Staatsleistungen − was Sie dazu wissen müssen

Antworten auf die wichtigsten Fragen

Warum bekommt die Kirche Geld vom Staat? Ist das noch zeitgemäß? Wie steht es um die Ablösung dieser Staatsleistungen? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen haben wir hier für Sie gebündelt.

>Grundsätzliches

>Die Ablösung der Staatsleistungen

>Aus Sicht der Kirche

>Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger

Grundsätzliches

Was sind Staatsleistungen?

Der Staat hat den Kirchen im Zuge der geschichtlichen Entwicklung − vor allem während der Reformationszeit und 1803 durch den sogenannten Reichsdeputationshauptschluss − viele Vermögenswerte entzogen, aus deren Erträgen sie sich zuvor finanzieren konnten. Deshalb erhalten die Kirchen Ersatzleistungen für die umfangreichen und nachwirkenden Verluste, die historisch begründet sind. Dabei geht es nicht um „Privilegien“.

Staatsleistungen im Sinne des Grundgesetzes sind demnach alle staatlichen Zuwendungen von vermögenswerten Vorteilen, die zum Stichtag des 14. August 1919 − dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung − bestanden, auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhen und als Ausgleichsleistungen für erlittene, staatlich veranlasste Vermögensverluste anzusehen sind. Staatsleistungen sind wiederkehrende Leistungspflichten und nicht Einmalzahlungen.

Was sind keine Staatsleistungen?

Der Staat ist zu vielen Aufgaben der Daseinsvorsorge verpflichtet. Dazu zählen zum Beispiel Kindertageseinrichtungen, Krankenhäuser, Alten- und Pflegeeinrichtungen, Behinderteneinrichtungen und Beratungsstellen. Im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips überträgt der Staat seine Aufgaben aber in Teilen an andere Träger, darunter auch an Kirchen und kirchliche Verbände. Dafür übernimmt der Staat einen Teil der Kosten.

Die Träger, also auch die Kirchen, finanzieren einen wesentlichen Anteil an den Kosten aus eigenen Mitteln und subventionieren so den Staat, der anderenfalls die kompletten Kosten tragen müsste. Der Eigenbeitrag der Kirche zum Betrieb solcher Einrichtungen stellt eine erhebliche Entlastung der öffentlichen Haushalte und eine Leistung der Kirchenmitglieder an die Allgemeinheit dar.

Unabhängig von den Staatsleistungen im Sinne des Grundgesetzes und von Refinanzierungen im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips unterstützt der Staat die Arbeit aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen. Dazu zählen neben der evangelischen und der katholischen Kirche auch die jüdischen Religionsgemeinschaften und humanistische Verbände. Als Beispiele für diese unmittelbaren Fördermaßnahmen können etwa die finanziellen Unterstützungen für das Reformationsjubiläum und die Kirchentage genannt werden.

Wie hoch sind die Staatsleistungen?

Staatskirchenverträge zwischen den Bundesländern und den Kirchen regeln die jeweilige Höhe der Staatsleistungen. Im Jahr 2021 machten die Staatsleistungen bei einem Haushaltsvolumen von insgesamt zirka 14,5 Milliarden Euro rund 320 Millionen Euro aus. Das waren somit auf den ganzen Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bezogen etwa 2,2 Prozent.

Allerdings macht in manchen Landeskirchen der Anteil der Staatsleistungen am jeweiligen Haushalt mehr als 10 Prozent, in Einzelfällen sogar mehr als 20 Prozent, aus. Ein Wegfall dieser Einnahmen, der nicht entschädigt wird, würde einzelne Regionen also empfindlich treffen, weil den kirchlichen Haushalten Mittel entzogen werden, die sonst für die Arbeit der Kirchen in der Gesellschaft eingesetzt werden.

Was macht die Kirche mit den Staatsleistungen?

