Demokratie braucht Tugenden

Gemeinsames Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur Zukunft unseres demokratischen Gemeinwesens, Gemeinsame Texte Nr. 19, November 2006

4. Orientierungen für eine politische Tugendlehre aus christlicher Perspektive

Politisch gehandelt wird in der Demokratie in unterschiedlichen Verantwortlichkeiten. Für jede dieser Rollen gelten spezifische Verhaltenserwartungen. Gemeinsam ist allen, dass politisches Handeln immer, wenn auch in unterschiedlicher, gestufter Weise, das Wohl der Gesamtheit zu bedenken hat. Gemeinsam ist den Verhaltenserwartungen an die verschiedenen Gruppen auch, dass sie nicht isoliert, sondern in ihrer Beziehung zueinander betrachtet werden müssen. Schon dieser Verflechtung wegen ist es ganz unangemessen, immer nur „die Politiker“ an den Pranger zu stellen. Nicht nur sie, sondern alle Handelnden – und Handlungsfähigen – stehen für das Gelingen der Demokratie in der Pflicht. Alle müssen über die Grenzen ihrer jeweiligen Rollen hinaus sehen und denken. Auch in ihrer Reaktion auf das Verhalten von Menschen in anderen Rollen, müssen sie verantwortungsvoll handeln. Dem Gemeinwohl zu dienen, obliegt allen. Gerechtigkeit und Solidarität zu üben, muss ein gemeinsames Anliegen aller Demokraten in ihren verschiedenen Aufgaben sein.

Von mindestens vier Hauptgruppen von Akteuren im politischen Prozess der Demokratie wird hier die Rede sein: den Bürgerinnen und Bürgern im Allgemeinen und als Wählerinnen und Wählern im Besonderen (4.1); den Politikerinnen und Politikern, die Wahlämter anstreben oder innehaben (4.2); den Journalistinnen und Journalisten, denen also, die die Öffentlichkeit der Politik herstellen und damit in gewissem Sinn zwischen Bürgern und Politikern stehen (4.3); und denen, die – auf der Ebene von Verbänden – als Repräsentanten spezifischer Interessen auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen versuchen (4.4). Natürlich gibt es in der Demokratie mehr politische Rollen als diese vier. Aber in ihnen ist der demokratische politische Prozess doch wesentlich erfasst.


4.1 Verhaltenserwartungen an die Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen und die Wählerinnen und Wähler im Besonderen

Das Wort „Bürger“ war einmal Ausdruck von Selbstbewusstsein und sollte es wieder sein. Die politische Philosophie im antiken Griechenland nannte so die Mitglieder der Polis, der Gemeinschaft von Freien und Gleichen unter der Herrschaft des Rechts, der bürgerlichen Gesellschaft. Das Gegenbild zum Bürger ist der Untertan, der im besseren Falle unter einem väterlichen König, im schlimmeren unter einem despotischen Tyrannen unfrei und unmündig gehalten wird. Im 20. Jahrhundert haben zwei Diktaturen auf deutschem Boden die bürgerliche Gesellschaft im Namen eines angeblich Besseren bekämpft, tatsächlich jedoch Recht und Freiheit mit Füßen getreten.

Inzwischen wird die Bürgergesellschaft (civil society) wieder geschätzt. Sie steht für jene Sphäre politischer und medialer Öffentlichkeit, die sich in modernen Gesellschaften zwischen Staat und Wirtschaft einerseits und der privaten Lebenswelt andererseits gebildet hat. Sie wird von einer Vielzahl eigenständiger nicht-staatlicher und nicht-ökonomischer Vereinigungen, sozialer Bewegungen, Gruppen, Verbände und Initiativen genutzt für die Darstellung und Diskussion von Angelegenheiten allgemeinen Interesses. Das Entstehen dieser Sphäre ist das Ergebnis einer Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften. Diese hat nicht nur gesellschaftliche Teilbereiche hervorgebracht, die nach dem Gesetz der Arbeitsteilung je für sich auf die Erfüllung gesamtgesellschaftlich bedeutsamer Grundfunktionen spezialisiert sind (z. B. Wirtschaft, Wissenschaft, Medizin, Medien, Bildung). Es hat auch eine Differenzierung der verschiedenen Ebenen und Sphären des gesellschaftlichen Lebens stattgefunden. Die unterschiedlichsten Akteure haben und nutzen die Chance, Öffentlichkeitsarbeit zu Problemen zu leisten, die in der Lebenswelt der Menschen konkret von Bedeutung werden, aber dahinter liegende strukturelle Ursachen haben (z. B. Arbeitslosigkeit) oder die Grundwerte und Normen mit Bedeutung für das soziale Ganze berühren. Die Bürgerinnen und Bürger treten dabei mit ihren Interessen und Wertungen aus der Privatsphäre heraus und bemühen sich im Vorfeld institutionalisierter, demokratischer Entscheidungsprozesse um allgemeine Anerkennung für ihre Anliegen. Für die Lebendigkeit eines demokratischen Gemeinwesens sind sie von großer Bedeutung. Eine liberale Demokratie hat nur Bestand, wenn sie für die Freiheiten, die sie verbürgt, und für die Sicherung ihrer Erhaltungsbedingungen auf nicht-staatliche Ressourcen zurückgreifen kann.

Was ist von Bürgerinnen und Bürgern zu erwarten? Nach Aristoteles (384–322 v. Chr.) besteht die Tugend des Bürgers darin, Freie und Gleiche regieren zu können und sich von ihnen regieren zu lassen. Das gilt noch immer. Dies verlangt, nach den anerkannten Regeln der Zuständigkeit (Verfassung) zu verfahren und in politischen Fragen zu überzeugen statt zu zwingen. Am schwersten zu ertragen ist es, überstimmt zu werden und dennoch den Mehrheitsbeschluss gelten zu lassen, wiewohl Mehrheit und Wahrheit zweierlei sind.
Von den Bürgerinnen und Bürgern ist aber noch mehr zu erwarten:

  • Dass sie sich nach Kräften um die Angelegenheiten kümmern, die sie selbst und diejenigen betreffen, für die sie Verantwortung tragen, und dass sie Hilfe, wie es die christliche Sozialethik im Subsidiaritätsprinzip ausformuliert hat, erst dann beanspruchen, wenn sie sich tatsächlich nicht selbst helfen können. Dann allerdings soll sie ihnen auch zur Verfügung stehen. Die Bürgerinnen und Bürger machen sich jedoch selbst zu Untertanen, wenn sie von einem „Vater Staat“ fordern, sie rundum zu versorgen. Ihr Gewissen und ihre Selbstachtung sollten ihnen verbieten, sich staatliche Leistungen zu verschaffen, die ihnen nicht zugedacht sind oder gar nicht einmal zustehen. Denn was der Staat verteilt, ist in Wahrheit immer das Geld der Bürgerinnen und Bürger. Ebenso sind das Entziehen von Steuern durch Steuerflucht und Steuerbetrug schwerwiegende Schädigungen der Solidarität.

