Morgenandacht über (Epheser 4, 1-7 +11-13)
Kim Dong-Wook
Bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens
(Epheser 4,13)
Epheser 4, 1-7 +11-13
1. So ermahne ich euch nun, ich Gefangener in dem Herrn, dass ihr wandelt, wie sich`s gebührt eurer Berufung, mit der ihr berufen seid,
2. in aller Demut und Sanftmut, in Geduld; und vertraget einer den anderen in der Liebe
3. und seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens:
4. ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einerlei Hoffnung eurer Berufung
5. ein Herr, ein Glaube, eine Taufe;
6.ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.
7. Einem jeglichen aber unter uns ist gegeben die Gnade nach dem Maß der Gabe Christi.
11. Und er hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern,
12. dass die Heiligen zugerüstet würden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden,
13. bis dass wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes.
Herr Präses! Hohe Synode!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Heute stehe ich vor Ihnen als einer, der anders ist als Sie. Meine Haarfarbe ist anders als Ihre, meine Gesichtszüge unterscheiden sich von den Ihrigen.
Meine Muttersprache und die darin verborgenen Besonderheiten sind Ihnen nicht bekannt. Ihnen sind in der Begegnung mit Menschen andere Dinge wichtig als mir. Ich bin nicht so wie Sie - will es auch gar nicht sein. Ich gehöre zu den Menschen, die gastweise in dieses Land gekommen sind. Wir kamen - zum Teil, weil wir hier Arbeit fanden. Wir kamen zum Teil, weil wir um unser Leben fürchteten und hierher flüchten konnten, wir kamen zum Teil, weil wir hier ein Aufbaustudium machten, und einige kamen, weil hier Menschen lebten, mit denen wir in Liebe verbunden sind.
Ich bin nur auf Zeit hier. Ich bin als Koreaner hier - Sie leben als Deutsche hier. Meine Heimat, die habe ich verlassen - und Sie leben hier in Ihrer Heimat. Was haben Sie und ich, das uns verbindet - uns vereint?
Seit vielen Jahren lebe ich in Deutschland. Ich weiß um Ihre Bemühungen und um die deutsche Gründlichkeit. Sie bemühen sich gut zu organisieren und Sie bemühen sich gründlich zu erkennen.
Diese Sorgfalt und Gründlichkeit verlangt viel von Ihnen. Auch in der Theologie! Die Theologie in Deutschland hat einen langen Weg zurückgelegt: Es gab eine Zeit der Patristik und des Nominalismus, einen Realismus und eine Zeit der Reformation, eine Phase der Christologischen Theologie und sogar eine "theozentrische Theologie". Aber nicht nur die Theologie steht in einem Wandlungsprozess. Auch das, womit sie sich beschäftigt, die Wahrheit selbst ist lebendig, ist lebendige Wahrheit, ist ein Prozess des Werdens!
Die Kirche, die Christenheit, der Leib Jesu Christi lebt, entwickelt sich, sichtbar für unsere Augen und unsere Sinne.
Der Epheserbrief nennt drei wichtige Säulen für diese Entwicklung in 4, 4 "... ein Herr, ein Glaube, eine Taufe!" Das ist der Weg auf dem wir uns aufmachen wollen um in der Einheit der Kirche in der Gemeinschaft mit deutschen und ausländischen Gemeinden zu leben. Paulus sagt: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. Nur scheinbar handelt es sich um drei Begründungen der Einheit der Gemeinde Jesu Christi. In Wirklichkeit ist es nur eine.
