Quereinstieg ins Pfarramt – Wie geht das?

Mit dem nebenberuflichen Theologiestudium und Vikariat in den kirchlichen Dienst

In der Mitte des Lebens sehnen sich viele nach Sinn und wollen beruflich noch mal neu starten. Pfarrer, Pfarrerin werden – das wär's! Predigen und Gottesdienst feiern, taufen und trauen, Menschen begleiten und beistehen. Aber wieder zurück an die Uni? Ein Quereinstieg in den Pfarrberuf ist auch per Fern- oder Teilzeitstudium möglich.

Pfarrer auf Fahrrad
Beruflicher Neustart? Das Pfarramt ist auch als zweite Karriere eine Option.

Die Philipps-Universität Marburg ist Vorreiterin in der Theologie-Ausbildung für Quereinsteiger: Seit 2007 gibt es dort den dreijährigen berufsbegleitenden Masterstudiengang Evangelische Theologie. Voraussetzungen sind – neben der Mitgliedschaft in einer evangelischen oder einer der Kirchen des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) – fünf Jahre Berufserfahrung und ein erster Hochschulabschluss, egal in welchem Fach. Die Berufserfahrung kann auf Antrag durch Familienarbeit und Ehrenamt ersetzt werden. Außerdem muss eine Eignungsprüfung bestanden werden, die einen Bibelkunde-Teil und einen Essay umfasst.

Wer angenommen wird, kommt in eine feste Lerngruppe, die sich während der drei Studienjahre zu Präsenzwochen und Wochenenden in der Evangelischen Akademie Hofgeismar (Hessen) trifft. Darüber hinaus sollte man sich 20 Stunden pro Woche zu Hause für das Studium einräumen. In den alten Sprachen Hebräisch und Griechisch werden Grundkenntnisse erworben – kein Hebraicum und Graecum. Der Marburger Studiengang wurde mittlerweile evaluiert: Von denen, die die drei Jahre durchgehalten haben, sind die meisten sehr zufrieden. Nächstmöglicher Einstieg ist im April 2019 (Bewerbung: 2018).

Zwischen Teilzeit und Vollzeit wählen

Die zweite Möglichkeit, an einer staatlichen Hochschule berufsbegleitend Theologie zu studieren, gibt es seit dem Wintersemester 2013/14 als Präsenzstudium an der Universität Heidelberg. Genau wie in Marburg richtet sich der Studiengang an Menschen mit Berufserfahrung (hier: sieben Jahre) und abgeschlossenem Hochschulstudium. Anders als in Marburg können Quereinsteiger in Heidelberg zu jedem Semester beginnen und zwischen Teilzeit und Vollzeit wählen. Das heißt auch: Es gibt keine feste Gruppe. Vorausgesetzt werden das Hebraicum und Griechischkenntnisse sowie das Große Biblicum Altes und Neues Testament. Diese Qualifikationen können aber auch nachgeholt werden. Die Bewerber müssen auch hier nicht unbedingt evangelisch sein – die Mitgliedschaft in einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) genügt. 

Wer einen solchen Master in der Tasche hat, kann sich für das Vikariat, die meist zwei- bis zweieinhalbjährige praktische Ausbildung für den Pfarrdienst, bewerben – allerdings nicht in allen Landeskirchen. In Heidelberg gab es bisher erst zwei nebenberufliche Abschlüsse: Eine Absolventin macht ihr Vikariat in der Evangelischen Landeskirche in Baden, ein Absolvent ist Vikar in der Bremischen Evangelischen Kirche. Den Marburger „Masters“ stehen auf jeden Fall die hessen-nassauische und die kurhessische Kirche offen, die badische verlangt noch ein Kolloquium. Nach Einzelverhandlungen wurden auch schon Pfarrstellen in Bayern, Sachsen und Hannover besetzt. Ablehnend, beziehungsweise abwartend verhalten sich bisher die Nordkirche und die Württembergische, sowie die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und die Evangelische Kirche im Rheinland.

„Defizite sind nach dem Vikariat ausgeglichen“

Welche Landeskirche wie auf die neuen Abschlüsse reagiert, das ist ein heiß diskutiertes Thema unter den Quereinsteigern. „Ich nehme eine Differenzierung zwischen den Gliedkirchen wahr“, sagt auch die Referentin für Hochschulwesen und theologisch-kirchliche Ausbildung in der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Hildrun Keßler. Eine der Anfragen aus den ablehnenden Kirchen lautet: Haben die Kandidatinnen und Kandidaten, die berufsbegleitend studiert und dadurch komprimierten Stoff gelernt haben, wirklich das gleiche theologische Niveau erreicht wie die grundständig Studierenden? Im Blick auf Marburg wird immer wieder auf das fehlende Hebraicum und Graecum hingewiesen, nicht wenige sprechen von einem „Theologiestudium light“ oder sogar „Schmalspurtheologie“.

