Predigt im ökumenischen Gottesdienst anlässlich des DFB-Pokalfinales 2019

Kirchenpräsident Dr. Dr. h.c. Volker Jung

Es gilt das gesprochene Wort!

Dürfen Sportler für ihren Sieg beten? Die Frage wird vor allem von Journalistinnen und Journalisten ziemlich regelmäßig vor großen Sportereignissen gestellt. Offenbar werden dann die Sportbeauftragten der katholischen und der evangelischen Kirche für Experten gehalten. So habe ich es in den letzten Jahren erlebt. Meistens antworte ich so: „Natürlich dürfen sie das. Im Gebet ist für alles Platz. Nur sie sollten damit rechnen, dass der Gegner das auch tut.“

Gerade in den Medien wird gerne mit dem Gedanken gespielt, dass das Gebet so eine Art magisches Ritual ist. Das steckt ja meistens hinter der Frage. Irgendwie geht es darum: Funktioniert das mit dem Beten? Im vergangenen Jahr bei der Fußball-WM gab es in Frankfurt in der Arena ein Public-Viewing. Vor dem Vorrundenspiel Deutschland gegen Schweden haben wir auf der großen Public-Viewing-Tribüne einen Ökumenischen Gottesdienst gefeiert. Das war das Spiel mit dem wunderbaren Freistoß-Tor von Toni Kroos kurz vor Schluss. Die FAZ hat daraufhin auf Seite 1 der Rhein-Main-Seiten getitelt: „Beten hat geholfen“. Die Freude war kurz. Mit dem Spiel gegen Südkorea war dann für „Die Mannschaft“ alles vorbei.

Wir denken heute auch in diesem Gottesdienst über das Beten nach. Ich will dazu unseren Blick auf eine besondere Person lenken. Die Bibel erzählt eindrücklich von ihr. Es ist der große König Salomo. Der wurde offenbar schon zu Lebzeiten für seine Weisheit gerühmt. Salomo ist der Sohn des Königs David. Als er in jungen Jahren König wird, macht ihm das offenbar auch Angst. Da hat Salomo einen Traum. In dem Traum hört er Gottes Stimme. Gott sagt zu ihm: „Bitte, was ich dir geben soll!“ Also so ähnlich, wie es dann auch Jesus ganz öffentlich sagt: „Bittet, so wird euch gegeben!“

Was macht Salomo? Er macht das, was er im Traum gehört hat: er betet. In seinem Gebet denkt er zuerst an seinen Vater David. Er erinnert sich daran, dass Gott David gut begleitet hat. Und dass David auch immer wieder nach Gott gefragt hat. Dann betet er so. Ich lese das jetzt wörtlich vor:

„Nun, HERR, mein Gott, du hast deinen Knecht zum König gemacht an meines Vaters David statt. Ich aber bin noch jung, weiß weder aus noch ein. Und dein Knecht steht mitten in deinem Volk, das du erwählt hast, einem Volk, so groß, dass es wegen seiner Menge niemand zählen noch berechnen kann. So wollest du deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, dass er dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dies dein mächtiges Volk zu richten?“

Salomo bittet um ein gehorsames Herz. Das lässt sich auch so übersetzen: ein hörendes Herz! Das heißt: Er bittet Gott: Zeig mir immer wieder, was gut ist für mein Volk. Und gib mir, dass ich dass auch höre und verstehe.

Die Bibel erzählt dann, wie Gott darauf reagiert. Auch das lese ich vor:

„Das gefiel dem Herrn, dass Salomo darum bat. Und Gott sprach zu ihm: Weil du darum bittest und bittest weder um langes Leben noch um Reichtum noch um deiner Feinde Tod, sondern um Verstand, auf das Recht zu hören, siehe, so tue ich nach deinen Worten. Siehe, ich gebe dir ein weises und verständiges Herz.“

Hier wird jetzt das genannt, worum Salomo durchaus auch hätte bitten können: ein langes Leben, Reichtum und auch den Tod der Feinde! Gott kennt solche Gebete. Und die finden wir auch in der Bibel im Munde betender Menschen. Was hier über Gott und Salomo erzählt wird, hat eine klare Botschaft: Salomo hat verstanden, worum es beim Beten geht! Es geht darum, vor Gott das Herz zu öffnen. Und es geht darum, Gott zu bitten, dass wir erkennen, was gut ist für uns und die Menschen um uns herum.

