Ökumenischer St. Martinsumzug
Teilen wie Sankt Martin
In wenigen Wochen werden wieder bunte Laternenlichter über das Kopfsteinpflaster am Römerberg tanzen und Kinderstimmen, begleitet von warmen Posaunenklängen, Martinslieder singen. Am 11. November feiert die St. Paulsgemeinde gemeinsam mit dem katholischen Kindergarten St. Leonhard ökumenisch das Martinsfest mit einem Umzug durch die Neue Altstadt.
Schon seit Jahren begleitet Pfarrerin Andrea Braunberger-Myers von der evangelischen Paulsgemeinde Frankfurt das Martinsfest. „Wir feiern gemeinsam, mit der katholischen Kita St. Leonhard. Unsere Kitas liegen nur wenige hundert Meter voneinander entfernt. Das Martinsfest ist zu einer schönen Tradition geworden“, erzählt sie. Am 11. November feiern die beiden gemeinsam, haben allerdings jeweils auch ein eigenes Programm.
Der Abend beginnt daher vorerst getrennt gegen 17.30 Uhr. Die katholische Kindertagesstätte feiert eine Andacht mit Martinsliedern. Die evangelische Kita kommt in der evangelischen Alten Nikolaikirche zusammen. Bereits Wochen vor dem 11. November laufen in den Kitas die Vorbereitungen. Laternen werden gebastelt, Lieder einstudiert und Dialoge für das Martinsspiel geschrieben.
Auch in diesem Jahr erwartet Pfarrerin Andrea Braunberger-Myers wieder eine volle Kirche. Während die Kinder ganz vorne auf Sitzkissen am Boden sitzen, waren die 100 Stühle in der Vergangenheit alle belegt. Ein besonderer Moment wird das Martinsspiel sein, auf das sich die Kinder bereits freuen. „Die Geschichte ist natürlich immer die gleiche, aber sie wird jedes Jahr anders dargestellt“, erklärt die Pfarrerin. In diesem Jahr werden die Kinder ein Schattenspiel darbieten.
Gemeinsam mit Sankt Martin durch Frankfurt
Um 18 Uhr treffen sich dann alle auf dem Römerberg zum Umzug. „Die Katholiken kommen mit dem Pferd, wir kommen mit einem Bläserquartett der Frankfurter Bläserschule“, sagt die Pfarrerin. Etwa 30 Minuten geht es durch die Frankfurter Neue Altstadt, zum Dom und wieder zurück zum Römerberg. Hier trennen sich dann die Wege der beiden Kitas wieder.
Die katholische Kita feiert in ihren Räumlichkeiten noch ein wenig weiter. Die evangelische Gemeinde lädt zum Martinsfeuer hinter der Alten Nikolaikirche ein. Bei Kinderpunsch und Hefemännern können sich die Anwesenden dann stärken und das Miteinander feiern.
Etwa 300 Menschen werden auch in diesem Jahr beim Umzug erwartet. Darunter natürlich die Kita-Kinder und ihre Familien, Schulkinder und auch andere Menschen, die gerne mitfeiern möchten. „Wir bekommen oft Anfragen von Leuten, die auf der Suche nach einem Martinsumzug sind“, sagt die Pfarrerin.
Auch wenn das Fest für die Organisatoren eine Menge Arbeit bedeutet, ist es ihnen wichtig, gemeinsam mit der Gemeinde und den Kindern zu feiern. „Das Martinsfest entstammt zwar dem katholischen Brauch, aber wir sind alle gemeinsam Christen!“, betont Andrea Braunberger-Myers.
Vorbereitungen auf das Martinsfest
Einmal in der Woche besucht die Pfarrerin die evangelische Kita St. Pauls. Während ihres Besuchs erzählt sie den Kindern biblische Geschichten. In den Wochen vor dem Martinstag stellt sie immer einen Bezug zum Barmherzigen Samariter her.
„Den Soldaten Martin hat es tatsächlich gegeben, aber die Geschichte, wie er durch das Tor reitet und seinen Mantel mit einem Bettler teilt, ist eine Legende“, erklärt sie. Diese fuße auf einer biblischen Geschichte – dem Gleichnis des Barmherzigen Samariters. Bei ihrem Besuch versucht Andrea Braunberger-Myers die Kinder auf die Parallelen der beiden Geschichten aufmerksam zu machen. „Man kann auch mit den kleineren Kindern die Inhalte sehr gut herausarbeiten“, sagt Braunberger-Myers.
Rund 40 Kinder besuchen derzeit die Kindertagesstätte. Mehr als drei Viertel von ihnen sind nicht christlich; sie haben andere Religionen oder gehören gar keiner Religion an. „Martins Geschichte hat eine ethische Aussage, die nicht religionsabhängig ist“, erklärt die Pfarrerin. „In der Kita betonen wir, sich anderen Menschen zuzuwenden. Hinschauen und fragen: Was brauchst du?“, fasst sie zusammen. Ebenso wichtig sei der Aspekt des Teilens.
Anders als vielleicht bei Ostern oder Weihnachten seien die Aussagen der Martinsgeschichte universell und nicht religionsgebunden. Vielmehr stelle sie die Frage eines friedlichen und guten Zusammenlebens. Daher eigne sich die Geschichte sehr gut für ein multi- oder auch gar nicht religiöses Umfeld, findet Andrea Braunberger-Myers. Das Fest lässt sich gerade mit Kindern gut feiern. „Denn die eigentliche Botschaft, die wir mit dem Martinsfest in die Öffentlichkeit tragen ist, sich andern Menschen aufmerksam und helfend zuzuwenden“, sagt sie und fügt hinzu: „Die Legende hat das Zeug dazu, diese Aspekte spannend zu vermitteln.“
Text: Franziska Weiß