Die Trauer kommt in Wellen

Notfallseelsorger begleiten Angehörige von Tsunami-Opfern zur Gedenkfeier nach Thailand

Von Andreas Rehnolt (epd)

Düsseldorf (epd). "Die Trauer bei den Hinterbliebenen um die Tsunami-Opfer kommt in Wellen hoch." Viele sind auch ein Jahr nach der Katastrophe noch traumatisiert. Die meisten wollen nun ein Ritual des Abschieds zelebrieren. Mit diesen Worten verabschiedete der evangelische Pfarrer Uwe Rieske am Mittwoch auf dem Düsseldorfer Flughafen eine Gruppe von 80 Angehörigen, die zum ersten Jahrestag der Tsunami-Flutwelle nach Thailand abflogen.

"Trauer ist an Orte gebunden", sagte Rieske. Deshalb soll am Strand im thailändischen Khao Lak, wo die meisten deutschen Opfer der Flutwelle vom 26. Dezember vergangenen Jahres zu beklagen waren, eine würdige Gedenkveranstaltung stattfinden. Insgesamt werden etwa 150 Opfer-Angehörige individuell und in der Gemeinschaft der Mitbetroffenen in Gottesdiensten der Verstorbenen gedenken.

Notfallseelsorger der Evangelischen Kirche im Rheinland, Psychologen und Experten des Deutschen Roten Kreuzes sind am Mittwoch mitgeflogen. "Sie sollen helfen, am Ort des Geschehens das Unabwendbare besser zu verstehen", sagte Rieske, der seit Januar das Projekt "hoffen bis zuletzt" von Kirche und Rotem Kreuz in Nordrhein-Westfalen für die Betroffenen koordiniert hat.

Nach Worten von Karin Meincke vom DRK-Landesverband "liegt es in der Natur des Menschen, den Ort auf zu suchen, wo man einen Angehörigen verloren hat." Deshalb würden in Thailand etwa Hotels oder Überreste zerstörter Gebäude besucht und die Orte, wo die Partner oder Angehörigen das letzte Mal lebend gesehen wurden.

Nicht nur in Nordrhein-Westfalen, auch in den anderen Bundesländern sind nach den Worten von Rieske Angehörigengruppen entstanden. In den vergangenen elf Monaten seit Gründung des Projekts "hoffen bis zuletzt" haben bundesweit mehr als 30 Angehörigentreffen stattgefunden, an denen über 600 Menschen teilgenommen haben. "So öffnen wir Räume für Trauer", erklärte der Pfarrer. "Es entstehen auch Schicksalsgemeinschaften Betroffener." Viele Angehörige wollten die Treffen auch nach dem Ende des Projekts im Januar nächsten Jahres in Eigenregie fortführen.

Viele der Betroffenen wollten am Mittwoch nicht im Beisein von Fernsehteams und Fotografen an dem Gedenkgottesdienst auf dem Airport teilnehmen. "Da werden sonst zu viele negative Erinnerungen an manche Pressevertreter wach, die uns vor einem Jahr bei der Heimkehr aus dem Tsunami-Gebiet bedrängt und unseren Schmerz missachtet haben", sagte eine ältere Frau. Sie und alle anderen wurden vom Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider mit einem Reisesegen nach Thailand verabschiedet. Die Reise an den Ort der Katastrophe soll nach den Worten eines Psychologen auch helfen, "zurück ins Leben zu finden".

21. Dezember 2005