Predigt im Internationalen Gottesdienst in Bayreuth

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland

Es gilt das gesprochene Wort

Predigttext: Lukas 10, 17-20

Die Zweiundsiebzig aber kamen zurück voll Freude und sprachen: Herr, auch die Dämonen sind uns untertan in deinem Namen. Er sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden. Doch darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.

Liebe internationale Gemeinde hier in Bayreuth!

Der letzte Vers unseres Predigtwortes ist genau die richtige Botschaft für den heutigen Tag und den Gottesdienst, den wir miteinander feiern dürfen. „Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ Ja, das tun wir! Wir freuen uns von Herzen darüber, dass wir heute im Namen unseres Herrn Jesus Christus zusammen sind und dass wir ihn in unserer Mitte wissen und spüren dürfen! Und ich will es auch ganz persönlich sagen: ich freue mich aus tiefstem Herzen, heute hier mit Ihnen zusammen zu sein. Es ist ein internationaler Gottesdienst, den wir feiern. Mehr als sonst wird auch äußerlich sichtbar, was wir als Christen glauben: Es gibt nur einen Gott, der die ganze Welt erschaffen hat. Es gibt nur einen Herrn Jesus Christus, der die ganze Welt erlöst hat. Es gibt nur einen Heiligen Geist, der die Liebe Gottes immer wieder neu in unsere Herzen gibt, egal woher wir kommen und wo wir leben. Deswegen, liebe Schwestern und Brüder, ist eigentlich jeder Gottesdienst ein internationaler Gottesdienst. Jeder Gottesdienst gibt Zeugnis von der universalen Liebe Gottes, die jedem Menschen gilt. Jeder Gottesdienst lobt und preist den Gott, der uns alle geschaffen hat zu seinem Bilde, so dass wir alle miteinander mit Psalm 139,14 sagen können: Ich danke Dir, Gott, dass ich wunderbar gemacht bin!

Dass wir alle Kinder Gottes sind, das ist ein ganz starkes Statement. Es weist alle in die Schranken, die uns etwas Anderes erzählen wollen. Die Hass säen und Spaltung betreiben, indem sie Einheimische gegen Menschen aus anderen Ländern ausspielen. Wir Christen können gar nicht anders als dazu ein klares Nein zu sagen!

Hier sind heute Menschen zusammen, die aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt kommen. Menschen, die auf ganz unterschiedlichen Wegen hier nach Deutschland gekommen sind. Menschen, die aus Angst um Leib und Leben ihr Heimatland verlassen haben, um hier Zuflucht zu suchen. Menschen, die die Hoffnung auf ein würdiges Leben in ihrem Heimatland aufgegeben haben und sich auf den Weg gemacht haben, um irgendwo Perspektiven für die Zukunft zu finden. Menschen, die zu Hause oder auf ihrer Flucht unvorstellbare Grausamkeiten erlebt haben und die Bilder davon noch immer im Herzen tragen und davon gequält werden. Es sind hier Menschen, die noch nie einen christlichen Gottesdienst besucht haben und ihn jetzt neugierig und gespannt mitfeiern. Und es sind Menschen da, die sich nach gründlichem Kennenlernen des christlichen Glaubens zur Taufe entschlossen haben und nun Teil unserer christlichen Kirche sind. Sie alle feiern nun mit uns, die wir vielleicht schon lange hier leben und von klein auf den christlichen Glauben kennen gelernt haben, diesen Gottesdienst. Wir alle sind hierhergekommen, um uns Kraft geben zu lassen für unser Leben.

Wenn ich daran denke, was wir alles an Erfahrungen hierher mitbringen, dann ist die drastische Sprache, mit der Jesus die Wirklichkeit beschreibt, durchaus angemessen. Er sieht den „Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz“. Er gibt den Jüngern, die er aussendet, „Macht, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes…“ Wer auf Hass, Krieg, Verfolgung und Gewalt in der Welt schaut, wer sieht, was Menschen anderen Menschen antun, wer Grausamkeit und Sadismus, die Menschen erleiden, sieht oder vielleicht sogar selbst erlebt hat, dem spricht diese Drastik aus dem Herzen. Es sind Abgründe menschlichen Handelns, die sich da auftun. Es sind Erfahrungen des Bösen, die wirklich satanisch sind. Und sie machen Angst um Leib und Leben, so wie die Schlangen und Skorpione, von denen Jesus spricht.

