Verantwortung und Weitsicht.

Gemeinsame Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur Reform der Alterssicherung in Deutschland, Gemeinsame Texte 16, 2000

4. Grundlagen des Generationenverbundes

Das geltende System der gesetzlichen Altersvorsorge beruht auf der Idee des sog. "Generationenvertrages". Leitgedanke des Generationenvertrages ist, daß jede Generation in zweifacher Hinsicht zu den Gebenden wie den Nehmenden zählt: Auf der aktiven Generation lastet sowohl die Sorge um die nachwachsende Generation als auch die Verpflichtung, die erworbenen Rentenansprüche der aus dem Erwerbsleben Ausgeschiedenen einzulösen. Die jüngere Generation kann sich auf entsprechende Leistungen der aktiven Elterngeneration stützen. Die ältere Generation kann wiederum darauf bauen, von der erwerbstätigen Generation mitgetragen zu werden. In der natürlichen Abfolge der Generationen und den damit typischerweise verbundenen Lebenszyklen ist so die Solidarität zwischen den Generationen im Sinne eines übergreifenden Generationenverbundes angelegt.

Das macht zugleich deutlich, daß die Sorge für den Nachwuchs als nicht-monetärer generativer Beitrag ebenso bedeutsam ist wie die monetären Beiträge, die jeweils von der aktiven Generation aufgebracht und im Wege der Umlage an die Rentenbezieher weitergereicht werden. Beide Formen von Beiträgen - monetäre wie nicht-monetäre - sind, auf die jeweilige Generation in ihrer Gesamtheit bezogen, "Bringschulden".

Die Einsicht in die Bedingtheiten des Generationenverbundes erklärt, daß die Verschiebung der Relation von Erwerbstätigen zu Rentenbeziehern ein Gerechtigkeitsproblem zwischen den Generationen aufwirft: Vor allem in einem umlagefinanzierten Alterssicherungssystem führt dies dazu, daß immer weniger Erwerbstätige immer mehr Rentner zu finanzieren haben. Dies wirkt sich dahingehend aus, daß bei gleicher Leistungshöhe deutlich höhere Beiträge, bei gleicher oder geringerer Beitragshöhe aber erheblich niedrigere Renten zu leisten wären. In einer solchen Situation die Lasten ohne deutliches Gegensteuern nur einer Generation aufzubürden, würde diese nicht nur überfordern, sondern bedeutete auch einen Bruch mit dem Ziel ausgleichender Generationengerechtigkeit. In diesem Spannungsverhältnis ist ein deutliches Konfliktpotential zwischen den Generationen angelegt, das einen gerechten Ausgleich erfordert.

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