Hildrun Keßler meint: „Klar gibt es Defizite, wie soll es denn nach sechs Semestern auch anders sein? Aber die sind zumeist nach dem Vikariat ausgeglichen.“ In Kurhessen-Waldeck und Hessen-Nassau jedenfalls seien die Erfahrungen mit den Quereingestiegenen bisher sehr gut. Man müsse auch die berufliche Kompetenz aus dem ersten akademischen Abschluss und der Berufserfahrung mit berücksichtigen, meint Hildrun Keßler – und das Durchhaltevermögen in der Doppel- oder Dreifachbelastung: „Ich ziehe den Hut vor allen, die diesen Weg gehen.“

Quereinsteiger in Marburg stehen schon Schlange

Die EKD hat den Wert der nebenberuflichen Pfarrerausbildung erkannt und favorisiert das Marburger Modell, das so oder so ähnlich in Zukunft auch an weiteren Universitäten angeboten werden soll. Die evangelischen Fakultäten in Göttingen und Mainz sowie die Kirchliche Hochschule Wuppertal/Bethel denken bereits über nebenberufliche Studiengänge nach. Damit diese vergleichbar werden, bereitet eine Kommission aus Vertretern von Unis und Gliedkirchen zurzeit eine Rahmenordnung vor, über die der Evangelisch-theologische Fakultätentag im Oktober 2016 beraten und beschließen wird. Danach müssen die Landeskirchen zustimmen. Die Zeit drängt, denn die Quereinsteiger stehen in Marburg bereits Schlange: Für den Kurs, der im April 2016 begonnen hat, hatten sich 150 Menschen interessiert, rund 60 nahmen an der Eignungsprüfung teil, 30 wurden angenommen. Für mehr ist im Seminar in Hofgeismar einfach kein Platz.

Außerhalb dieses Systems von staatlichen Universitäten und Landeskirchen gibt es freikirchliche Ausbildungsstätten, die Bachelor- und Masterstudiengänge anbieten. Berufsbegleitend kann man an der Biblisch-Theologischen Akademie Wiedenest, an der Internationalen Hochschule Liebenzell, im Bildungszentrum Elstal (Hochschule des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden) und an der Theologischen Hochschule Reutlingen (Evangelisch-methodistische Kirche) Theologie studieren. Aber Achtung: Die Abschlüsse gelten in der Regel nur in Freikirchen und Missionswerken und werden von den evangelischen Landeskirchen nicht anerkannt. Das CVJM-Kolleg in Kassel bildet berufsbegleitend zu CVJM-Sekretärinnen, Gemeindepädagogen, Jugendreferentinnen und Diakonen aus, die zwar auch in den Dienst von Landeskirchen gehen können – aber nicht als Pfarrerinnen und Pfarrer.

Studiengebühren und Stipendien

Wer wirklich in einer zweiten Karriere ins Pfarramt gehen will und sich auf das nebenberufliche Theologiestudium einlässt, sollte zumindest noch kurz die finanziellen Belastungen und Konsequenzen bedenken. In Marburg sind pro Semester 750 Euro Studiengebühr plus rund 320 Euro Semesterbeitrag fällig, dazu kommen Zimmer und Verpflegung in Hofgeismar plus Bücher, macht zusammen gut 10.000 Euro für das gesamte Studium. Die Uni kann einen Sozialnachlass auf die Studiengebühren gewähren. Wer sich schon vorab für den Dienst in Kurhessen-Waldeck verpflichtet, kann ein Stipendium beantragen: Die Landeskirche erstattet dann die Studiengebühren. In Heidelberg zahlen Quereinsteiger pro Semester 850 Euro im Vollzeitstudiengang und 425 Euro im Teilzeitstudiengang, dazu kommen natürlich auch hier Bücher und, je nach Wohnort, Miet- und Pendelkosten.

Ist das alles geschafft, müssen sich frühere Besserverdiener auf einen niedrigeren Lebensstandard einstellen, jedenfalls in den ersten zwei Jahren: Vikarinnen und Vikare bekommen – je nach Landeskirche – Grundbezüge von 1.200 bis 1.300 Euro plus Zulagen für Kinder und Zuschüsse zum Beispiel zur Miete oder für den Talar. Pfarrerinnen und Pfarrer werden in Anlehnung an das Gymnasiallehramt im jeweiligen Bundesland bezahlt, also nach Besoldungsgruppe A 13. Das sind zum Beispiel rund 3500 Euro brutto in Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern und rund 3900 Euro in Bayern, Hessen, Hamburg, Bremen oder Nordrhein-Westfalen. In etwas mehr als der Hälfte der Gliedkirchen steigt das Pfarrergehalt nach längerer Dienstzeit auf A 14.

Anne Kampf (evangelisch.de)