Jeden Tag sind sie am Werk, die Schlangen und Skorpione. Und gerade Christen erfahren es, wenn sie in vielen Ländern wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Nur wenige von ihnen werden in der Öffentlichkeit so bekannt wie der evangelische Pfarrer und Familienvater Youcef Nadarkhani. Nachdem er schon vor Jahren nur dank internationalen Protestes der Vollstreckung der Todesstrafe entgangen war, wurde er nach erneuter Verhaftung dieses Jahr am 22. Juli er im Iran zusammen mit 3 weiteren Gemeindeleitern brutal geschlagen und für 10 Jahre mit anschließender Verbannung in das berüchtigte Evin-Gefängnis in Teheran verbracht. Viele andere sind von einem ähnlichen Schicksal bedroht. Trotzdem wird nur eine Minderheit dieser iranischen Christen als Asylbewerber anerkannt. Oft mit Begründungen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. In den Protokollen von Asylverfahren oder den Begründungen von Verwaltungsgerichtsurteilen finden sich Fragen zur Prüfung der Ernsthaftigkeit des christlichen Glaubens von Asylbewerbern oder Aussagen, mit denen diese Ernsthaftigkeit bestritten wird, die von schlichter Unkenntnis geprägt sind. Es ist schon gut, dass über die Ernsthaftigkeit des Taufwunsches von Menschen nicht Sachbearbeiter oder Richter entscheiden, sondern ordinierte Geistliche der Kirchen. So soll es auch bleiben!

Dass Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, sich taufen lassen, ist keine Garantie dafür, dass ihr Asylantrag hier genehmigt wird. Vielleicht bleibt die Unsicherheit über ihre Zukunft. Und auch das wunderbare Engagement der Menschen, die sie hier in den rechtlichen und sozialen Angelegenheiten, vor allem aber auch menschlich begleiten, kann das nicht wegzaubern.

Und doch macht die Taufe einen entscheidenden Unterschied, vielleicht den entscheidenden Unterschied. Denn die Taufe ist das äußere Zeichen für die tiefe Gewissheit, die der christliche Glaube gibt: All die Unsicherheit über Dein Leben, über Deine Zukunft, über Dein Ergehen, mag Dir Angst machen, mag Dich immer wieder herunterziehen, mag Dir Deine Kraft nehmen – aber zerstören kann es Dich nicht. Denn Du weißt: Ich bin in alledem nicht allein. Mein Gott ist immer bei mir. Er geht mit mir, wenn ich wandere im finstern Tal. Und er führt mich immer wieder zum frischen Wasser. Und wenn die äußeren oder inneren Schlangen und Skorpione kommen und mich zerstören wollen, dann ist seine Macht stärker. Ich singe und bete. Ich lese laut oder leise die wunderbaren Worte der Bibel von der Liebe Gottes, die stärker ist als der Hass der Menschen, und von Kreuz und Auferstehung Jesu Christi, die mir zeigen, dass nicht der Tod das letzte Wort hat, sondern das Leben. Ich sehe die vielen Menschen, die mich in meiner Not begleiten und die alle miteinander Botschafter der Liebe Gottes sind. Und ich spüre die Hoffnung, die aus dieser Gewissheit kommt. Ich weiß, dass mein Name im Himmel geschrieben ist. Und ich freue mich und lobe den Herrn.

„Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ Ja, Jesus, wir freuen uns! Wir danken Dir, dass wir unser Leben in Deine Hand legen dürfen! Wir vertrauen auf Dich in den guten und in den schweren Tagen. Und spüren Deine Kraft…

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.