliche Verbesserung des Wohnumfeldes und der Ausbau von Naherholungsgebieten, die mit dem öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) erreichbar sind, wären Schritte auf dem Weg zur Verkehrsvermeidung. Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, Verwaltung, Bildung und Erholung müssen dezentralisiert werden, um Verkehrswege einzusparen. Es ist zu bedauern, daß bei vielen öffentlichen Spar- und Rationalisierungsmaßnahmen die damit verbundene Verkehrsvermehrung bisher nicht berücksichtigt wird. Raumordnung, Stadt- und Regionalplanung sowie unternehmerische Logistik sind hier aufgefordert, innovative Konzepte zu entwickeln. Dabei müssen besonders die Probleme des ländlichen Raumes berücksichtigt werden, dessen Siedlungsstruktur einseitig auf der "Auto-Mobilität" beruht. Die durch das Gesetz zur Regionalisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs (Art. 4 des Eisenbahn-Neuordnungsgesetzes) vom Dezember 1993 eingeleitete Regionalisierung des Schienen-Personen-Nahverkehrs (SPNV) bietet die Chance, insbesondere in ländlichen Regionen Konzepte für einen integrierten öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr (NIV) zu entwickeln.

(70) Insgesamt ist ein Umdenken geboten. Nicht Verkehr an sich ist ein Ziel, sondern die Mobilität, das heißt die Erreichbarkeit dessen, was man braucht und möchte. Das ist nicht das gleiche. Die bisherige Art der Verkehrsvermehrung hat dazu beigetragen, daß für viele Gruppen von Nicht-Autobesitzern, zum Beispiel für Kinder, viele Frauen, Alte und Arme die Mobilität auf sozial sehr ungerechte Weise vermindert wurde. Die Möglichkeit, notwendige und übliche Ziele leicht und billig zu erreichen, wurde erheblich eingeschränkt. Diese dunkle Seite der Autogesellschaft muß sichtbar gemacht werden. Dies kann hilfreich sein für das Vorhaben, den Weg der Verkehrsvermeidung am Ziel einer sozial gerecht verteilten Mobilität auszurichten.

(71) In den letzten Jahrzehnten hat es eine massive Verlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße gegeben. Dazu beigetragen hat wesentlich die staatliche Infrastrukturpolitik. Während von 1970 -1990 die Länge der Hauptbahnen im Bereich der Deutschen Bundesbahn fast gleich geblieben ist, hat sich die Länge des Autobahnnetzes verdoppelt. Die Bahnreform von 1993 bietet jetzt die Möglichkeit staatlicher Gleichbehandlung von Schienen- und Straßennetz.

(72) Zu einer Verlagerungspolitik von Straßen- und Luftverkehr auf Schiene und Wasser - besonders Güter von der Straße und Personen von Inlandsflügen gehören unter anderem folgende Maßnahmen:

  • eine von Verkehrsmitteln unabhängige steuerlich absetzbare Entfernungspauschale und deren Begrenzung nach oben, wobei für die steigende Zahl von Pendlern eine sozialverträgliche Lösung gefunden werden muß;
         
  • Änderung der Stellplatzverordnung;
         
  • Ausweisung von Siedlungs- und Gewerbegebieten nur mit gleichzeitiger ÖPNV-Anbindung;
         
  • Ausweitung der Mineralölsteuer auch auf Kerosin (Flugzeugtreibstoff);
         
  • Abbau steuerlicher Privilegien des MIV, z.B. Begrenzung der steuerlichen Abschreibung betrieblich genutzter Fahrzeuge (beispielweise bis maximal 40.000 DM) sowie Begrenzung der steuerlichen Anerkennung von Ausgaben für Kraftstoffe als betrieblichen Aufwand auf zum Beispiel 5 Liter pro 100 Kilometer
         
  • deutliche Verbesserung der Verkehrsbedingungen für Fahrradfahrer und Fußgänger;
         
  • verkehrsberuhigende Maßnahmen in Städten wie z.B. Sperrung von Innenstädten für den motorisierten Individualverkehr:
         
  • Belastung des Güterverkehrs auf der Straße mit den vollen Wegekosten;
         
  • Verbindung verkehrseinschränkender Maßnahmen im Straßenverkehr mit qualitativen und quantitativen Angebotsverbesserungen im öffentlichen Verkehr, zum Beispiel verbesserte Einführung sogenannter "Job-Tickets".