  • Dass sie die Wechselseitigkeit der Rechte und Pflichten akzeptieren (die Goldene Regel: „Was ihr wollt, das euch die Leute tun, das tut ihnen auch.“ Mt 7,12) und sich nach ihren Möglichkeiten um das Wohl ihrer Mitmenschen und ihres Gemeinwesens bemühen, statt sich als bloße Nutznießer der Leistungen anderer Vorteile zu verschaffen.

  • Und dass sie sich für die gemeinsamen Angelegenheiten interessieren, also bereit sind, sich zu informieren und zu engagieren, zumal am eigenen Ort, statt „den Staat“ oder „die Gesellschaft“ bloß als fremde oder gar feindliche Macht zu sehen. Hierzu gehört nicht nur, dass sie Solidarität in der Familie, in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis zeigen, sondern hierzu zählt auch die Übernahme der Pflichten gegenüber der eigenen Gesellschaft und der Weltgesellschaft. Ohne Zivilcourage ist solches Engagement kaum möglich, ohne die Bereitschaft zur Verständigung mit Anderen – etwa für gemeinsame Bürgerinitiativen – bleibt es oft schwach und zumeist erfolglos.

Auf die Frage nach der Größe eines Gemeinwesens (Polis) hat Aristoteles die Auskunft gegeben, mehr als fünftausend Bürger seien widersinnig, weil sie sich dann nicht mehr persönlich kennen, also auch nicht angemessen wählen und richten können. Eine solche Form direkter Demokratie, bei der die früher leibhaftige Versammlung der Bürger alle wichtigen politischen Fragen entschied, ist tatsächlich in einer Massengesellschaft undurchführbar. Deshalb muss es Volksvertreter geben, die vom Volk auf Zeit gewählt werden und an seiner statt entscheiden. Dies meint der Begriff „repräsentative Demokratie“. Da sich das Feld des Politischen enorm ausdifferenziert hat, müssen sich diese in einzelne Politikbereiche einarbeiten und in größeren Gebieten Politik als Beruf ausüben. Daraus ergibt sich unvermeidlich eine Distanz zwischen der Welt der Politik und der Alltagswelt der Bürgerinnen und Bürger mit der Gefahr der Entfremdung zwischen Wählenden und Gewählten. Dagegen können beide Seiten etwas tun: die Politikerinnen und Politiker, indem sie es verstehen, im Gespräch mit den Bürgern zuzuhören und hinreichend gründlich zu erklären, was sie tun, und die Wählerinnen und Wähler, indem sie regelmäßig solche Erklärungen von ihren Abgeordneten fordern und aufnehmen. Gänzlich überbrücken lässt sich diese Distanz aber nicht.

Der Vorwurf „wir werden ja gar nicht gefragt“ wird aber oft leichtfertig erhoben. Und an die Forderung nach direkter Demokratie knüpfen sich zum Teil illusionäre Erwartungen. Das Volk, also die Gesamtheit der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger, kann in einer Massengesellschaft zwar eine vorgelegte Frage entscheiden, aber weder beraten noch den zur Entscheidung vorgelegten Text nach Anhörungen sachgerecht und kompromissgeeignet umformulieren. Das ist nur im Parlament und in seinen Ausschüssen möglich. Große Macht liegt deshalb bei Volksentscheiden bei denjenigen, die die Frage vorlegen und das Potenzial zur Mobilisierung haben. Auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass in einzelnen Bereichen plebiszitäre Elemente die parlamentarische Praxis ergänzen können, wird es deshalb grundsätzlich bei der Entscheidung für die repräsentative Demokratie bleiben müssen.

Vor diesem Hintergrund ist das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die Gewählten, in ihre Kompetenz und ihre guten Absichten, das Rückgrat der Demokratie. Mit diesem hohen Gut müssen beide, die Gewählten und die Wähler, sorgsam umgehen. Die Gewählten dürfen es nicht durch ihr Verhalten aufs Spiel setzen. Aber die Wählerinnen und Wähler dürfen es ihnen auch nicht leichtfertig verweigern, etwa durch das Pauschalurteil, dass „die da oben“ doch nur ihre eigenen Interessen verfolgen oder durch einen Aberglauben an die Allmacht der Politik, der die Politiker für alle Probleme verantwortlich macht, um dann zu folgern: die könnten, wenn sie wollten, also wollen sie nicht. Die Bürgerinnen und Bürger sollten Politikern das Vertrauen entziehen, wenn es gewichtige Gründe gibt, nicht aber bereits in einer ersten Aufwallung von Ärger und Enttäuschung. Für die oft beklagte Politikverdrossenheit sind nicht nur die Politikerinnen und Politiker verantwortlich, sondern oft auch die Verdrossenen, die schnell aburteilen, weil sie nicht all ihre Wünsche erfüllt sehen und nicht bereit sind, nachzuvollziehen, wie kompliziert die Probleme oft sind, mit denen die Politiker zu tun haben. Wer größeren Einfluss, also mehr als eine Stimme haben will, muss andere für seine Ziele gewinnen oder sich wählen lassen.

Weil die Bürger neben den gemeinsamen auch verschiedene, wohl gar entgegengesetzte Überzeugungen, Interessen und Prioritäten vertreten, gibt es Parteien. Historisch gesehen sind sie wohl unter anderem aus den Fraktionen der Volksvertretung hervorgegangen, in denen sich die Abgeordneten mit gemeinsamen Zielen zusammengetan haben. In der Gegenwart „wirken [sie] bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“ (Art. 21 Grundgesetz = GG). Sie nominieren Kandidaten für die Wahlen und stehen für deren Eignung und Orientierung ein. In einer unübersichtlichen Großgesellschaft sind sie unentbehrlich.

Oft hört man: „die Partei, die ich wählen könnte, gibt es nicht.“ Wer so redet, läuft Gefahr, sich der Wirklichkeit zu verweigern. Es wird nie die Partei geben, die allen seinen Wünschen entspricht, aber immer eine, die ihnen näher kommt als andere. Darüber hinaus steht es jedem frei, eine neue Partei zu gründen, wenn er genügend Gleichgesinnte findet. Besonders auf der Ebene der Gemeinden gibt es Beispiele dafür, dass auch neue Bürgerinitiativen in die Kommunalvertretungen gewählt werden.

Weit verbreitet ist die Abneigung gegenüber dem sogenannten Parteiengezänk. Es gehört aber zu den Aufgaben der Parteien, ihre unterschiedlichen Auffassungen und Lösungsansätze entschieden und auch streitig darzustellen, namentlich in den öffentlichen Parlamentsdebatten. Die sachliche Detailarbeit des Parlaments vollzieht sich ohnehin zumeist nicht im Plenum, sondern in den Ausschüssen. Und es gehört zu den schlimmen Erfahrungen in Diktaturen, dass die öffentlich demonstrierte Einmütigkeit in Wahrheit erzwungen ist. Sie führt zu Verblendung und Selbstverblendung und schließlich zur Zerstörung des Gemeinwesens. Wenn die frei gewählten Volksvertreter das Volk in seiner Gesamtheit vertreten, vertreten sie es auch in seinen Unterschieden. Allerdings sind sie gewählt worden, um eine handlungsfähige Regierung zustande zu bringen. Und dafür müssen sie auch über Parteigrenzen hinweg kooperationsbereit sein.