Die Staatsleistungen fließen in die Gesamthaushalte der Kirchen ein. Dadurch werden einerseits die Kosten, besonders auch die Personalkosten, für kirchliche Angebote wie Gottesdienste, Taufen, Beerdigungen oder Trauungen finanziert. Andererseits fließen diese Mittel in Einrichtungen und Dienste der evangelischen Kirche, die Angebote für alle Bürger machen – unabhängig davon, ob sie der Kirche angehören oder nicht. Das gilt insbesondere in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Seelsorge, Jugendarbeit, Bildung und Kultur. Diese Angebote werden oftmals über Subventionen durch den Staat mitfinanziert (siehe oben).

Die Ablösung der Staatsleistungen

Warum soll in Zukunft Schluss sein mit den Staatsleistungen?

Im Grundgesetz (Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 138 Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung) wird der Staat beauftragt, die laufenden Staatsleistungen abzulösen, sie also gegen eine Entschädigung aufzuheben. Die evangelische Kirche begrüßt diese geplante Ablösung der Staatsleistungen und beteiligt sich an den Überlegungen des Bundes, der zur Vorbereitung dieses Vorhabens ein Grundsätzegesetz erlassen muss.

Wie ist das Verfahren auf dem Weg zur Ablösung?

Das Grundgesetz verlangt, dass die Bundesregierung Grundsätze für die Ablösung der Staatsleistungen formuliert und damit den rechtlichen Rahmen setzt. Deshalb hat die Ampel-Koalition in die Koalitionsvereinbarung das Vorhaben aufgenommen, „in einem Grundsätzegesetz im Dialog mit den Ländern und den Kirchen einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen“ zu schaffen. Dazu werden aktuell intensive und vertrauensvolle Gespräche des federführenden Bundesinnenministeriums mit den Ländern und den Kirchen geführt. Die konkreten Vereinbarungen sind dann zwischen den Bundesländern und den Landeskirchen bzw. Diözesen zu treffen.

Welches Ziel verfolgt die evangelische Kirche bei der Ablösung?

Die Kirchen möchten auch künftig ihre Aufgaben erfüllen, die sie bisher mit Hilfe der Staatsleistungen finanzieren. Dazu zählen zum Beispiel ihre seelsorglichen, sozialen und gesellschaftlichen Leistungen. Daher halten sie einen Wertersatz nach dem Äquivalenzprinzip für richtig. Äquivalenz meint, dass die Ablösung so hoch sein muss, dass eine dauerhafte finanzielle Deckung der kirchlichen Arbeit gesichert ist, die bisher durch die Staatsleistungen ermöglicht wurde. Denn das ursprünglich enteignete Vermögen steht als Ertragsbasis für diese Aufgaben eben nicht mehr zur Verfügung.

Aus Sicht der Kirche

Was sind aus Sicht der Kirche akzeptable Möglichkeiten, die Staatsleistungen zu beenden?

Entscheidend ist, dass die Kirchen weiterhin ihre seelsorglichen und ihre sozialen und gesellschaftlichen Leistungen erbringen können. In diesem Sinne setzen sie auf eine Ablösung, die es auch künftig ermöglicht, diese Aufgaben zu erfüllen. Deshalb treten sie für eine Ablösung nach dem Äquivalenzprinzip ein, also für eine Entschädigung durch vollen Wertersatz. Um dies sicherzustellen und darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Haushalte der Länder nicht überfordert werden, sind unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten vorstellbar.

Das vom Bund jetzt zu erlassende Gesetz muss dafür einen Rahmen setzen, der den unterschiedlichen Situationen in den Ländern Rechnung trägt. Die Vornahme einer nach einem Faktor errechneten Einmalzahlung ist dabei eine zwar denkbare, aber weder von Ländern noch von den Kirchen bevorzugte Lösung.

Wie kann eine Kirchenfinanzierung ohne Staatsleistungen aussehen?