(73) Sowohl der inländische als auch der internationale Flugverkehr, die beide bisher aufgrund internationaler Regelungen von der Zahlung von Mineralölsteuern befreit sind, sollten entsprechenden Abgaben unterworfen werden. Solange eine Änderung bestehender internationaler Vereinbarungen zur Mineralölbesteuerung im gewerblichen Luftverkehr nicht erreicht werden kann, sollte ersatzweise auf Landegebühren oder Luftverschmutzungsabgaben ausgewichen werden. Beide Entgelttypen unterliegen keinen zwischenstaatlichen vertraglichen Verpflichtungen und können finanziell den selben Effekt herbeiführen wie die Aufhebung des Mineralölsteuerprivilegs des Luftverkehrs.

(74) Eine Verkehrsoptimierung läßt sich durch eine weitere erhebliche technische Verbesserung der Verkehrsmittel erreichen. Es wäre möglich, anspruchsvolle Verbrauchsstandards für PKW- und LKW-Neuzulassungen zu setzen. Technisch wäre im PKW-Bereich ohne weiteres die schrittweise Einführung einer maximalen Verbrauchsnorm von 41/100 km realisierbar. Vor allem ließen sich aber die Schienenfahrzeuge weiter technisch verbessern - Einzelradaufhängung und "Neigezugtechnik" (Pendolino) sind hier zu erwähnen. Die Schienenfahrzeuge weisen derzeit den größten Optimierungsrückstand auf. Aber auch bei Straßenfahrzeugen ist die Entwicklung neuer energiesparender beziehungsweise CO2-vermeidender Antriebssysteme noch bei weitem nicht abgeschlossen. Auch die Erhöhung der "Flüssigkeit" des Straßenverkehrs durch Verkehrs-Leitsysteme birgt ein gewisses Einsparpotential.

(75) Zur Reduzierung klimarelevanter Emissionen und zum Schutze der Menschen sind weitergehende Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuführen und deren Einhaltung zu gewährleisten. Umfrageergebnisse zeigen, daß eine solche Regelung auf eine weitgehende Akzeptanz bei der Bevölkerung treffen würde. Gerade hier kommt den Städten und Gemeinden - wie auch schon bei der Energiepolitik - eine zentrale Rolle zu. 50 % aller Autofahrten werden angetreten, um Ziele zu erreichen, die weniger als 5 km entfernt sind. Die Attraktivität des Zu-Fuß-Gehens, des Radfahrens und der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kann gerade in Städten durch geeignete Maßnahmen in der Regel deutlich gesteigert werden. All dies würde auch dazu beitragen, die hohe Zahl der Opfer des Straßenverkehrs zu verringern.

(76) Schließlich ist es unabdingbar, die hohen externen Kosten des Verkehrs in die Preise immer stärker eingehen zu lassen ("ehrliche Preise"). Angesichts höchst unterschiedlicher Erscheinungsformen der ökonomischen (Wegekosten), gesundheitlichen (Lärm, Unfälle) und ökologischen (u.a. Waldsterben, Gesundheitsrisiken, Zerstörung von Kulturgütern) Kosten kann eine genaue Quantifizierung zur Zeit nicht erfolgen. Weitere Schritte auf diesem Wege zur Vollkostendeckung durch die einzelnen Verkehrsträger sollten aber gegangen werden.

(77) Der Vorschlag, die Mineralölsteuer auf Treibstoffe (Benzin und Diesel) regelmäßig jährlich nicht nur zum Ausgleich der Rate der Geldentwertung, sondern noch darüber hinaus zu erhöhen, sollte auch in Deutschland aufgegriffen werden. Nachdem die britische Regierung auf diesem Gebiet im Herbst letzten Jahres eine Vorreiterrolle übernommen hat und sich zu einer jährlichen Steigerung der Treibstoffkosten um real 5 % verpflichtet hat, sollte dieser Ball in Deutschland aufgenommen werden, vielleicht auch in höheren Stufen. Ähnliche Verpflichtungen, mindestens zum regelmäßigen Ausgleich der Geldentwertung, liegen aus dem skandinavischen Raum vor. In jedem Falle sollte die Politik die Entwicklung der Treibstoffsteuersätze nicht wie in der Vergangenheit überfallartig gestalten. Der staatliche Einfluß auf diese Entwicklung sollte vielmehr in wirtschaftsverträglicher Weise langfristig verläßlich angekündigt sein, um eine vorausschauende Anpassung im Investitionsverhalten der KfZ-Nutzer wie auch in der Entwicklungs- und Marketingpolitik der Kfz-Hersteller zu ermöglichen. Dies würde die Anpassungskosten minimieren. Nicht ohne Grund wird die Treibstoffsteuerpolitik Großbritanniens von der dortigen Kfz-Industrie befürwortet - man kann sogar hören, daß sie von ihr angeregt wurde. Ein wichtiger konjunktureller Effekt einer solchen Politik ist das frühzeitige Ausmustern alter, wenig energieeffizienter Fahrzeuge und ihr Ersatz durch den Neukauf moderner, energieeffizienter Fahrzeuge. Denselben konjunkturellen Effekt versuchen gegenwärtig die Regierungen Spaniens und Frankreichs auf eine für die Staatskassen viel kostspieligere Weise zu erreichen: durch die Vergabe von Verschrottungsprämien. Eine Politik der langfristigen und verläßlichen Ankündigung von veränderten Steuersätzen kann, so zeigt dieses Beispiel, positive konjunkturelle Effekte mit sich bringen.