Das Wahlrecht ist das wichtigste Recht der Bürgerinnen und Bürger, dessen Bedeutung sie nicht selten unterschätzen. Wer sagt: „es ändert sich ja doch nichts“, übersieht, in welch hohem Maße die Parteien von ihren Wählern abhängig sind. Sie brauchen ihre Zustimmung. Es sind die Wähler, die die Spielräume der Parteien definieren. Kurzsichtige Wählerinnen und Wähler fördern kurzsichtige Politik. Wählerinnen und Wähler sollten für ihre politischen Entscheidungen nicht weniger Vernunft aufbringen, als sie es in ihren persönlichen Angelegenheiten tun: Als mündige Menschen wissen sie beispielsweise, dass sie nicht mehr ausgeben dürfen, als sie einnehmen. Sie wissen auch, dass gelegentlich Unangenehmes unvermeidbar ist, um Unangenehmeres zu vermeiden. Und wenn sie Kinder haben, interessiert sie deren Zukunft auch über ihre eigene Lebenszeit hinaus. Als Wähler neigen sie aber oft dazu, diese Umsicht der Mündigkeit zu unterbieten und denen ihre Stimme zu geben, die kurzfristige Wohltaten versprechen.

Trotzwähler, die ihre Stimmen einer Partei geben, obwohl sie ihr die Lösung der anstehenden Probleme gar nicht zutrauen, bloß um anderen Parteien einen Denkzettel zu erteilen, können sich damit als unmündig erweisen. Auch Wahlverweigerer, die nicht zur Wahl gehen, weil ihnen keine Partei hinreichend zusagt, richten letztlich nichts aus. Denn die Wahl findet trotzdem statt, allerdings ohne sie. Extremistische Parteien können von einer niedrigen Wahlbeteiligung profitieren. Mündige Bürgerinnen und Bürger dürfen deshalb die Demokratie gerade bei Wahlen nicht im Stich lassen.


4.2 Verhaltenserwartungen an die Politikerinnen und Politiker

Die Verhaltenserwartungen, mit denen das Gemeinwesen den gewählten Politikerinnen und Politikern ihr Amt anvertraut, formuliert im Kern die Verfassung selbst, in Art. 38 GG für die Abgeordneten und im Amtseid des Kanzlers und der Minister (Art. 56 GG in Verbindung mit Art. 64 Abs. 2). In Art. 38 Abs. 1 GG wird von den Abgeordneten gesagt, sie seien Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. In ihrem Amtseid schwören Bundeskanzler und Bundesminister, ihre Kraft dem Wohl des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden. Die dem Eid zumeist beigefügte religiöse Beteuerung unterstreicht die einer Gewissensentscheidung entsprechende hohe Ernsthaftigkeit der Selbstverpflichtung. In diesen Formeln konkretisiert sich der Grundsatz, dass auch die demokratische Verfassung eine Ämterverfassung ist und dass jedes Amt durch gemeinwohlbezogene Amtspflichten definiert ist. Die für Regierungsmitglieder zu Verfassungsrang erhobene, aber auch für jeden Abgeordneten gültige Pflicht, nach bestem Wissen und Gewissen das Wohl des Ganzen, das heißt, das Wohl aller von Entscheidungen wie Nichtentscheidungen Betroffenen zu verfolgen, deckt sich nicht einfach mit dem Interesse eines jeden Politikers, wiedernominiert und wiedergewählt zu werden. Das ist das einfache, aber elementare Dilemma, mit dem die gewählten Politikerinnen und Politiker in der Demokratie leben müssen. Wie sie in ihrer Mehrzahl mit dem Dilemma umgehen, ist entscheidend dafür, was freiheitliche Institutionen zu leisten vermögen.

Gemeinwohlorientierung auf der einen Seite und Orientierung an den Wünschen, Erwartungen, Befürchtungen und Sorgen der Wählerinnen und Wähler auf der anderen sind nicht einfach Gegensätze. Im Gegenteil. Für die Bestimmung dessen, was als Gemeinwohl angesehen werden kann, hat die Mitwirkung der Wähler eine Schlüsselbedeutung. Aber ihre Wünsche, Erwartungen, Befürchtungen dürfen nicht einfach als vorgegebene, unveränderliche Festlegung der Politik akzeptiert werden. Sie sind keine unübersteigbare, aus Umfragen sich ergebende Grenze des Handlungsspielraums der Politik. Sie entwickeln und verändern sich in der repräsentativen Demokratie im stetigen Dialog zwischen Repräsentanten und Repräsentierten. Zudem sind die Politiker notwendig auf ihr eigenes, verantwortliches Urteil verwiesen, wenn es darum geht, zwischen konkurrierenden Forderungen und Erwartungen auszugleichen und angesichts von Unvereinbarkeiten Entscheidungen zu treffen. Sie haben verantwortungsbewusst aus der Überfülle des Wünschbaren das Dringliche herauszufiltern und die legitimen Interessen derer mit zu bedenken, die als zahlenmäßig eher kleine Gruppen bei Wahlen kein großes Stimmgewicht haben, und auch und nicht zuletzt derer, die noch nicht wahlberechtigt oder noch nicht einmal geboren sind. Sie haben zu berücksichtigen, dass ein nur nationales Gemeinwohl nicht zu haben ist. Politische Vernunft wie Moral erfordern den Blick auch auf die Interessen und Nöte anderer Völker, auf das Weltgemeinwohl. Zudem lassen sich auch nur so die Belange der eigenen Bürger dauerhaft, weil verträglich auch für andere, wahren.

Die Politikerinnen und Politiker müssen stellvertretend für alle Bürgerinnen und Bürger entscheiden, was im Blick auf das Ganze geboten ist. Dabei kann der Konflikt zwischen ihrer Gemeinwohlverpflichtung und ihren politischen Überlebens- und Erfolgsinteressen entstehen. Er ist nach aller Erfahrung besonders wahrscheinlich, wenn es um die Belange der Zukunft geht. Das Gemeinwohl hat eine Zukunftsdimension, die oft gegen die Wählerinnen und Wähler hier und heute geltend gemacht werden muss. Die gewählten Politikerinnen und Politiker müssen auch Repräsentanten derer sein, die heute noch keine Stimme haben. Die Kirchen rufen sie dazu nicht nur auf, sie wollen sie darin auch unterstützen. Denn die, deren Stimmen gegenwärtig über ihre politische Zukunft entscheiden, machen ihnen das häufig besonders schwer.

So wenig Gemeinwohlorientierung und Orientierung an den Wählerinnen und Wählern unausweichlich Gegensätze sind, so wenig sind es Gemeinwohlorientierung und Loyalitätsbindungen an eine Partei. In der modernen Demokratie sind praktisch alle gewählten Politikerinnen und Politiker an eine Partei gebunden. Das kann nicht anders sein. Ohne Parteien sind repräsentative Demokratien in der modernen Welt nicht zu organisieren. Die Erfahrung lehrt zudem, dass schwache Parteien kein Vorteil für die Demokratie sind. Der für die Demokratie konstitutive, Macht begrenzende, den Wechsel ermöglichende politische Wettbewerb bedarf starker Parteien, die ihn austragen. Etwas anders ausgedrückt: Der Parteienwettbewerb ist für die Suche nach dem Gemeinwohl wichtig.