1. Unser Glaube ist nicht irgendein Glaube, sondern der Glaube an Jesus Christus. Es ist der Glaube, der uns mit ihm zu einer tiefen, geheimnisvollen Einheit verbindet. Wer im Glauben an Jesus Christus steht, hat hier seine Heimat, seine Lebensgrundlage. Christus ist es, der uns von allen Seiten umschließt und umgibt, der leitet und führt. Dieser Jesus Christus ist keine Idee, kein menschlicher Gedanke, er ist der lebendige Herr, der Mittelpunkt des Glaubens. Dieses Wissen und diese Erfahrung birgt unendliche Freiheit. Wir brauchen nicht überall das Gleiche zu sagen, das Gleiche zu denken, das Gleiche zu sein. Schauen Sie doch um sich: Unsere Welt ist kleiner geworden! Wir leben in unterschiedlichen Kulturen und sind anders geprägt - und das verwunderliche ist: Selbst unser Glaube hat so unterschiedliche, zutiefst verschiedene Erscheinungsformen angenommen. Was gibt es für bunte Gottesdienstformen, wie überraschend ist für Außenstehende die reiche Vielfalt unserer liturgischen Gewänder! Und wie weit unterscheiden wir uns, wenn wir mit Menschenworten anfangen, die gute Botschaft zu verkündigen! Was glauben Sie - wie klingt es für uns Asiaten, wenn uns durch Missionare gesagt wird: Jesus Christus ist das Brot des Lebens - wenn wir auf Brot doch gerne verzichten können, aber ohne Reis keinen Tag überleben können! Die Einheit in Jesus Christus ist unendlich größer. Es geht nicht um Übereinstimmung der Gedanken und Überzeugungen, unser Glaube ist Lebensverbundenheit seiner Gemeinde. Einheit in Christus ist nicht Gleichförmigkeit, sondern Einheit in der Verschiedenheit.
2. Ich spreche heute zu Ihnen als Pfarrer der koreanischen Gemeinde in Deutschland. Ob Sie diesen Satz wirklich verstehen? Ich komme aus einem Land, wo es uns schwer gemacht wird zur Kirche zu gehören. Wir erleben, dass wir uns von unseren Familien entfremden, wenn wir uns zu Jesus Christus bekennen, weil wir auf den Ahnenkult verzichten sollen und damit auf unsere Wurzeln. Aber wir wissen vorher um den Preis - und das Leben mit Jesus Christus ist es uns wert. Wenn wir als "Auslandspfarrer" nach Deutschland kommen, werden wir wieder entwurzelt - aber dieses Mal unter Brüdern und Schwestern in Deutschland, die alle auch Christen sind, und uns trotzdem nicht als Geschwister annehmen - und das ist schwer.
Oft habe ich die deutschen Kirchen bewundert. Manchmal hätte ich mir gewünscht, die vorteilhaften Punkte und Erfahrungen unserer Gemeinde mit denen der deutschen Gemeinde auszutauschen um gemeinsam etwas ganz Tragfähiges aufzubauen. Es war für mich etwas Neues zu erfahren, dass es in Deutschland eine Kirchensteuer gibt. Das gibt den Pfarrern und Pfarrerinnen eine große Freiheit! Sie können sich so auf die Hilfe bedürftiger Menschen konzentrieren und damit einen Beitrag zum Sozialdienst leisten.
Auch in der Mission verfügen Sie im Ausland über eine hohe Kompetenz und arbeiten mit großer Effektivität. In Korea ist es manchmal nicht möglich, außerhalb der eigenen Kirche diese Tätigkeiten auszuüben.
Ein weiterer beneidenswerter Punkt bei kirchlichen Institutionen in Deutschland, ist die gut entwickelte und tiefgreifende theologische Ausbildung. Ihre Pfarrer und Pfarrerinnen, Ihre Diakone und Diakonninen haben eine unglaublich fundierte und gute Ausbildung. In deutschen Kirchen bieten die finanzielle Absicherung, gute strukturelle Verknüpfungen und fundierte theologische Ausbildung die besten Voraussetzungen für eine wachsende Gemeinde.
Und trotzdem war es die brennende Frage der letzten EKD - Synode in Leipzig: Wenn alle diese Bedingungen erfüllt sind - warum wächst der Glaube in Deutschland nicht? Warum, meinen Sie, ist das leider so?
