Predigt zu Pfingsten im EXPO-Plaza in Hannover
Em. Desmond Mpilo Tutu (deutsche Übersetzung)
(Übersetzung aus dem Englischen. Es gilt das gesprochene Wort.)
Im Namen Gottes. des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, Amen.
Welch herrlich schöner Anlass, heute so viele wunderbare Menschen zu treffen! Wunderbare, wunderbare Menschen (Beifall der Zuhörer): Musiker, der Posaunenchor, der Gospelchor und diese wunderbare Person hier (Gospelsängerin). Allen sollten wir Beifall klatschen, auch denen, die dies alles so sehr gut vorbereitet haben (Beifall).
Ich grüße euch im Namen unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Guten Tag. Hallo (die Zuhörer grüßen zurück). Ich kann euch nicht hören. Hallo! (Antwort aus der Zuhörerschaft). Ich denke, dass wir Sorge dafür tragen sollten, dass auch die Menschen in Südafrika euch hören können: Hallo, Hallo (die Zuhörer antworten mit einem lauten Hallo). Ich bringe euch Grüße von euren Schwestern und Brüdern aus dem neuen Südafrika, dem freien, demokratischen Südafrika.
Wir haben die Apartheid besiegt!. Wie haben wir das fertiggebracht? Wir haben gewonnen, weil auch ihr hier für uns gebetet habt. Ihr hier habt uns unterstützt und deshalb möchte ich euch heute im Namen von Millionen meiner Landsleute in Südafrika ein Dankeschön zurufen (die Zuhörer antworten, jedoch etwas zurückhaltend). Nein, nein, nein, eure Antwort ist nicht überzeugend. Ich habe hier einen Zauberstab und wenn ich den über euch schwenke, dann kann ich das Wunder vollbringen, euch sofort in Südafrikaner zu verwandeln, denn ihr Deutschen seid ja etwas scheu und auch zurückhaltend. Nachdem ich meinen Zauberstab über euch geschwenkt habe, seid ihr nun alle in Südafrikaner verwandelt. Ich rufe jetzt nochmals Hallo, meine lieben Südafrikanerinnen und Südafrikaner, lasst uns diesen Deutschen einen stürmischen und sehr afrikanischen Beifall spenden. Auf, los! (brausender Beifall der Zuhörer) Danke. Ich danke euch. Ich danke euch allen, denn eure Begeisterung kommt aus euren Herzen. Nun muss ich meinen Zauberstab wieder bemühen und euch zurückverwandeln in euren früheren Zustand, in scheue und reservierte Deutsche, die etwas zurückhaltend darin sind, Beifall zu klatschen und laut ihrer Freude Ausdruck zu geben. Nochmals: es ist großartig, eine große Freude für mich, heute bei euch zu sein.
In der New York Times wurde von Menschen berichtet, die plötzlich reich wurden und in die Mittelklasse aufstiegen. Sie hatten sehr, sehr viel Besitz. Aber sie waren nicht glücklich und wunderten sich, warum sie so unzufrieden waren. Sie dachten bei sich, na ja, mag sein, wir sollten noch mehr materielle Güter haben. Aber selbst als sie sich noch viel mehr Dinge zulegten, waren sie immer noch nicht zufrieden, absolut nicht. Und warum? Wir sind wunderbare Geschöpfe, Kreaturen erschaffen von Gott, seine Ebenbilder, sein Gegenüber, genau so wie er. Wir sind Kreaturen, die erschaffen wurden für Gott, du und ich. Aber wir alle stellen auch einen bemerkenswerten Widerspruch dar. Zum Einen sind wir sterbliche Menschen, zum Anderen sind wir auch für das Ewige geschaffen. Du und ich sind wertvolle Menschen, da wir für das Ewig-Unbegrenzte erschaffen sind, wir sind erschaffen für das Gute, für die Wahrheit. Es ist schon unglaublich, dass wir Kreaturen, so wie wir sind, niemals volle Zufriedenheit finden können außer in Gott. Es wird gesagt, dass in jedem von uns, den Gott geschaffen hat, ein Platz geschaffen wurde, den nur Gott in uns ausfüllen kann. Du und ich hungern danach und nur Gott kann diesen Hunger stillen. Ja, wir sind wirklich außerordentlich bemerkenswerte Kreaturen.