Die Parteien sollen die Gemeinschaftsbelange mitgestalten und müssen sich zugleich voneinander unterscheiden. Aber der Wettbewerb kann die Demokratie gefährden, wenn die Auseinandersetzung zwischen den Parteien so intensiv erfolgt, dass jede vernünftige Zusammenarbeit unmöglich wird. Auf Kosten der Gemeinschaftsbelange profilieren sich Parteien auch, wenn sie ihren Wählern nach dem Munde reden, ihnen unangenehme Wahrheiten vorenthalten und unvernünftige Wahlgeschenke machen.

Ebenso abträglich ist es, wenn Parteien den Versuchungen des Machtmissbrauchs nachgeben. Um diesen handelt es sich auch, wenn gewählte Parteivertreter ihrer Aufgabe, Macht zu verwalten und auszuüben, nicht nachkommen und sich statt dessen der Einflussnahme anderer Kräfte, sei es aus der Regierung, sei es aus starken gesellschaftlichen Gruppen, unterordnen. Gegenüber solchen Gefahren müssen sich Politikerinnen und Politiker auf ihre Gemeinwohlpflicht besinnen, die eine blinde Parteiloyalität nicht zulässt. Das Wohl einer Partei muss stets hinter dem Gemeinwohl zurücktreten.

Im Unterschied zur Diktatur hat die parlamentarische Parteiendemokratie die Chance, ihre Gefahren permanent zu benennen und zu bekämpfen. Sie hat die Möglichkeit des Machtwechsels ohne Umsturz aller Verhältnisse und ohne Blutvergießen. Deshalb verdient sie es, verteidigt zu werden gegen den Unmut und gegen ihre Feinde, die Besseres versprechen und viel Schlimmeres anrichten.

Welche Tugenden die repräsentative Demokratie den Politikerinnen und Politikern vor allem abverlangt, ist in diesen Überlegungen bereits angedeutet. Sie sollen den Mut haben, notwendige Wahrheiten zu sagen, die nicht gern gehört werden. Sie sollen bereit sein, wenn es um des Gemeinwohls willen notwendig ist, Risiken einzugehen; auch das scheinbar größte politische Risiko, das Risiko einer Wahlniederlage, muss eine verantwortungsbewusste Politik gelegentlich in Kauf nehmen. Sie sollen Standfestigkeit besitzen, die nicht Unbelehrbarkeit sein darf. Sie sollen in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner fair bleiben, auch wenn das Gegenteil Vorteile brächte. Sie dürfen schließlich nie vergessen, um wessen Willen sie ihr Amt auszuüben haben.

Die Forderung nach Mut, Risikobereitschaft und Standfestigkeit gegenüber den Wählerinnen und Wählern und dem Druck organisierter Interessen ist mit der dem Demokratieprinzip entspringenden Verpflichtung des gewählten Politikers auf seine Wählerinnen und Wähler durchaus vereinbar. Nach der Logik der repräsentativen Demokratie hat der Politiker im Dialog mit ihnen eine Führungsverantwortung. Dazu gehört das Zuhören, dazu gehört vor allem aber das Argumentieren und Überzeugen. Politikerinnen und Politiker haben die Aufgabe, bei Wählerinnen und Wählern für das zu werben, was sie für notwendig und richtig halten. Diese Aufgabe ist nur zumutbar, weil das überzeugende Argument – nicht immer und bei jedem, aber in der Mehrzahl der Fälle und bei der Mehrzahl der Menschen – tatsächlich aufklärende Kraft zu entfalten vermag. Die repräsentative Demokratie beruht auf der Überzeugung, dass bei einer Mehrheit von Bürgern Gemeinwohlbereitschaft durch Argumente zu wecken ist. Jede demokratische Verfassung geht davon aus. Indem sie es tut, verpflichtet sie einerseits ihre Amtsträger, durch politische Überzeugungskraft und eigenes Vorbild auf Gemeinwohlbereitschaft hinzuwirken, und fordert andererseits die Bürger auf, sich auf eine solche argumentative Auseinandersetzung einzulassen.

Von der Notwendigkeit des Unangenehmen, auch von der Pflicht zur Zukunftsverantwortlichkeit überzeugen kann aber nur, wer glaubwürdig ist. Wer glaubwürdig ist, kann sogar dann noch politisch führen, wenn die Überzeugungskraft von Argumenten an Grenzen stößt. Glaubwürdigkeit setzt Wahrhaftigkeit, persönliche Integrität und schließlich auch Kompetenz voraus. Ohne Glaubwürdigkeit der Politikerinnen und Politiker gibt es kein Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik. Vertrauen aber ist das Kapital, das allein die Politiker befähigt, ein freiheitliches Gemeinwesen auch über schwierige Wege zu führen. Nur Politiker, denen die Bürger vertrauen, können diese – beispielsweise bei einem notwendigen Rückbau von wohlfahrtsstaatlichen Standards – auch in die Pflicht nehmen. Politiker, die auf ihre Glaubwürdigkeit und deren Voraussetzungen nicht Bedacht nehmen, zerstören die Handlungsspielräume der Politik in der repräsentativen Demokratie.

Die Maßstäbe, an denen die persönliche Integrität der Politikerinnen und Politiker gemessen wird, sind wohl strenger geworden, auch ist das Medieninteresse an der Skandalisierung von Fehlverhalten außerordentlich gestiegen. Das muss man nicht nur kritisch sehen. Aufdeckung und Aufarbeitung von skandalösem, z. B. korruptem, Verhalten haben im demokratischen Rechtsstaat zwei Gesichter. Das eine verstört und erschüttert die Betrachter, die sich in ihrem Vertrauen auf die Integrität des betreffenden Politikers getäuscht sehen. Das andere vermittelt die Befriedigung darüber, dass Ungehöriges nicht zur Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr entdeckt und geahndet wird. Der Rechtsstaat, wenn denn rechtliche Konsequenzen zu ziehen sind, setzt sich durch, die Demokratie beweist ihre Lebensfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Gleichwohl: Es bleibt immer ein Schaden. Wenn es richtig ist, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politikerinnen und Politiker ein für die Funktionsfähigkeit der repräsentativen Demokratie elementar bedeutsames Gut ist, dann kann daraus, dass es schwieriger geworden ist, Vertrauen zu gewinnen und zu bewahren, also nur folgen, dass die Politiker noch verantwortungsbewusster mit diesem kostbaren Gut umgehen. Je weniger allerdings die Gesellschaft selbst sich den Maßstäben stellt, an denen sie ihre Politikerinnen und Politiker misst, desto schwerer macht sie es ihren politischen Repräsentanten. Sie muss sich deshalb bei jeder Politikerschelte immer auch selbst in den Blick nehmen.