Wenn man die deutsche und koreanische Kirche miteinander vergleichen würde und die Kirche einer Weide gleichsetzen würde, so sind die deutschen Weiden einfach wunderbar. Es gibt Zäune, eine sichtbare Abgrenzung, sodass nicht jeder hier entlang stampfen kann. Es gibt gut angelegte Wege. Sie werden regelmäßig gedüngt und gewässert. Und trotzdem: aus irgendeinem unerklärlichen Grunde haben die Schafe auf der Weide nicht genügend Gras zum Rupfen und Essen.
Die Weiden der koreanischen Kirchen besitzen ziemlich wacklige und defekte Zäune und die Wege sind recht chaotisch und völlig unübersichtlich. Aber es wächst genügend Gras auf der Weide. Genug, um alle zu ernähren. Von außen gesehen, mag alles schwach und unsicher erscheinen. Man könnte Angst haben, dass Schafe verloren gehen. Aber in Wahrheit leben viele Schafe auf der Weide, die stark und gesund sind.
3. Die Gemeinde Jesu ist keine perfekte Organisation. Gemeinde Jesu ist ein Organismus, wie der Körper, der auch darum eine Einheit ist, weil ein Lebenskreislauf alle seine Glieder durchzieht. Es gibt viele Bilder und Gleichnisse für die Gemeinde Jesu Christi. Aber am treffendsten erscheint mir das Bild des Leibes. Unser Leib hat eine verborgene Zentrale, die alles bestimmt. Und diese Zentrale gibt es auch im Leben der Gemeinde. Diese Zentrale, unser Zentrum ist niemand anderes als Jesus Christus.
Die Schwierigkeiten in der Kirche rühren nicht daher, weil es ein Defizit an Finanzen, an theologischer Ausbildung und an Programmen gibt, sondern weil es an der Ernsthaftigkeit, am Zutrauen zu diesem Jesus Christus fehlt. Ohne diese Ernsthaftigkeit wird die Kirche schwierige Zeiten durchmachen.
Liebe Brüder und Schwester der deutschen Kirche, die Frage lautet nun: Wie wird das Evangelium größer, was muss geschehen, damit die Herzen geöffnet werden für das lebenbringende Wort Gottes? Ich glaube: Erforscht und erkannt haben wir in der Tat schon sehr, sehr viel.
Die Taufe ist nichts, was zufällig über uns hineinbricht. Es ist ein Geschenk Gottes für unser Leben, allein Werk Gottes und des Heiligen Geistes. Mit der Taufe hat Gott uns eine Gabe und eine Aufgabe anvertraut. Wir Menschen, ganz gleich, wie wir sind, woher wir kommen, welche Sprache wir sprechen - wir sind unbedingt aufeinander angewiesen. Wir brauchen einander, damit wir so werden, wie Gott uns wünscht. Wir brauchen uns - ich brauche Sie als meine Geschwister - und sie brauchen uns: als Ihre Geschwister mit brauner Haut, dunklen Augen, gekräuselten Haaren, aus Asien oder Afrika oder Amerika, damit wir sie gemeinsam zur Sprache bringen können und sie groß machen können: Die Liebe Gottes.
Als der Heilige Geist über die in Jerusalem versammelten Jünger damals zu Pfingsten ausgegossen wurde, fragte man sich besorgt: Was soll nun werden? Und wir fragen uns heute: Was ist daraus geworden? Haben wir es vor Augen? Ist es die EKD? Oder die EKU oder vielleicht doch die VELKD? Oder wo ist christliche Gemeinde zu finden? Unser Abschnitt aus dem Epheserbrief sagt es sehr deutlich: Jesus Christus ist Name, Ursprung und Halt der christlichen Gemeinschaft. Die Taufe sagt: Wir sind keine fromme Versammlung, wo wir liebreich und wehmütig das Andenken eines großen Märtyrers pflegen. Und es geht auch nicht darum, dass eifrige Schüler und Schülerinnen sich um die Verwirklichung der Ziele ihres verstorbenen Meisters bemühen. Nein, christliche Gemeinde, das ist der Leib Jesu Christi - und das ist es, was die Menschen damals so tief beunruhigte, die Menschen auf den Strassen und Märkten. Sie und ich gehören zu diesem Leib Christi und darum tragen wir auch Verantwortung füreinander. Jeder von uns hat seinen besonderen Platz mit seinen unersetzbaren Gaben und Begabungen. Haben wir diesen schon Beachtung geschenkt? Es gibt einige, die haben mehr, andere haben weniger. Und trotzdem können wir uns nicht übereinander erheben. Es kommt darauf an, dass wir unseren Begabungen treu bleiben.