(78) Die Mineralölsteuersätze für Treibstoffe können aber auch nicht in den Himmel wachsen. Doch ist daran zu erinnern, daß einer der zu erwartenden Effekte von langfristig vorausschaubar steigenden Treibstoffkosten energieeffizientere Fahrzeuge sind. Der Hoffnungsträger "3-Liter-Auto" und das Schreckgespenst eines Benzinpreises von "5 DM pro Liter" lassen, zusammen erreicht, die Treibstoffkosten unverändert. Für das Ziel der Erhöhung der Kosten des Verkehrs insgesamt und für das weitere Ziel der Erhöhung der relativen Preise des Straßen- und Luftverkehrs innerhalb des gesamten Spektrums der Verkehrsträger ("modal split") kann der Ansatz bei der Energiebesteuerung nur ein Element in einem umfassenden Bündel von preispolitischen Maßnahmen (z.B. fahrleistungsabhängige Schwerlastabgabe) sein. Da die Verkehrsproblematik mit Beschäftigungs-, Sozial- und Industriestandortproblemen in Deutschland vernetzt ist, verbietet sich eine isolierte Betrachtung verkehrspolitischer Maßnahmen von selbst. Negative Auswirkungen auf andere Bereiche der sozialen Marktwirtschaft sind vorher ausreichend zu bedenken. Darüber hinaus ist auch eine. Abstimmung im EU-Bereich erforderlich. Dennoch liegen in der Verkehrsinfrasturktur unseres Landes erhebliche stille Reserven. Die Möglichkeit, sie aufzudecken, bietet verheißungsvolle Perspektiven sowohl für die Sanierung der Staatsfinanzen als auch für das Setzen von preislichen Anreizen, die zu einer nachhaltigen Veränderung des motorisierten Mobilitätsverhaltens und des Anteils der Verkehrsträger untereinander führen können. Gerade in diesem Bereich ist es wichtig, daß das Prinzip, zukünftige Knappheiten gegen die kurzfristigen Tendenzen des Weltmarktes wenigstens zu einem Teil in die Gegenwart zu holen, in ersten Schritten Einzug in die Weltwirtschaftspolitik hält.

3.7. Landwirtschaft

(79) Welche Rolle die Landwirtschaft bei den anthropogenen Klimaänderungen spielt und wieweit das Verhalten der Verbraucher beim Kauf und Verzehr von landwirtschaftlichen Produkten damit zusammenhängt, rückte erst in jüngster Zeit mehr in das öffentliche Bewußtsein. Der globale Anteil der Landwirtschaft am Treibhauseffekt wird derzeit, zusammen mit einigen weniger wirksamen Quellen, auf 15 % geschätzt.

Dabei handelt es sich - ähnlich wie beim Verkehr - um verschiedene, direkt und indirekt klimawirksame Emissionen, bedingt durch die weltweit unterschiedlichen Formen der Bodenproduktion und Tierhaltung, wechselnde, natürliche Standortfaktoren und sozio-ökonomische Bedingungen. Bei der Beurteilung dieser Emissionen der Landwirtschaft und möglicher Abhilfemaßnahmen ist zu beachten, daß es nicht nur um die Klimaeffekte geht, sondern auch um die Mitwirkung am fortschreitenden Aussterben von Tier- und Pflanzenarten, an der Überlastung von Böden und Gewässern, der Destabilisierung ganzer Ökosysteme und letztlich auch um die - trotz aller technischer Fortschritte - an vielen Stellen nachweisbare Verschlechterung der Qualität unserer Nahrungsmittel.

