Segen „to go“ vorm Supermarkt

Pfarrer Helmut Benedens bringt mit dem Fahrrad die Kirche zu den Menschen

Pfarrer Helmut Benedens mit seiner mobilen Kirche

Pfarrer Helmut Benedens bringt die mobile Kirche vor den Supermarkt, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. 

Ein Freitagnachmittag vor dem einzigen Supermarkt im Solinger Stadtteil Gräfrath-Ketzberg, gefühlte 30 Grad. Helmut Benedens nimmt seinen Fahrradhelm ab, wischt sich den Schweiß von der Stirn und beginnt, seinen Altar aufzubauen. Ein Klapptisch, darauf ein violettes Samt-Tuch, eine Bibel, ein Holzkreuz: Fertig ist die „mobile Kirche“. Der Ketzberger Pfarrer hat soeben mit seinem Lastenfahrrad die 45. Station eines ehrgeizigen Projektes angesteuert: Im 150. Jubiläumsjahr seiner Kirchengemeinde will er von Mai bis Oktober ebenso viele Kurz-Gottesdienste halten – an 150 ungewöhnlichen Orten in Solingen.

Die evangelische Kirchengemeinde Ketzberg wurde 1868 gegründet und hat heute 2.650 Mitglieder. Helmut Benedens ist seit 23 Jahren Pfarrer in Ketzberg. Auf die Idee zur mobilen Kirche brachte ihn ein Kollege aus dem Hunsrück, der die Ladefläche eines Lkw zum Altarraum umgebaut hat und damit über die Dörfer fährt. Im rheinischen Heinsberg gibt es ebenfalls eine mobile Christuskirche, die Gemeindemitglieder in den zum Teil weit verstreiten Stadtteilen besucht.

Auch der Ketzberger Pfarrer Benedens will nicht darauf warten, dass die Leute zur Kirche kommen, sondern dort Gottesdienst feiern, wo die Menschen sind: im Einkaufszentrum, im Botanischen Garten, auf einem Kinderspielplatz und im Tierpark. Oder eben vor dem Supermarkt in Ketzberg, wo der evangelische Pfarrer ein Heimspiel hat.

„Hallo Wilma, wie war der Urlaub?“, grüßt Benedens eine Passantin. Die Frau stellt ihre volle Einkaufstasche ab und lässt sich ein Liederbuch in die Hand drücken. Die Gitarre ist noch im „Kofferraum“ des rustikalen Lastenfahrrades verstaut. Für den Pfarrer ist es auch kein Problem, ein seelsorgerliches Gespräch zwischen Zwetschgen- und Melonenkisten zu führen. „Wie, dein Auto wurde abgeschleppt?“ fragt Benedens mitfühlend ein Gemeindemitglied, das ihm sein Leid klagt. Wer existenziellere Sorgen hat, wird von ihm auch schon mal an andere Fachleute verwiesen.

„Manchmal ist es gut, einfach nur präsent zu sein“, hat der Pfarrer erlebt. Beispielsweise wenn Passanten auf ihn zukommen mit den Worten: „Gut, dass ich heute einen Pfarrer treffe!“ Eher misstrauisch ist dagegen ein grauhaariger Herr, der sich an den provisorischen Altar heranpirscht.„"Was verkaufen Sie denn?“ fragt er Benedens. „Nix“, erwidert dieser freundlich. „Ich bin der Pfarrer der Ortsgemeinde und möchte Kirche sichtbar machen.“ Er drückt dem Passanten ein Kärtchen in die Hand: Segen „to go“.

„Am Anfang hatte ich ganz schön viel Herzklopfen“

Statt Talar trägt der Theologe Jeans, Sandalen und ein rotes Hemd, auf dem ein Holzkreuz baumelt. Früher hätte er nicht gedacht, dass er mal auf diese Weise seinen Glauben öffentlich machen würde. „Am Anfang hatte ich ganz schön viel Herzklopfen“, gibt er zu. Doch dann stellte er fest, dass diese Art der Mission ihm mehr liegt, als er vermutet hätte. Viele Passanten, auch Muslime, reagierten positiv auf seine mobile Kirche, berichtet Benedens. Schmunzelnd erzählt er von Freikirchlern, die ihn begeistert angesprochen hätten mit den Worten: „Eigentlich ist das ja unser Job!“

Zwei bis drei Mal pro Woche ist Helmut Benedens mit der mobilen Kirche unterwegs und hält Kurz-Andachten. Heute geht es um den Wochenspruch aus Jesaja 43,1. Darin sage Gott zu den Menschen im Exil: „Fürchtet euch nicht“, erklärt der Theologe. Sicher hätte er noch gern einen politischen Bogen in die heutige Zeit geschlagen, wenn sich nicht just in diesem Moment eine Gruppe Kinder nähern würde.

Die Jungen und Mädchen stürzen sich sofort auf die ausliegenden Gummibärchen. Nachdem alle auch noch einen Reflektor in Form der Ketzberger Kirche erhalten haben, ziehen sie fröhlich ihrer Wege. Benedens spricht noch ein Gebet und den Segen. „Ich habe keine Angst, allein zu singen“, erklärt der Pfarrer, der für sein Gitarrespiel auch schon mal eine Münze in sein Spendenschwein bekommt. „Ich möchte nur nicht ins Leere predigen.“

Stefanie Mergehenn (epd)