Grußwort zur Einweihung der Zentrale der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen

Irmgard Schwaetzer

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Bruder Pillay,
sehr geehrter Herr Generalsekretär, lieber Bruder Nyomi,
meine sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder,

die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen ist in Hannover angekommen und macht diese Stadt, die, was weltliche Qualitäten angeht, eher nüchtern ist, zu einem religiösen Zentrum. Damit wird einmal mehr deutlich, dass Protestantismus Vielfalt bedeutet – Kirche, die aus der Gemeinschaft der Glaubenden mit unterschiedlichen Frömmigkeitsstilen und unterschiedlicher Betonung der Glaubensinhalte wächst. Damit wird deutlich, dass auch in unserer religiös pluralen – und immer pluraler und säkularer werdenden – Welt unterschiedliche Kirchenbünde folgerichtig sind. Was also ist der "Mehrwert" des Neben- und Miteinanders von EKD, VELKD und UEK, von ÖRK, LWB und WGRK?

Eine interessante Antwort gibt der Gründungsaufruf des Reformierten Bundes Deutschland aus den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Ziel des Reformierten Bundes in Deutschland ist es laut diesem Aufruf: "die Gaben zu pflegen, welche unserer Kirche von dem Herrn anvertraut sind, und ein engeres Band der Gemeinschaft unter uns zu knüpfen" – so weit, so erwartbar – interessant aber ist die Fortsetzung und Begründung dieses Zieles: "und glauben wir, dass wir bei der Wahrung und Pflege dessen, was wir empfangen haben, den Brüdern [und Schwestern] anderen evangelischen Bekenntnisses besser dienen und das Band des Friedens mit ihnen inniger halten können, als bei dem Aufgeben der uns anvertrauten Güter" – so heißt es dort weiter.

Die Beibehaltung von Eigenheiten und die Wahrung der eigenen Erkennbarkeit stärken die Fähigkeit zur Einheit und zum Dialog – das ist die Grundüberzeugung, die hinter der Gründung des Reformierten Bundes in Deutschland und auch hinter der Pflege reformierten Erbes in der Welt steht. Die Beschäftigung mit der Theologie ist daher die Basis der Arbeit in der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen. So wurde es wieder deutlich in den Feiern zum Jubiläum des Heidelberger Katechismus im vergangenen Jahr.

Die Evangelische Kirche in Deutschland wie auch die konfessionellen Bünde VELKD und UEK beschäftigen sich aktuell sehr intensiv damit, wie in Deutschland diese Verbindung unter den evangelischen Geschwistern unterschiedlicher Konfession stärker und tragfähiger werden kann. Wir sind der Überzeugung: Pluralität ist kein Schaden, sondern eine Bereicherung. "Versöhnte Verschiedenheit" ist ein Modell, das über unsere Kirchen hinaus auch in Europa und in der Welt das Miteinander von Völkern, Nationen, Ethnien und Religionen beschreiben kann und sollte.

Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen bringt in diese "bunte Vielfalt" – die im Übrigen auch innerhalb der WGRK sichtbar ist – eine ganz eigene liturgische, theologische und ekklesiologische Farbe ein. Aus Verpflichtung zu und in immer neuer Auseinandersetzung mit ihrer Tradition ist es ihr ein Anliegen, unser Miteinander und auch unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten. Auf diesem Hintergrund steht die dezidiert friedensethische Ausrichtung der reformierten Kirchen, das klare Nein zu Gewaltanwendung und Krieg als Mittel der Politik, aber auch die Aufgabenagenda, die Sie sich während der Jahrestagung des Exekutivausschusses in Ghana im Mai letzten Jahres gesetzt haben: eine Antwort der Kirchen zum Problem des Menschenhandels; die Förderung respektvoller, gewaltloser Beziehungen zwischen Männern und Frauen; und die Weiterarbeit an Projekten zur Veränderung des weltweiten Finanzsystems.

À propos Finanzsystem – auch der Umzug von Genf nach Hannover hatte ja zunächst ganz profane, finanzielle Gründe. Aber vielleicht – ja, hoffentlich – werden bald auch viele positive, inhaltliche "Nebeneffekte" Ihres Umzugs sichtbar. Die EKD jedenfalls freut sich, mit der Zentrale der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen einen internationalen kirchlichen "Big Player" in so unmittelbarer Nähe zu haben. Wir hoffen und freuen uns auf einen regen Austausch und Dialog, wir freuen uns auf Ihre Mitwirkung am und Ihren Beitrag zum Reformationsjubiläum 2017 und laden Sie herzlich ein, im Leitungskreis mitzuwirken und wir wollen – ganz im Sinne des eingangs zitierten Gründungsaufrufes – gern gemeinsam "die Gaben … pflegen" und "ein engeres Band der Gemeinschaft unter uns … knüpfen".

Herzlich willkommen in Hannover!