Aber wir sind auch Geschöpfe, die eine außerordentliche Fähigkeit für das Schlechte und Böse in sich tragen. In Südafrika hörten wir in der Wahrheits- und Versöhnungskommission Menschen berichten: Wir haben diesen jungen Mann entführt, wir haben ihm in den Kopf geschossen und seinen Körper verbrannt. Und weil es 7 bis 8 Stunden braucht, bis ein menschlicher Körper verbrannt ist, haben wir dann nebenher ein Grillfest gefeiert.
Wir Menschen können so grausam sein. Ja, wir können wirklich grausam sein. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit über uns. Wunderbar und immer wieder ermutigend ist die Tatsache, dass ihr und ich aber auch die außerordentliche Möglichkeit haben, Gutes zu tun. Wir haben außerordentliche Kräfte und Möglichkeiten in uns, um Gutes zu tun. Wir Menschen sind (der Prediger lächelt) einander ebenbürtig. Wir bewundern nicht die großen, mächtigen Machos, wir bewundern nicht die Erfolgreichen, wir bewundern nicht die Kämpferischen. Wen bewundern wir? Wir bewundern gute Menschen. Wir bewundern eine Mutter Theresa, Mutter Theresa war so eine klitzekleine Person von Statur, sie war nicht Macho. Hey, und warum bewundern wir sie, warum bringen wir ihr Respekt entgegen? Weil sie eine gute Person war, sie war gut. Und die Welt bewundert auch einen Nelson Mandela. Und warum bewundern wir ihn? Nicht weil er Präsident einer Supermacht war. Südafrika ist keine Supermacht, sogar nicht einmal ein sehr reiches Land. Aber warum bewundern wir ihn? Weil er ein Mensch ist, der, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde, nicht verbittert und voll Zorn war, sondern erfüllt mit Würde und Güte und bereit, zu vergeben. Und wir, du und ich, wir alle sollten uns um das Gute bemühen, und wenn wir Gutes tun, dann spüren wir in unseren Herzen Zufriedenheit, weil wir geschaffen sind für das Gute. Wir sind für das Gute geschaffen, lass dir von niemandem etwas Anderes einreden. Ja, es gibt so viel Schlechtes in dieser Welt (Beifall), aber die Welt ist auch voll von so viel Gutem.
Wir haben den Nationalsozialismus besiegt, den Faschismus, den Kommunismus, ja wir haben sogar Apartheid besiegt. Das Übel wird nie das letzte Wort haben. Das Böse muss besiegt werden (Beifall). Und ihr, die ihr hier seid, ihr seid diejenigen, zu denen Gott sagt: Seid Hoffnungsträger, lasst euch neu dazu ermutigen, geht von hier in die Welt und verkündet: Diese Welt ist Gottes Welt und Gott hat das letzte Wort. Diese Welt ist für das Schöne und Gute gemacht, in dieser Welt sollen Frieden herrschen, Freundschaft und Zuneigung, und Gott sagt: Ihr seid alle meine Kinder, die zu Gott sagen können Abba, Abba, Vater Gott, allen die das sagen können wünsche ich, dass Sie entdecken, was es heißt, Mitglied dieser Familie Gottes zu sein. Ich wünsche euch, dass ihr entdecken könnt, dass ihr alle Schwestern und Brüder seid, wirklich und wahrhaftig. Wir können Gott anreden, wir, die kleinen zerbrechlichen, verletzbaren Kreaturen, wir können Gott anreden, den ewigen, allmächtigen Gott und zu ihm sagen: Abba, Vater Gott, Papa Gott. Wir können zu ihm sprechen und zu ihm gehen in einer wunderbaren, wunderbaren Vertrautheit. In großer Einfachheit können wir zu Gott sprechen, und er antwortet uns: Ihr seid alle meine Kinder und jeder von euch ist wertvoll. Jeder von euch ist eine VSP. Wisst ihr, was eine VSP ist? Es gibt VIPs, freilich nicht viele VIPs, aber jede und jeder ist eine V S P - eine very special person. Sagt einfach jetzt: Ich bin eine VSP. Alle. Eins, zwei (die Zuhörer antworten: I am a V S P). Ich bin eine sehr besondere Person. Kommt, ruft! Eins, zwei! (begeisterte Antwort der Zuhörer). Und jede und jeder ist in dieser Welt für Gott eine sehr wertvolle und besondere Person.