Ein besonderes Problem ist die Ambivalenz des Parteienwettbewerbs. Er ist konstitutiv für die Demokratie. Er kann als Mechanismus der Suche nach der besten Problemlösung wirken. Aber er kann die Spielräume für vernünftiges, verantwortungsbewusstes Handeln auch einengen. Er zielt nur allzu oft auf Zerstörung von Vertrauen – des Vertrauens in den politischen Gegner nämlich. Deshalb ist immer wieder daran zu erinnern, dass die Gemeinwohlverpflichtung der Politikerinnen und Politiker gerade auch für den Stil, in dem sie die demokratische Auseinandersetzung führen, Konsequenzen haben muss. Ein Wettbewerb, in dem die Parteien wechselseitig alle Anstrengungen der jeweils anderen Seite, Zustimmung für das Notwendige zu gewinnen, immer wieder zunichte machen, zerstört die Handlungsfähigkeit der Demokratie. Parteien müssen immer wieder bemüht sein, sich mit dem politischen Gegner so auseinanderzusetzen, dass das Ergebnis des demokratischen Konfliktes nicht die allseitige politische Lähmung ist. Im Übrigen ist es keineswegs erwiesen, dass die Bereitschaft, die in den Institutionen angelegten Regeln der Ethik des politischen Handelns in der Demokratie ernstzunehmen, zu Wettbewerbsnachteilen führt. Mögliche – in der Regel keineswegs sicher vorhersagbare – Wettbewerbsnachteile in Kauf zu nehmen, kann eine Pflicht sein. Aber darüber darf nicht vergessen werden, dass es auch die Chance gibt, durch entschiedene, risikobereite Gemeinwohlorientierung Wettbewerbsvorteile zu gewinnen. Deshalb ist die ethisch-demokratische Kultur der Gesellschaft im Allgemeinen von so großer Bedeutung.

Legt man die skizzierten Standards zugrunde, so ist offenkundig, dass deutliche, wenn auch ganz gewiss nicht pauschale Kritik an politischen Funktionsinhabern unserer Republik so berechtigt wie notwendig ist. Auch gut vorhersehbare kritische Entwicklungen – wie der demographische Wandel oder die Verengung der künftigen politischen Handlungsspielräume durch eine hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte – sind von der Politik lange Zeit nicht angemessen berücksichtigt worden. So wurde der unvermeidlichen grundlegenden Reform der Sozialversicherungssysteme durch nur begrenzt wirksame Reparaturen lange ausgewichen. Der Preis, der für dieses Aufschieben des Notwendigen gezahlt werden muss, ist inzwischen sehr hoch geworden. Noch immer sind die Anstrengungen nicht ausreichend, die Bürgerinnen und Bürger von den Notwendigkeiten des Handelns zu überzeugen und sich eben dadurch die Handlungsspielräume, die die Politik braucht, zu schaffen, indem man ihnen die Lage des Gemeinwesens deutlich macht. Allzu oft fehlt es an der Standfestigkeit, die nötig ist, um Entscheidungen auch gegen heftige Proteste durchzuhalten. Es fehlt an dem Selbstvertrauen, das nötig ist, um Einsicht in Notwendigkeiten zu vermitteln, und an der Fähigkeit, zu den Anstrengungen zu ermuntern, die um der Zukunft willen geboten sind. Der Mut, den Wählerinnen und Wählern etwas zuzumuten, ihnen auch etwas zuzutrauen, ist gewiss nicht ohne Risiko. In einer Demokratie, in der wie in der deutschen unablässig gewählt wird, in der also Mängel der Institutionenordnung und Schwächen der politischen Akteure sich wechselseitig verstärken können, kann die Furcht vor diesem Risiko leicht zu einer Dauerlähmung führen. Dies gilt es abzuwenden.

Politische Entscheidungen werden im Vollzug durch die öffentliche Verwaltung für den Einzelnen konkret. Das Erscheinungsbild der Ämter und Behörden hat sich zwar im demokratischen Rechtsstaat vom autoritären Obrigkeitsstaat zunehmend hin zum Dienstleistungsstaat entwickelt; häufig besteht eine tiefe Distanz zwischen Bürgern und Verwaltung jedoch fort. Die Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung ist nach wie vor zu wenig transparent, zu wenig bürgerfreundlich und nicht überall dienstleistungsorientiert. Bürgerinnen und Bürger allerdings, die zu Recht von öffentlichen Bediensteten ein Mehr an Einsatzbereitschaft, Rechtstreue, Unbestechlichkeit und Orientierung am Gemeinwohl einfordern, müssen selbst bereit sein, sich einen qualifizierten öffentlichen Dienst zu leisten und dessen Leistungen anzuerkennen. Der ganz eigene Wert eines auch in der Verwaltungspraxis rechtsstaatlichen, gut funktionierenden Gemeinwesens für die res publica, die öffentlichen Angelegenheiten, ist im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger bisher noch zu wenig verankert.


4.3 Verhaltenserwartungen an Journalistinnen und Journalisten als Partner und Widerpart im politischen System

Die Verfassung gewährleistet die Freiheit der Presse und der Berichterstattung durch Rundfunk und Film; der Zensur erteilt sie eine Absage (Art. 5 Abs. 1 GG). Sie formuliert keine Verhaltenserwartungen an den Journalismus, sondern setzt seiner Tätigkeit lediglich Schranken durch die allgemeinen Gesetze, die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG). Journalistinnen und Journalisten sind also von der Verfassung her kein Teil des politischen Systems. Gleichwohl hat es sich eingebürgert, von den Medien als „Vierter Gewalt“ zu sprechen, also einer politischen Kraft, die das Gefüge der drei staatlichen Gewalten erweitert und seine demokratische Balance stärkt. Dies geschieht zunächst durch die fundamentale Tatsache, dass Medien überhaupt erst die Öffentlichkeit herstellen, die ein Fehlverhalten der staatlichen Gewalten sanktionierbar machen. Die Kritik an einer medialen Skandalisierung politischer Missstände, die sich im Rückblick möglicherweise als vergleichsweise harmlos darstellen, mag gelegentlich zutreffen. Sie ändert aber nichts daran, dass oft erst die hartnäckige Recherche von Journalisten – und nicht die Arbeit der parlamentarischen Opposition – Gesetzesverstöße der Regierenden aufdeckt oder die Regierenden davon abhält, solche Verstöße zu begehen.

Politische Korrespondenten und Redakteure stehen im Spannungsfeld zwischen Erwartungen der Verlage und Medienunternehmen, deren Angestellte sie sind, und der für das Gemeinwohl so zentralen Aufgabe, die drei staatlichen Gewalten aufmerksam zu beobachten und zu bewerten. Verlage und Medienunternehmen haben ein legitimes Interesse an wirtschaftlichem Erfolg. Sie sind heute mehr denn je einem intensiven Wettbewerb auf dem Markt der Informations- und Unterhaltungsangebote ausgesetzt. Von ihren journalistischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwarten sie Beiträge, mit denen sich Auflagen und Einschaltquoten steigern lassen. Dies ist ebenfalls legitim. Damit jedoch vergrößert sich der Druck auf die Journalisten, tatsächliche oder vermeintliche „Knüller“ zu liefern und keine Position zu vertreten, die nach Ansicht von Eigentümern und Herausgebern dem Erfolg des eigenen Unternehmens abträglich ist. Solcher Druck stellt das journalistische Ethos auf eine harte Probe – immer dann nämlich, wenn ein Konflikt entsteht zwischen dem ökonomischen Interesse des eigenen Unternehmens und dem Interesse der Öffentlichkeit an gewissenhaft recherchierten Informationen. Politische Informationen mögen auch eine Ware sein – aber sie sind keine Ware wie jede andere.

