Huber: Wirtschaft muss sich am Gemeinwohl orientieren - "Menschen brauchen mehr Vorbilder"

Lübeck (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, hat eine stärkere Orientierung der Wirtschaft am Gemeinwohl gefordert. "Dieselbe Bereitschaft, sich am Gemeinwohl zu orientieren, die wir jetzt der Politik abverlangen, muss auch der Wirtschaft abverlangt werden", sagte Huber in einem Interview der "Lübecker Nachrichten" (Freitagsausgabe). Unternehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagern, müssten klären, ob sie nicht auch neue Arbeitsplätze in Deutschland schaffen könnten.

Bei 25 Prozent der Unternehmen, die im Ausland investierten, würden zugleich Jobs in Deutschland abgebaut, sagte der Berliner Bischof. Diese Konzerne müssten sich fragen lassen, "wo da die Verantwortung gegenüber dem eigenen Land bleibt."

Positiv äußerte sich Huber über die seit November in Berlin regierende große Koalition: "Zum Ende des Jahres kann man spüren, dass die Bereitschaft da ist, dieser neuen Konstellation Vertrauen entgegen zu bringen", sagte der EKD-Ratsvorsitzende. Die Neuwahlen am 18. September seien richtig gewesen, da keine der beiden damals politisch konkurrierenden Seiten genügend Vertrauen gehabt habe, um die Macht auf sich zu vereinen.

Der EKD-Ratsvorsitzende setzte sich zudem für die Wiederbelebung von Vorbildern ein. Die Papst-Verehrung im ablaufenden Jahr habe gezeigt, wie groß der Wunsch nach Vorbildern sei, ohne die ein gelingendes Leben nicht möglich sei, sagte Huber. Dieses Bedürfnis sei lange vernachlässigt worden, Vorbilder hätten als überholt gegolten.

Zur Massenbegeisterung, die die katholische Kirche beim Abschied vom alten und der Wahl des neuen Papstes hervorrief, erklärte Huber, er begrüße es, wenn die Aufmerksamkeit für den Ritus als Form der Gottesverehrung wieder wachse. Die katholische Kirche halte große Riten bereit. Doch sei die Begeisterung der Massen kein Hinweis darauf, welche Kirche sich stärker seelsorgerisch den Menschen zuwende, so der Bischof.

30.12.2005