Beten heißt: das Herz öffnen vor Gott. Wer das Herz öffnet, wird jetzt vielleicht nicht gleich beten wie Salomo. Wer das Herz öffnet, breitet vor Gott aus, was ihr, was ihm das Herz bewegt. Wer krank ist, wird sich Gott anvertrauen mit aller Not, die eine Krankheit mit sich bringt. Und natürlich auch mit dem Wunsch, gesund zu werden. Und wen die Not drückt, wird darum bitten, genug zum Leben zu haben. Wer bedrängt wird, von anderen Menschen bedroht ist, wer in einem Konflikt ist, wird darum bitten, da wieder rauszukommen. Das gehört dazu, wenn man das Herz vor Gott öffnet. Und das Fußball-Herz, das sich vor Gott öffnet, wird sicher auch sagen, wie schön ein Sieg der eigenen Mannschaft wäre. Aber: Wer das Herz wirklich vor Gott ausbreitet, wird auch Gott Raum geben. Gott ist eben nicht die gute Fee, die einfach Wünsche erfüllt. Gott ist Gott. Und wenn es heißt: Bittet, so wird euch gegeben, dann heißt das nicht, dass Gott all unsere Wünsche erfüllt. Aber es ist die Ansage, dass Gott unser geöffnetes Herz füllen wird – mit dem, was uns hilft, einen guten Weg zu finden und zu gehen.

Vor einigen Jahren war ich mal zu einer Diskussionsrunde in der Marktkirche in Hannover eingeladen. Mit dabei war Dieter Hecking, damals Trainer vom VfL Wolfsburg. Wir haben auch über das Thema Beten im Sport geredet. Dieter Hecking hatte damals einige Brasilianer im Team, die vor dem Spiel immer beteten. Er hat erzählt, dass er seine Spieler gefragt hat, um sich auf die Diskussionsrunde vorzubereiten. Er hat sie gefragt: Wofür betet ihr? Betet ihr dafür, dass wir gewinnen? Die Spieler haben ihm geantwortet: Nein, wir beten nicht um unseren Sieg. Wir beten darum, dass wir eine gute Leistung erbringen. Wir beten darum, dass wir uns nicht verletzen. Und wir beten auch darum, dass wir unseren Gegner nicht verletzen. Und wir sind dankbar, dass wir hier Fußball spielen können.

Mir hat das sehr gefallen. Gott darum bitten, dass er mir Kraft gibt, meine Leistung zu bringen. Gott darum bitten, dass ich behütet und bewahrt bleibe. Und Gott darum zu bitten, dass ich anderen keinen Schaden zufüge. Und vor allem: Gott danken! Wir erinnern uns: Salmo hat damit sein Gebet begonnen. Er hat sich erinnert: Gott, Du hast meinem Vater soviel Gutes getan. Du hast mir soviel Gutes getan. Dafür danke ich Dir.

Ich spüre, wie gut es mir tut, wenn ich meinen Tag so beginne: Danke Gott, für den Tag, für die Lebenszeit, die du mir schenkst. Danke für all das Gute, das ich erfahren habe und mit jedem Tag neu erfahre. Ich bitte Dich, erfülle Du jetzt meinen Tag mit deinem Segen.

Mir hilft das, mein Leben in einem größeren Zusammenhang zu sehen. Ich erkenne, wie groß das Geschenk des Lebens ist. Wie wichtig es ist, Menschen an meiner Seite zu haben. Und wie wichtig Frieden und Freiheit sind. Das ist nicht selbstverständlich. Das zu erkennen und sich davon leiten zu lassen ist so wichtig – auch gerade angesichts so wichtiger politischer Entscheidungen, wie die Europawahl eine ist. Das Leben in einem größeren Zusammenhang zu sehen, bedeutet auch zu entdecken: Niederlagen im Sport und anderswo sind nicht die Hölle und Siege sind nicht der Himmel. Siege sind schöner – das ist klar. Aber mit einer Niederlage geht die Welt nicht unter.

Und wenn es dann ein Tag ist wie heute, dann bete ich: Danke, Gott im Himmel, es ist wunderbar, dass wir in Frieden und Freiheit leben können. Danke, es ist schön, dass wir einen Tag erleben – voller Spannung und mit Freude am Fußball. Das ist ein Tag zum Genießen, es ist ein Tag voller Leben. Bitte hilf uns, dass das auch so bleibt. Bewahre vor Unglück. Und schenke uns Frieden.

Amen