Jede Person trägt in sich Gott. Gottes Heiliger Geist will uns zusammenführen und uns zu Kindern Gottes machen. Wir sind Teil des Leibes Christi, er macht uns zu Schwestern und Brüder. Und dies ist der Geist, den der Heilige Paulus beschreibt, der Geist der Annahme. Wenn wir uns bewusst als eine Familie verstehen, dann sollten wir zum Beispiel der Regierung nicht erlauben, so viel Geld für Militärausgaben auszugeben, unglaublich hohe Beträge für Verteidigung. Denn mit einem nur kleinen Teil dieses Geldes könnte so vielen Menschen helfen, sauberes Wasser zu haben. Dieses Geld würde helfen, vielen genug Nahrung zu geben und eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Und würden wir uns als eine Familie begreifen, so würden wir es nicht zulassen, dass in der sogenannten Dritten Welt die Last der nicht rückzahlbaren Schulden immer größer wird. Du und ich, wir würden alle die Jubilee-2000-Kampagne unterstützen und uns für einen Schuldenerlass einsetzen, weil wir alle weltweit Mitglieder einer Familie sind und uns als Brüder und Schwestern verstehen. Und in dieser großen Familie gibt es keine Außenstehenden, es gibt keine Fremden, jeder und jede gehört dazu. Jesus Christus sagt: Ich will alle zu mir rufen. Er sagte nicht, ich möchte nur ein paar bei mir haben. Jesus sagt: Ich will alle zu mir rufen, alle, die Reichen, die Armen, die Weißen, die Schwarzen und People of Color (PoC), die Großen und die Kleinen, die Schönen und die weniger Schönen, die Ausgebildeten und die nicht so sehr Gebildeten, Gays, Lesben, Homosexuelle. Gott sagt, hey, sie alle sind meine Kinder, wir gehören alle in eine Familie, wir gehören zusammen.
Es gibt eine Geschichte von einem Bauern, der in seinem Garten einen eigenartigen Vogel hielt. Es wurde gesagt, dass dieser Vogel ein Huhn sei, aber es war schon ein sehr fremd und eigenartig aussehendes Huhn. Eines Tages kam ein kluger Mann und sagte: Nein, nein, nein, das ist kein Huhn, es ist ein Adler. Aber der Landwirt sagte: Nein, nein, Mann, das ist ein Huhn, dieses Vieh verhält sich wie ein Huhn, es pickt (wie ein Huhn), es kennt nicht einmal die Wolken, und es weiß nicht einmal, dass es eine Sonne gibt. Da sagte der fremde Mann: Bitte, gib mir doch dieses Huhn, und der Landwirt gab ihm das Tier. Dann stieg der Fremde auf die Spitze des Berges, wartete dort bis zum Sonnenaufgang, und als die Sonne aufging, hob er den Vogel hoch und sagt: Flieg, Adler, flieg! Der kleine Vogel schüttelte sich, breitete seine Flügel aus und erhob sich in die Lüfte und flog in die Ferne. Weit weg, der Sonne entgegen. Gott ruft dir und mir zu, uns allen: Hey, ihr seid keine Hühner, ihr alle seid wie ein Adler: Flieg, Adler, flieg (Beifall). Und Gott sagt: Schüttle dich und mach dich auf den Weg, breite deine Flügel aus und schwärme davon. Fliege und fliege und erhebe dich immer höher, damit du zu dem wirst, zu dem du geschaffen wurdest. Wir sind erschaffen, um Gutes zu tun, um Freude und Lachen in die Welt zu bringen, einander beizustehen, erschaffen für das Schöne und dafür, dass wir uns in Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit begegnen.
Als Mitglieder einer Familie reichen wir uns die Hände und sagen: Wir gehören alle zusammen als Gottes Familie, wir sind Schwestern und Brüder, so verschieden bunt wir auch sind - wie ein Regenbogen. Wir sind die Regenbogenkinder Gottes. Und wir gehen hinaus und verkünden der Welt: Diese Welt ist Gottes Welt und Gott hat das letzte Sagen, das Böse und Unrecht werden niemals siegen. Das Schöne, Güte und liebevolles Miteinander, Lachen, Freude und Frieden sollen mehr und mehr Oberhand gewinnen. Und Gott schaut auf uns herab und sagt: Mein liebes Kind, ich habe niemanden außer dich, hilf mir, hilf mir diesen meinen Traum zu verwirklichen.
Gott segne euch.
Hinweis:
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