Politik und Medien sind eng miteinander verflochten – oft so eng, dass geradezu von einem „politisch-medialen Komplex“ gesprochen werden kann. In diesem symbiotischen Geflecht sind politische Korrespondenten und Redakteure ständig mit Bemühungen der Politik konfrontiert, sie für Machtinteressen zu instrumentalisieren. Spitzenpolitikern steht zu diesem Zweck ein Arsenal bewährter Belohnungs- und Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Wenn Autohersteller, Reiseveranstalter oder Gastronomen versuchen, Fachredakteure durch opulente Geschenke freundlich zu stimmen, dann gilt das zu Recht als bedenklich. Die Währung, in der politische Journalistinnen und Journalisten freundlich gestimmt werden sollen, ist von subtilerer Art als ein geldwerter Vorteil: Stoff für interessante Nachrichten gehört dazu, ein Interviewtermin oder die Mitnahme auf eine Auslandsreise. Werden „unbotmäßigen“ Journalisten solche Vergünstigungen entzogen, hat das die Wirkung einer harten Bestrafung. Werden sie ihnen großzügig gewährt, geraten sie in Versuchung, sich dafür durch gefällige Berichte und Kommentare erkenntlich zu zeigen. Politische Korrespondenten und Redakteure sind, im Streben nach bewusst objektiver Berichterstattung, täglich neu konfrontiert mit der Notwendigkeit, die prekäre Balance zu halten zwischen übertriebener Nähe und übertriebener Distanz zur Politik, zwischen kritikloser Anbiederung und totalem Misstrauen.

Politik und Medien brauchen einander. Zugleich besteht zwischen ihnen ein grundsätzlicher Interessenkonflikt. Einerseits ist die Demokratie auf Journalistinnen und Journalisten als Vermittler zwischen Wählern und Gewählten angewiesen, denn für die allermeisten Menschen ist das Bild, das sie sich von Politik machen, ausschließlich durch Eindrücke bestimmt, die ihnen medial vermittelt werden. Die Massenmedien wiederum brauchen die Politik als Lieferantin neuer Nachrichten und Bilder. Das macht beide Seiten zu Partnern. Andererseits sind Politik und Journalismus Gegenspieler insofern, als es einen kaum aufzulösenden Widerstreit zwischen Machtinteresse und Informationsinteresse gibt. Das politische System folgt der Logik von Machterwerb und Machtsicherung. Im System der Massenmedien wird dagegen ohne Rücksicht auf politische Machtinteressen um neue, möglichst exklusive Nachrichten konkurriert.

Ein Widerstreit zwischen Machtinteresse und Informationsinteresse entsteht insbesondere dort, wo bestimmte Informationen dem Erwerb oder der Sicherung von Macht schaden könnten. Die für Journalistinnen und Journalisten eigentlich selbstverständliche Unterscheidung von Sachinformation und Wertung gilt für diejenigen gerade nicht, die im Auftrag der Politik Informationen zu deren Nutzen verbreiten und steuern wollen. Funktion politischer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist es auch, Informationen einen wertenden Drall zu geben – und solche vorinterpretierten Informationen über den Transmissionsriemen der Medien in die Öffentlichkeit zu tragen. Primär um Sachinformation bemühte Journalistinnen und Journalisten werden diesen interessegeleiteten Drall nicht ungeprüft übernehmen.

Von besonderer Bedeutung im Widerstreit von Macht- und Informationsinteresse ist der Konflikt zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der Politik und dem Enthüllungsinteresse der Medien. Beide Interessen sind berechtigt. Auf der einen Seite möchten Journalistinnen und Journalisten nicht nur das erfahren, was sich auf offener Bühne darstellt, sondern auch das, was hinter den Kulissen geschieht. Journalistische Wissbegier ist durchaus eine berufsspezifische Tugend. Politische Korrespondenten oder Redakteure, die eine Information zurückhalten, weil sie der von ihnen favorisierten Partei schaden könnte, verfehlen ihre Aufgabe. Auf der anderen Seite kann die Politik für sich reklamieren, dass ihr Geheimhaltungsbedürfnis nicht in jedem Fall gegen das demokratische Transparenzgebot verstößt. Denn nur vertraulich können Politikerinnen und Politiker in aller Freiheit und Ruhe Vorschläge prüfen, Ideen erörtern, Pro und Contra abwägen – ohne vorauseilende Rücksichtnahmen, ohne gleich befürchten zu müssen, dass jedes ihrer Worte auf die Goldwaage gelegt wird, dass alle ihre Überlegungen schon im Ansatz zerredet und sie selbst auf ein bestimmtes Zitat unwiderruflich festgelegt werden. Gerade in Zeiten, in denen unpopuläre Reformentscheidungen getroffen werden müssen, sind politische Denkblockaden aus Furcht vor irrationalen Debattenverläufen eine große Gefahr. Offene Worte setzen manchmal verschlossene Türen voraus.

Politische Journalistinnen und Journalisten sind nicht nur Beobachter der Politik und ihrer Inszenierung. Sie sind selbst aktiv – als Repräsentanten der Öffentlichkeit und als Erzeuger veröffentlichter Meinungen – und beeinflussen so das aktuelle Geschehen. Vor allem der so genannte Kampagnenjournalismus versucht, eigene politische Agenden zu setzen. Wo Journalisten selber Politik machen wollen (statt sie „nur“ zu beobachten, zu analysieren und zu kommentieren) bleibt freilich der Dienst am Informationsinteresse der Öffentlichkeit leicht auf der Strecke. Das Urteil von Journalistinnen und Journalisten vermag es, Karrieren zu fördern oder zu beenden. Das gibt ihnen in bestimmten Situationen politische Macht. Auch diese Form von Macht ist anfällig für Missbrauch. Journalistinnen und Journalisten dürfen sich zwar als Anwälte der Wählerschaft verstehen, aber ihnen fehlt doch ein eigentliches Mandat und sie ersetzen die Wählerschaft nicht; dessen sollten sie sich stets bewusst bleiben. Öffentliche Meinung und veröffentlichte Meinung sind nicht dasselbe.

Aus all diesen Überlegungen ergeben sich Schlussfolgerungen für jene spezifischen – und miteinander verklammerten – Tugenden, die das Verhalten politischer Journalistinnen und Journalisten in einer parlamentarischen Demokratie prägen sollten: Wahrhaftigkeit, eine selbstkritische Einstellung, Unbestechlichkeit, Sorgfalt, Mut und Nonkonformismus.