Auch wir ausländischen Gemeinden haben unsere besonderen Begabungen. Für unser koreanisches Gemeindeleben ist der Dreh und Angelpunkt das Gebet. Wir wissen einfach, dass wir aus unserer eigenen Kraft nichts erreichen können. Wenn ein Mensch von Gottes Worten angerührt wird und sich entscheidet, nach diesen Worten zu leben und dieses weitererzählen möchte, dann geschieht dies nicht wegen des Geldes oder eines Programms oder der steigenden Mitgliederzahlen. Sondern dann ist das einzig und allein das Werk Gottes und des Heiligen Geistes. Ausbildung allein reicht nicht aus. Jesus hat immer wieder gebetet und seine Jünger haben durch das Gebet Gottes Kraft erfahren, mit der sie Gott dienen konnten.
Haben Sie diese Erfahrung auch gemacht? Uns geht es darum, ob man die Erfahrungen der Bibel selber am eigenen Körper erfahren und sich dazu bekennen kann. Die Kirche und der Glaube sind nicht theoretisch erfassbar, sondern Menschen, die erfahren haben, dass sie zu dem lebendigen Leib Jesu Christi gehören. Dazu brauchen wir alle unsere Mitglieder. In unserer koreanischen Gemeinde trägt jedes einzelne Kirchenmitglied Verantwortung für die Kirche, und an jedem Freitagabend versammelt sich die Gemeinde nach Bezirken verteilt zum Gebet.
Als Jesus Christus seine Jünger verließ, gebot er ihnen, dass sie das Evangelium bis zum Weltende verkünden sollten Wenn man etwas Wertvolles besitzt, dann möchte man es anderen zeigen. Der Glaube ist eine Kraft, die uns mit großer Leidenschaft erfüllt.
Oft frage ich mich: Worin liegt der Sinn, dass es auf deutschem Boden ausländische Kirchen gibt. Ob diese Kirchen nur dafür bestimmt sind, ihre Landsleute zu betreuen und hier Kulturträger zu sein?
Was ist der Sinn, dass ich heute zu Ihnen sprechen darf? Dabei kam mir dieser Gedanke - vielleicht habe ich heute die Aufgabe Sie einfach zu erinnern?
Das Thema der diesjährigen EKD - Synode lautet: Eins in Christus. Kirchen unterwegs zu mehr Gemeinschaft.
Das ist unser Ziel und unsere Aufgabe: Einssein - gegen alle Zertrennung! Haben Sie das nicht erlebt als das geteilte Deutschland wieder ein Staat werden konnte? Gehen wir in Korea nicht auf diesem Weg, der endlich Annäherung, Öffnung und hoffentlich am Ende auch die Einheit, das Einssein bedeutet? Wir alle wissen, wie viele um Verständigung ringende Worte und tröstende Umarmungen nötig sind gegen das Verletztsein und Nicht - mehr - Verstehen.
Sie und ich, wir unterscheiden uns äußerlich sehr wohl. Ihre Kirche und unsere ausländischen Kirchen sind mit unglaublich vielen Gaben und Begabungen gesegnet, die aber erst in einer versöhnten Gemeinschaft zum Reichtum für die Welt werden können.
Das wichtigste auf diesem Weg zur versöhnten Gemeinschaft ist schon getan - Gott sei Dank durch unseren gemeinsamen Herrn Jesus Christus!
Darum sind wir ausländischen Gemeinden gerne hier, froh und erwartungsvoll reichen wir Ihnen unsere Hände. Wir sind gerne und gespannt mit Ihnen, unseren Geschwistern unterwegs zur der einen Gemeinschaft in Jesus Christus.
Amen