Wenn es gelingt, bei der Ablösung der Staatsleistungen einen Wertersatz nach dem Äquivalenzprinzip zu erzielen, ist eine dauerhafte finanzielle Deckung der kirchlichen Arbeit gesichert, die bisher durch die Staatsleistungen ermöglicht wurde.

Warum benötigt die Kirche Staatsleistungen? Sie ist doch reich.

Richtig ist: Die Kirche ist „steinreich“, also reich an Gebäuden, zu denen in besonderer Weise Kirchen und Gemeindehäuser gehören. Sie lassen sich jedoch nur sehr selten veräußern und steigern deshalb nicht die Liquidität der Kirche. Im Gegenteil: Die Unterhaltung der kirchlichen Gebäude ist häufig ein finanzieller Kraftakt, der die Kirchen in besonderer Weise fordert.

Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger

Weniger als die Hälfte der Deutschen ist noch Mitglied in einer der beiden großen Kirchen. Sind Staatsleistungen überhaupt noch berechtigt?

Im Vergleich zu anderen Interessengruppen in der Gesellschaft sind die Kirchen immer noch sehr groß und stechen zahlenmäßig deutlich heraus. Dennoch: Ausschlaggebend für die Staatsleistungen ist nicht die Zahl der Mitglieder, sondern die Tatsache, dass der Staat den Kirchen im Zuge der geschichtlichen Entwicklung (vor allem während der Reformationszeit und 1803 durch den sogenannten Reichsdeputationshauptschluss) viele Vermögenswerte entzogen hat, aus deren Erträgen sie sich vorher finanzieren konnten. Bislang dienen die − übrigens bereits pauschalierten − Staatsleistungen dazu, diesen Verlust der regelmäßigen Erträge auszugleichen.

Hinzu kommt, dass die Kirchen ihren Auftrag für die gesamte Gesellschaft wahrnehmen und damit eben nicht nur für ihre Mitglieder. Auch hierfür werden diese Gelder – wie auch das weitere Vermögen der Kirchen – eingesetzt. Bei sinkenden Mitgliederzahlen sind die Kirchen folglich umso mehr auf die Erfüllung der Staatsleistungsverpflichtungen angewiesen.

Warum muss ich über die Staatsleistungen die Kirche mitfinanzieren, auch wenn ich aus der Kirche ausgetreten bin?

Staatsleistungen sind im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verankert. Der Staat ist dazu verpflichtet, den Kirchen Staatsleistungen zu zahlen. Und zwar so lange, bis sie abgelöst sind. Rechtsgrundlage für die Staatsleistung ist altes Recht, das bis zur endgültigen Ablösung der Staatsleistungen durch Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 138 Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung gewährleistet wird. Da es also um Schulden des Staates geht, finanzieren auf diese Weise alle Personen die Kirchen mit, auch wenn sie selbst aus der Kirche ausgetreten sind.

Die Kirchen haben lange genug Geld vom Staat bekommen. Warum fordern sie jetzt – im Kontext der Ablösung – noch mehr Geld ein? Ist es nicht endlich mal genug?

Würden die Staatsleistungen jetzt eingestellt, ohne dass es eine Entschädigung mit vollem Wertersatz gibt, wären zahlreiche Angebote der Kirchen fortan nicht mehr finanzierbar. Auch solche nicht, die der Allgemeinheit zugutekommen. Zwar werden Krankenhäuser, Kindertageseinrichtungen, Beratungsstellen sowie Alten- und Pflegeeinrichtungen in hohem Maße durch den Staat refinanziert. Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass kirchliche Träger dann den Eigenanteil zum Betrieb dieser Einrichtungen und Angebote nicht mehr aufbringen können.

Im Übrigen: Auch wenn man viele Jahre Miete für eine Wohnung bezahlt hat, gehört sie einem dennoch nicht. Der Vermieter hingegen ist weiterhin auf Miete angewiesen – zum Beispiel, um den Bestand des Gebäudes zu sichern.

 

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