Zur Wahrhaftigkeit gehört es, die traditionelle Unterscheidung von Sachinformation und Wertung ernst zu nehmen. Gerade weil Journalistinnen und Journalisten das verfassungsrechtlich und gesetzlich verbürgte Privileg haben, ihre Informanten nicht preisgeben zu müssen, dürfen sie nicht der Versuchung erliegen, Informationen selbst zu erfinden und dann anonymen Quellen zuzuschreiben. Auch sollten sie sich eigene Wertungen nicht durch ungeprüften politischen „Spin“, parteipolitische Vorlieben, eigene Gestaltungsambitionen oder die wirtschaftlichen Interessen des eigenen Verlags oder Medienunternehmens diktieren lassen.

Das Vertrauen der demokratischen Öffentlichkeit in die Medien als Kontrollinstanz der Politik ist ein hohes Gut, das durch Anbiederung oder unkritische Nähe zu Politikerinnen und Politikern Schaden nimmt. Es ist das gute staatsbürgerliche Recht jedes Journalisten, bestimmte parteipolitische Präferenzen zu haben oder auch Mitglied einer Partei zu sein. Aber er darf handwerkliche Standards und professionelles Ethos niemals seinen politischen Loyalitäten unterordnen.

Selbstkritik ist ein Gebot der Wahrhaftigkeit. Die Pressefreiheit, das heißt die Abwesenheit jeglicher Fremdkontrolle, bürdet dem einzelnen politischen Journalisten die Verantwortung auf, immer auch die Konsequenzen seines Tuns für das Gemeinwesen mitzubedenken; es geht dabei nicht um Selbstzensur, sondern um die Selbstverpflichtung, journalistische Möglichkeiten zur Beeinflussung der Öffentlichkeit im Sinne einer möglichst rationalen Debatte über kontroverse politische Fragen einzusetzen.

Journalistische Unbestechlichkeit und journalistischer Mut immunisieren gegen politische Beeinflussungsversuche, denen mit Hilfe eines subtilen Belohnungs- und Sanktionsmechanismus Nachdruck verliehen wird. Sie geben Widerstandskraft gegen einen von Eigentümern ausgehenden Druck, den wirtschaftlichen Erfolg des eigenen Verlages oder Medienunternehmens zur alleinigen Richtschnur zu machen. Und sie stärken die professionelle Integrität gegen den kollektiven Anpassungszwang, den Journalisten auch untereinander auszuüben vermögen. Gute Journalistinnen und Journalisten zeichnen sich immer auch durch Nonkonformismus aus, also durch den Mut zur eigenen Meinung auch dann, wenn diese von den Ansichten der Kollegen- oder Volksmehrheit abweicht.

Politikerinnen und Politiker auf der einen, Journalistinnen und Journalisten auf der anderen Seite sollten aus ihrer wechselseitigen Abhängigkeit und ihrem grundsätzlichen Interessenkonflikt die Schlussfolgerung ziehen, dass sie einander nur Partner sein können, wenn sie wechselseitig immer auch die Unabhängigkeit eines Widerparts behalten.


4.4 Verhaltenserwartungen an Repräsentanten partikularer Interessen im politischen Prozess

Dass Menschen sich zur gemeinsamen Verfolgung besonderer Absichten oder auch zur Wahrnehmung übereinstimmender Interessen etwa in Vereinen und Verbänden, in Bürgerinitiativen, Wählergemeinschaften und sozialen Bewegungen zusammenschließen, gehört zum Wesen des freiheitlichen Staates. Die Möglichkeit dazu wird durch das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) ausdrücklich gewährleistet. In organisierter Form haben Einzelne weit größeres Gewicht, indem sie Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf politische Entscheidungen nehmen können. Wie sie dies einsetzen, wirkt sich auf die Handlungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Demokratie nachhaltig aus.

Gruppen, Vereine und Verbände leisten maßgebliche Beiträge zur Funktionsfähigkeit der Demokratie. Wie stark die friedliche Revolution und der Übergang zur Demokratie in Ostdeutschland den kirchlichen und anderen gesellschaftlichen Gruppen zu verdanken ist, haben die Kirchen ausdrücklich gewürdigt(2). Solche positive Würdigung ist nicht nur auf Gruppen und Verbände zu beziehen, die ideelle Zwecke im Allgemeininteresse verfolgen. Alle derartigen Institutionen haben vielmehr ein eigenes Interesse daran, dass ihre Rolle als Verband bei ihren dem allgemeinen Wohl dienenden Aktivitäten erkennbar ist und gestärkt wird. An diesem Punkt bilden kirchliche Institutionen – unter ihnen sind an erster Stelle Caritas und Diakonie nennen – keine Ausnahmen: Auch sie vertreten allgemeine Interessen und verfolgen dabei zugleich das Ziel, dass der Wert gerade ihrer Arbeit wahrgenommen wird.

Einzelinteressen und Belange des Gemeinwohls schließen sich aber nicht notwendig aus. Somit verdient es keine Geringschätzung, wenn Verbände durchweg Gruppen-, Einzel- oder Sonderinteressen und nicht das Ganze im Blick haben. Dieses Merkmal ist vielmehr selbstverständlich und für das Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft grundsätzlich nicht abträglich. Das gilt erst recht dort, wo die Zielsetzung einzelner Gruppen unmittelbar zur Förderung des Gemeinwohls beiträgt, etwa beim Eintreten für Menschlichkeit und Gerechtigkeit zugunsten der Schwachen oder für die Bewahrung der Schöpfung. In der Existenz und Aktivität solcher Gruppen verwirklicht sich die Zivilgesellschaft, die zur Vitalität des demokratischen Gemeinwesens Entscheidendes beiträgt. Die liberale Demokratie wird nur Bestand haben, wenn sie für die Freiheiten, die sie verbürgt, und für die Sicherung ihrer Erhaltungsbedingungen auf solche nichtstaatlichen Ressourcen zurückgreifen kann.

Verbände sind es, die vorhandene Interessen und Neigungen ansprechen, oft auch erst mobilisieren, und die spezifische Informationen bereitstellen. Sie nehmen sich der Belange ihrer Mitglieder an und bemühen sich um deren Schutz vor Zurücksetzung oder Benachteiligung, nehmen Forderungen an Staat und Gesellschaft auf und versuchen, sie nach Wichtigkeit und Vertretbarkeit zu bündeln sowie sie den entscheidenden Instanzen und der Öffentlichkeit nahe zu bringen. So sind die Verbände eine nicht-staatliche Organisationsstruktur zur Integration der Menschen in das Gemeinwesen. Gewiss sind es vielfach Sonderinteressen aus Teilbereichen des gesellschaftlichen Lebens, die von Verbänden verfolgt werden. Auch darin liegt eine große Integrationschance; Menschen, die neben dem jeweils besonderen Anliegen sehr unterschiedliche Ansichten und Neigungen haben, verschiedenen Parteien, Religionsgemeinschaften und sonstigen Organisationen angehören, werden ungeachtet dieser Unterschiede für den Einzelzweck zusammengeführt, oft auch zu gemeinsamen Aktivitäten und einem Stück gemeinsamen Lebens. Eine solche Einbindung in das Gemeinschaftsleben kann der Staat mit seinen Mitteln allein nicht erreichen.

