Menschenwürdiges Leben für alle gewährleisten

Stellungnahme für einen nachhaltigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft beim Neustart nach dem Lockdown veröffentlicht

Hände halten Pflanze mit Erde

Angesichts des Corona-Lockdowns werden Stimmen laut, die darüber nachdenken wollen, wie die Ökonomien und Gesellschaften in Zukunft resilienter und nachhaltiger gestaltet werden können. Auch Vertreterinnen und Vertreter der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nennen Kriterien für einen zukunftsfähigen Umbau der Wirtschaft.

Angesichts der aktuellen Corona-Pandemie haben Prof. Hans Diefenbacher, Umweltbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Ruth Gütter, Referentin für Fragen der Nachhaltigkeit im Kirchenamt der EKD, sowie Oliver Foltin und Volker Teichert von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e. V. (FEST) eine Stellungnahme verfasst, die sich mit der Frage beschäftigt, wie jetzt der Klimaschutz gestärkt und die umfangreichen staatlichen Hilfen für einen nachhaltigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft beim Neustart nach dem Lock down genutzt werden können. 

Die Stellungnahme im Wortlaut:

Zukunftsfähiger Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft nach dem Lock Down

Die Corona-Pandemie hat unsere Welt verändert. Die Konsequenzen einer ungezähmten Ausbreitung des Virus waren und sind so lebensbedrohlich, dass viele Gesellschaften zunächst einmal Veränderungen und Einschränkungen ihres alltäglichen Lebens hinnehmen, die bislang nicht als vorstellbar galten. Dabei ist in den letzten Wochen deutlich geworden, dass von der Corona-Pandemie die ärmsten Länder und vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten am stärksten betroffen sind. Das hat die Coronakrise mit der Klimakrise gemeinsam.

Es ist absehbar, dass die Corona-Pandemie auch weiterhin das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben weltweit prägen und verändern wird. Nachdem in einigen europäischen Ländern die erste Infektionswelle langsam zurückgeht, beginnen nun dort die Debatten über die Wege zurück in eine neue „Normalität“.

Auf der einen Seite wird gefordert, die Wirtschaft möglichst schnell wieder hochzufahren mit dem Ziel, durch ein starkes Wirtschaftswachstum die Folgen einer drohenden Rezession auszugleichen.

Auf der anderen Seite gibt es Stimmen, die zu einer neuen Nachdenklichkeit mahnen. Sie raten, den Kairos zu nutzen, um darüber nachzudenken, wie die Ökonomien und Gesellschaften resilienter und nachhaltiger gestaltet werden können. Dazu gehört z.B. eine Priorisierung des Gesundheitswesens, ein bewusster Rückbau der Globalisierung durch den Erhalt und Wiederaufbau nationaler und regionaler Produktkapazitäten und ein konsequenter ökologischer Umbau der Wirtschaft.

Denn es hat sich in der Coronakrise gezeigt, dass die bisherige globale Wirtschaftsstruktur äußerst verletzbar ist. Ein Prüfstein für die milliardenschweren Rettungspakete sollte deshalb deren Beitrag zu einem zukunftsfähigen Umbau der Wirtschaft sein und sollte folgende Kriterien berücksichtigen:

  • eine stärkere Berücksichtigung der sozialen und ökologischen Folgekosten sowie eine Begrenzung der Globalisierung und eine deutliche Regionalisierung der Produktionsstrukturen;
  • die Beibehaltung der Maßnahmen aus dem Klimapaket vom Dezember 2019;
  • die Ausrichtung weiterer Förderprogramme für die Wirtschaft an den Notwendigkeiten von Klima- und Umweltschutz verbunden mit einem zukunftsfähigen Wirtschafts- und Konsumstil;
  • eine Stärkung der kommunalen und kirchlichen Klimaschutzaktivitäten im Gebäude-, Mobilitäts- und Energiebereich;
  • eine Intensivierung der Bemühungen zur Einsparung und zur effizienten Verwendung von Rohstoffen durch vermehrte Nutzung von Sekundärrohstoffen.

Die Normalität, zu der wir zurückkehren, sollte aus unserer Sicht eine andere sein als vor der Coronakrise. Wir sollten prüfen, wie eine Wirtschaft der Zukunft aussieht, die ein menschenwürdiges Leben für alle gewährleistet – auch für künftige Generationen – ohne die natürlichen Ressourcen weiter zu schädigen. Dafür setzen sich die evangelischen Kirchen seit vielen Jahren mit großem Engagement ein. Darin sollten wir nicht nachlassen. „Es ist höchste Zeit, dass die Menschheit Wege findet, innerhalb der ökologischen und sozialen Grenzen unseres Planeten zu leben. Ein weiter so geht nicht“ so heißt es in dem Impulspapier der EKD zur Agenda 2030 aus dem Jahr 2018.

Das gilt auch jetzt. Denn, genauso wie das Corona-Virus ist auch der Klimawandel für uns unsichtbar. Doch wir müssen den Klimaschutz genauso ernst nehmen wie das Virus, auch wenn uns die Klimafolgen erst zeitversetzt mit voller Härte treffen werden. Für die Bekämpfung des Klimawandels gibt es keinen Impfstoff, hier hilft nur ein konsequentes verantwortliches Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein zu spätes Handeln würde auch hier zu neuen und möglicherweise noch größeren Krisen führen.

Als Christen glauben wir: Umkehr ist möglich. Wir können anders leben – mit Gottes Hilfe.

Dr. Volker Teichert (FEST Heidelberg), Prof. Dr. Hans Diefenbacher (FEST Heidelberg und Umweltbeauftragter für den Rat der EKD), Dr. Oliver Foltin (FEST Heidelberg), Dr. Ruth Gütter, Referat Nachhaltigkeit der EKD

Stand: 30. April 2020