(80) Mehr als 50 % des vom Menschen produzierten klimawirksamen Methan (CH4) stammt aus der Landwirtschaft. Es wird vor allem freigesetzt bei Brand und Brandrodung, bei Faulprozessen von Biomasse, aber auch beim Naßreisanbau in den Tropen und Subtropen und durch die weltweite Viehhaltung. Besonders die letzte Quelle ist eng mit den Nahrungsgewohnheiten in den Industrieländern verbunden. In Deutschland stammen 2 von 6 Mio. Tonnen Methan pro Jahr aus der Landwirtschaft, hauptsächlich aus der Viehhaltung und der Güllewirtschaft. (81) Verschiedene direkt oder indirekt klimawirksame Stickstoffverbindungen kommen in der Landwirtschaft zum Einsatz oder entstehen in verschiedenen Stoffkreisläufen. Sie gelangen von hier aus in die Atmosphäre. Die Ammoniak (NH3)- und Ammonium (NH4)-Emissionen sind vor allem mit der industriellen Massenviehhaltung und der damit zusammenhängenden Güllewirtschaft verbunden. Besonders Ammoniak ist über seine klimaschädigende Wirkung hinaus maßgeblich an der Versauerung und Nährstoffüberlastung (Eutrophierung) der Böden und Gewässer beteiligt. Damit werden unsere natürlichen Ökosysteme, wie z.B. die Wälder, geschädigt und fallen insoweit in ihrer Funktion als CO2 Speicher aus.

(82) Ähnlich komplex wirkt das Distickstoffoxid (N2O, genannt Lachgas) als Ozonzerstörer und als Treibhausgas. Es entstammt im wesentlichen dem übermäßigen Einsatz von mineralischen und organischen Stickstoffdüngern, die den überdüngten Böden gasförmig entweichen. Eine andere Wirkung der überschüssigen Stickstoffdüngung besteht darin, daß Nitrat (NO3) in das Oberflächen- und Grundwasser ausgewaschen wird. Es belastet den gesamten Wasserkreislauf der Ökosysteme, beeinträchtigt die Trinkwasserversorgung und gelangt zum Teil auch über diesen Weg in Form von Distickstoffoxid in die Atmosphäre. Diese, durch die Landwirtschaft bewirkte vermehrte Freisetzung von klimaschädigendem Lachgas aus den ökosystemaren Kreisläufen wird wiederum gesteigert durch die Stickstoffemissionen aus dem Verkehr und anderen Quellen fossiler Energieumwandlung.

(83) An der Entstehung von CO2-Emissionen ist die Landwirtschaft regional unterschiedlich beteiligt. In den tropischen Ländern fallen die Wälder großflächig der Brandrodung zum Opfer. Sie werden damit als CO2-Senke vernichtet. Der dann einsetzende und auch andernorts durch unsachgemäße Bewirtschaftung erfolgende Humusabbau setzt zusammen mit der Bodenerosion das Zerstörungswerk fort. In den Industrieländern setzt der hohe Einsatz technischer Produktionsmittel (Dünger, Pestizide, Mechanisierung) den Verbrauch fossiler Energieträger voraus und fördert die CO2-Emission. (84) Die hier nur grob umrissenen klimawirksamen Prozesse in der Landwirtschaft hängen nicht zwangsläufig mit dem steigenden Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten aufgrund der wachsenden Erdbevölkerung zusammen. Ausreichende Nahrungsvorsorge und steigender Lebensstandard müssen nicht eigengesetzlich zu einer weiteren Ausbeutung der natürlichen Ressourcen führen. Im Gegenteil, sie werden nicht zu erreichen sein, wenn mit den bisherigen landwirtschaftlichen Produktionsweisen die natürlichen Grundlagen der Produktion und des Lebens überhaupt zerstört werden.

(85) Auch wenn die auf Dauer notwendigen Veränderungen in den weltwirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ziel einer gerechteren Teilhabe aller an den natürlichen Ressourcen noch in weiter Ferne liegen, so besteht doch kein Zweifel daran, daß in der Landwirtschaft eine Reduzierung der klimaschädigenden Emissionen nötig und möglich ist. Das gilt besonders und zuerst für die reichen Industrieländer, zumal damit auch positive und entlastende Wirkungen für die Entwicklungsländer verbunden sind.