In der Praxis stehen den Vorteilen des Verbändesystems auch Risiken gegenüber. Das gilt besonders für Gruppen, die nicht vorrangig ideelle Zwecke, sondern die Förderung eigener wirtschaftlich relevanter Interessen verfolgen. Dabei geht es nicht nur um Verbände von Unternehmen oder Arbeitgebern, sondern auch von Arbeitnehmern und Beamten, nicht nur von Grundeigentümern, sondern auch von Mietern. Die Geltendmachung allgemeiner Belange und Gerechtigkeitsvorstellungen erfolgt oft nur, um Sondervorteile für die Verbandsmitglieder oder institutionelle Interessen des Verbandes selbst wirksam und weniger auffällig durchsetzen zu können. Und es sind in der kaum übersehbaren Vielfalt der Verbände in der modernen Demokratie Gruppen am Werke, die sich nicht nur in Charakter und Zielsetzung, sondern auch in ihrem Gewicht und in ihrer Durchsetzungskraft erheblich unterscheiden. Starke Verbände nehmen Anteil am Zustandekommen staatlicher Entscheidungen und Maßnahmen, Verbände, die sich – je nach amtierender politischer Koalition – bei anstehenden Entscheidungen gestaltend oder verhindernd durchsetzen können. Außerhalb der organisierten Interessen stehende Gruppen drohen so auf der Strecke zu bleiben.

Zur Wirkungsweise einflussreicher Verbände gehört neben der Nutzung politischer und sonstiger Beziehungen auch die Ausübung von Druck, von der Mahnung über das Geschenk bis hin zur Androhung von negativen Konsequenzen. Das Bemühen um öffentliche Zustimmung zu einem Verbandsvorhaben gehört dazu. Im Kampf um die öffentliche Meinung können große, finanziell und personell gut ausgestattete Verbände wirkungsvoll handeln. Dabei wird gelegentlich der Öffentlichkeit unter Zuhilfenahme von scheinbar objektivem Sachverstand die aktuelle oder zukünftige wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation als äußerst bedrohlich dargestellt, was nur durch die Erfüllung der Verbandsforderungen abgewendet werden könne.

Häuft sich die Einwirkung machtvoller organisierter Gruppen auf politische Entscheidungen, so wird das von den Bürgerinnen und Bürgern mit als Grund für die Schwächung des demokratischen Staates wahrgenommen. Dass die gewählten Politikerinnen und Politiker in ihrer Handlungsfähigkeit durch schwer oder gar nicht beeinflussbare tatsächliche Gegebenheiten eingeschränkt werden, hindert sie daran, ihren Ankündigungen Taten folgen zu lassen und ihre Vorstellungen umzusetzen. Darüber hinaus sind es auch ganz andere Vorstellungen, die ihnen durch geschickt und kraftvoll agierende Gruppen aufgenötigt werden, zu denen jeweils nur ein ganz geringer Anteil der Wahlbevölkerung gehört. Zu den stets latent vorhandenen Zweifeln am Sinn und an der Wirksamkeit des Wählens kommt dann noch die Enttäuschung darüber, dass sich außerhalb des demokratischen Wahlverfahrens offenbar erfolgreicher auf das politische Geschehen Einfluss nehmen lässt. Der Staat läuft Gefahr, das Vertrauen seiner Bürgerinnen und Bürger zu verlieren.

Solche Risiken müssen nicht zu der Folgerung führen, die Organisation in Verbänden und die Wahrnehmung von Sonderinteressen durch sie zu unterbinden oder zu erschweren. Eine derartige Folgerung dürfte auch um der geschilderten Vorteile des Verbandswesens für den demokratischen Staat willen nicht gezogen werden. Vielmehr geht es darum, die durchaus verfügbaren geeigneten Vorkehrungen gegen unangemessenen, demokratieabträglichen Gebrauch von Verbandsmacht zu treffen.

Dazu gehört zuerst bei den Verbänden und ihren Leitungen selbst die Bereitschaft, „ihre Macht auch da maßvoll zu nutzen, wo keine Rechtsnorm sie dazu zwingt“.(3) Bei allem Verständnis für die Vertretung von Sonderinteressen muss gerade von den einflussreichen Verbänden verlangt werden, den Vorrang des Gemeinwohls in Programm und Praxis anzuerkennen. Überwunden werden muss „das Ungleichgewicht im politischen Prozess zwischen gut organisierten und daher einflussreichen Interessen einerseits und schlecht organisierbaren, aber in besonderer Weise der Unterstützung des Staates bedürftiger Interessen andererseits“.(4) Das erfordert mehr als die bei einer Bündelung der Einzelinteressen zu einem Gruppeninteresse ohnehin erfolgende Abmilderung extremer Forderungen. Nötig ist die bewusste Dämpfung des Gruppenegoismus, um ihn in einem gemeinverträglichen Rahmen zu halten. Die Wahrung der Belange der Schwachen in der Gesellschaft sollte nicht allein davon abhängen, dass die Kirchen oder zivilgesellschaftliche Gruppen für sie eintreten.

Auch wenn die Leitungen und Vertretungen der Verbände oft nicht durch öffentlich demokratische Wahlen bestimmt worden sind, bedarf ihre Machtausübung der Kontrolle und Begrenzung. Von der Aktivität anderer Verbände mit gegensätzlichen Zielsetzungen ist das wegen der Ungleichgewichte bei der Verbandsmacht nicht ausreichend zu erwarten. Deshalb sind demokratische Strukturen innerhalb der Verbände ebenso erforderlich wie Offenheit nach außen; Offenheit über Mitgliedschaft und Legitimation der Verbandsvertreterinnen und -vertreter ebenso wie Offenheit hinsichtlich der verfolgten Sonderinteressen. Analysen, Ankündigungen und Forderungen können von der Öffentlichkeit nur richtig verstanden werden, wenn die Interessenorientierung des jeweiligen Handelns und Redens offenbar wird. Politiker und andere öffentliche Amtsträger haben zu beachten, dass sie bei der Wertschätzung der durch Verbände vermittelten Sachinformationen die Orientierung am Gruppenvorteil nicht übersehen, die die Sachdarstellung prägt. Und die Medien sind es ihren Nutzern schuldig, nicht nur Standpunkte und Wertungen aus Verbandssicht zu referieren, sondern auch den klaren Blick auf die vom Verband verfolgten Interessen zu ermöglichen.

Im Zusammenspiel der in der Demokratie für ihr Gelingen maßgeblichen Kräfte haben die Verbände hohe Verantwortung und sind darin umso stärker gefordert, je einflussreicher sie sind. Dieser Verantwortung müssen sie in ihrem Handeln gerecht werden.


Fußnoten:

(2) Siehe das Gemeinsame Wort „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“, 1997, Nr. 159.

(3)  Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie, 1985, S. 35.

(4)  Das Soziale neu denken, Die deutschen Bischöfe, Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen, 2003, S. 7.

Nächstes Kapitel