Merkel nimmt an Trauerfeier für gefallene Soldaten teil

Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird an der Trauerfeier für die am Karfreitag in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten teilnehmen. Das sei ihr ein persönliches Anliegen, teilte ein Regierungssprecher am Donnerstag in Berlin mit. Die Trauerfeier mit den Familien und Freunden der drei gefallenen Soldaten findet an diesem Freitag in der evangelischen St.-Lamberti-Kirche im niedersächsischen Selsingen unweit von Seedorf statt. Der evangelische Leitende Militärdekan Armin Wenzel aus Kiel wird die Traueransprache halten.

Die drei Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 373 aus Seedorf waren am 2. April bei einem Feuergefecht nahe Kunduz gefallen. Der 35-jährige Hauptfeldwebel, der 25-jährige Stabsgefreite und der 28-jährige Hauptgefreite waren Angehörige der Luftlandebrigade 31. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, nehmen ebenfalls als Vertreter der Bundesregierung an der Trauerfeier in Selsingen teil.

08. April 2010


"Verschämte Ersatzlösungen helfen nicht weiter"

Vor dem Hintergrund des Afghanistan-Einsatzes verlangen Wissenschaftler eine neue Trauerkultur

Brüssel (epd). Im Jahr 2009 hatte der Tod 108 Gesichter. Der Fernsehsender BBC hat die Fotos gesammelt: David Watson, 23 Jahre. Loren Marlton-Thomas, 28 Jahre. Phillip Lawrence, 22 Jahre. Der Sender hat eine Internet-Gedenkseite für alle britischen Soldaten erstellt, die während des Afghanistan-Einsatzes ums Leben kamen. Angehörige senden dort letzte Grüße, Politik- und Armeevertreter würdigen jeden Gefallenen.

Im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn schenke Deutschland dem Schicksal seiner Soldaten sehr wenig Beachtung, stellte der scheidende Bundestags-Wehrbeauftragte Reinhold Robbe kürzlich in seinem Jahresbericht fest. Zwar entschied sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), am heutigen Freitag im niedersächsischen Selsingen an der Trauerfeier für die drei getöteten Fallschirmjäger teilzunehmen. Es ist das erste Mal, dass sie ein solches Zeichen setzt. Dennoch sei die öffentliche und politische Trauerkultur in Deutschland sehr wenig entwickelt, unterstreichen Experten.

Angesichts der steigenden Zahl von Bundeswehr-Einsätzen sei dies bedenklich, meint etwa Manfred Hettling, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Halle-Wittenberg. "Deutschland darf die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen." Sicherlich verhindere die deutsche Vergangenheit, dass sich Modelle anderer Länder einfach übertragen ließen, sagt er. "Aber verschämte Ersatzlösungen helfen auch nicht weiter."

In Großbritannien etwa gibt es seit gut zehn Jahren die Gedenkstätte "Arboretum", einen weiträumigen Park bei Lichfield in Staffordshire. Zehntausende Bäume stehen dort, gepflanzt für die Toten seit 1945. Das können gefallene Soldaten sein, Feuerwehrleute, Ärzte, humanitäre Helfer. "Entscheidend ist, dass Arboretum ein Projekt der Zivilgesellschaft ist", sagt Hettling.

Der "Goldene Hain" zum Beispiel wurde von Paaren gespendet, die im Zweiten Weltkrieg geheiratet hatten und in den 90ern Goldene Hochzeit feierten. Auch in Großbritannien gebe es heftige Debatten über Militäreinsätze, unterstreicht der Historiker. "Die Briten trennen aber scharf zwischen politischem Streit und der Solidarität mit den Soldaten und ihren Angehörigen."

In den Niederlanden ist die politische Gedenkkultur noch jung. Der 4. Mai ist den Toten des Zweiten Weltkriegs gewidmet, aber auch allen anderen Bürgern, die in Kriegen oder Friedenseinsätzen starben. Der Rückhalt in der Bevölkerung ist enorm: 80 Prozent halten laut Umfragen ein solches Gedenken für wichtig. In Deutschland wäre diese Verknüpfung von Geschichte und Aktualität wegen der NS-Vergangenheit freilich nicht möglich, sagt Hettling.

Während in Frankreich die Trauerkultur zumeist staatlich organisiert ist, wird sie in den USA von Gemeinden, Familien und vielen anderen Akteuren hochgehalten. Dabei müssten heroisierende Tendenzen hinterfragt werden, so der emeritierte Geschichtsprofessor Jost Dülffer aus Köln. Gelungen sei aber zum Beispiel das Vietnam-Denkmal in Washington: "Man spiegelt sich im blanken schwarzen Stein und kann damit seine eigene Vergänglichkeit wahrnehmen." Die Stätte ist halb unterirdisch angelegt: "Ein säkularer Pilgerweg."

Wie Deutschland das Problem seiner fehlenden politischen Gedenkkultur angehen kann, ist keine einfache Frage. Ein erster Schritt wäre gewesen, einen anderen Standort für das kürzlich errichtete Ehrenmal der Bundeswehr zu suchen, meinen Hettling und Dülffer. Es hätte nicht beim Verteidigungsministerium, sondern beim Bundestag gebaut werden sollen, um die gesellschaftliche Relevanz zu unterstreichen - und von der militärischen Kameradenehrung zu einer staatsbürgerlichen Würdigung zu gelangen.

Vor allem brauche es eine intensivere Debatte, sagt Hettling. "Fast alle Akteure im öffentlichen Raum scheuen das Thema." Der scheidende Wehrbeauftragte Robbe fordert allgemein mehr Rückhalt für Bundeswehrangehörige und sieht neben der Politik auch "Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, die Protagonisten aus Kultur und Wissenschaft sowie die Kirchen" in der Pflicht. Auf diese Weise sei es möglich, "die für die Soldaten unbefriedigende Situation zu verbessern", glaubt er.

09. April 2010