(86) Daher ist in der Landwirtschaft in den Industriestaaten eine drastische Reduzierung der Tierbesatzdichte erforderlich, denn der Anstieg der klimawirksamen Methan-, Ammonium- und Ammoniak-Emissionen wird wesentlich durch die absolute Zunahme der Viehbestände, ihre Konzentration in Großbetrieben und die Ausweitung der Güllewirtschaft verursacht. Das bedeutet eine Anpassung an die betriebseigene Futterkapazität und eine Reduzierung des Zukaufs an Importfutter. Politisch könnte das durch einen Einfuhrstop für tropenwaldschädigende Futtermittel gefördert werden. Der Verbraucher sollte diese Entwicklung unterstützen durch kritische Überprüfung seiner Einkaufsgewohnheiten und Einschränkung des Fleischkonsums.

(87) Eine Einschränkung der Viehbesatzdichte wird zugleich die anfallenden Düngermengen verringern und damit den Zwang zur Güllewirtschaft mit all ihren mißbräuchlichen Folgen mindern. Darüber hinaus sollte auch aus Gründen der nachhaltigen Bodenbewirtschaftung und des Gewässer- und Ökosystemschutzes die Festmistwirtschaft gefördert und technisch verbessert werden. Die Förderung dezentraler Biogasanlagen mit Wärme-Kraft-Kopplung kann die Methan-, Ammonium- und Ammoniak-Emissionen weitgehend reduzieren. Damit wird zugleich ein Beitrag zur Schonung fossiler Energieträger geleistet. Durch "hochaufgeschlossene" Gülle als Wirtschaftsdünger kann weiterhin mineralischer Stickstoffdünger ersetzt werden.

(88) Um eine Stickstoffentlastung der gesamten ökologischen Kreisläufe zu erreichen, müssen die vorhandenen Tendenzen zur Verringerung der mineralischen Stickstoff-Düngung verstärkt werden. Denn der Gesamteintrag an Stickstoff auf der Fläche aus den verschiedensten Quellen in den alten Ländern der Bundesrepublik wird mittlerweile mit weit über 200 kg je Hektar und Jahr auf das Doppelte der pflanzlichen Aufnahmekapazität geschätzt. Der Rest entweicht in das Grundwasser, die Oberflächengewässer und in die Atmosphäre.

(89) Die technischen Möglichkeiten für eine bedarfsgerechte Stickstoffdüngung sind vorhanden (N-min-Methode) . Von seiten der Politik kann ihre Anwendung durch die Einführung der bereits öffentlich diskutierten Stickstoff-Abgabe im Zuge der allgemeinen Energieverteuerung unterstützt werden.

(90) Die damit umrissene De-Intensivierung der Landwirtschaft bedeutet im wesentlichen: weniger Zufuhr künstlicher Energie in die Agrar-Ökosysteme und Verringerung der Emissionen in andere Ökosysteme. Das Ziel einer entsprechenden Agrarpolitik muß die Wiederherstellung möglichst weitgehend geschlossener Stoff- und Energiekreisläufe sein. Diese De-Intensivierung ist nicht etwa ein Abschied vom technischen Fortschritt oder gar ein Rückschritt. Es wird ein Höchstmaß an Innovation erforderlich sein, um mit Hilfe intelligenter und angepaßter Techniken und Verfahren mit der Natur und nicht gegen die Natur zu arbeiten. De-Intensivierung muß abgestimmt auf der gesamten Fläche geschehen. Sie verfehlt ihr ökologisches Ziel, wenn sie in einigen Regionen durch Extensivierungs- und Stillegungsprogramme vollzogen wird, während in anderen Regionen die Bewirtschaftung weiter intensiviert wird.

(91) Der ökologische Landbau und andere Formen naturverträglicherer Landwirtschaft sollten aus Gründen des Klimaschutzes und des generellen Schutzes der Ökosysteme politisch wirksamer unterstützt werden als das derzeit durch die zeitlich begrenzte Förderung der betrieblichen Umstellung geschieht. Gerade auch die Wohlfahrtsleistungen für die Erhaltung der natürlichen Ressourcen bedürfen einer Honorierung. Notwendig wären zum Beispiel auch betriebsbezogene, gestaffelte Erzeugerpreise und regionale Vermarktungsstrukturen, die sich im Prinzip finanzieren ließen, wenn die immensen Kosten der derzeitigen Überproduktion in der EU eingespart würden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können diese Entwicklung mit vorantreiben, indem sie sich, wie das in zahlreichen Fällen bereits geschieht, an Vermarktungsorganisationen für Produkte des ökologischen Landbaus beteiligen und qualitätsbewußter einkaufen.

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