Geöffnete Türen zum Glauben

Tore der Freiheit – Weltausstellung Reformation

Sie sollen bei der Weltausstellung Reformation das Bild prägen: die sieben „Tore der Freiheit“. Dort präsentieren sich Kirchen, Gruppen, zivilgesellschaftliche Organisationen mit aktuellen Themen, die Veränderungen im 21. Jahrhundert bedeuten können.

Ausstellung Tore der Freiheit
Die Weltausstellung „Tore der Freiheit“ soll diethematische Weite der Reformation deutlich machen.

Wenn der Truck am 20. Mai 2017 in der Lutherstadt Wittenberg von seiner Europatour ankommt, wird die Weltausstellung Reformation eröffnet. Schon seit Oktober 2014 steht eine leuchtend rote Weltkugel auf dem Platz vor dem Alten Rathaus. Im Sichtfeld von Philipp Melanchthon und Martin Luther, denen auf dem Marktplatz ein Denkmal gesetzt wurde, zählt der Countdown-Zähler die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden bis zur Eröffnung der Weltausstellung: Als die Weltkugel aufgestellt wurden, waren es 950 Tage, Anfang Juli 2015 sind es noch knapp über 680.

„Raum für unterschiedliche Zugänge zu reformatorischen Gedanken und Projekten in den Kirchen und Religionen, aber auch in Staat und Gesellschaft schafft die Weltausstellung Reformation ‚Tore der Freiheit‘“, schreibt Margot Käßmann, Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017. Sie ist auch Vorsitzende der Projektleitung für die Weltausstellung. Es soll deutlich werden, dass Reformation kein abgeschlossener Vorgang, sondern ein fortdauernder Prozess ist.

Geöffnete Türen zum Glauben

„Und Reformation ist kein rein protestantischer Vorgang – vielmehr erneuern sich alle Konfessionen, Religionen, aber auch Staat und Gesellschaft immer wieder.“ Die Weltausstellung „Tore der Freiheit“ werde genau diese thematische Weite deutlich machen, so Käßmann: „Wer den Ring um den Stadtkern von Wittenberg anschaut – wenn erste Bilder vor dem inneren Auge entstehen, wie Menschen 2017 in diese Stadt kommen werden, um Teil der Reformationserfahrung zu werden – dem kommt schnell das Thema Tore in den Sinn. Sieben Zugänge wird es zur Innenstadt geben. Es sind die Tore, durch die Menschen gehen wollen, um nach Wittenberg zu kommen.“

Die Idee der Tore nimmt dabei biblische Traditionen auf: „Tore spielten schon im alten Israel eine große Rolle“, schreibt die Botschafterin. „Sie schützten die Stadt. Die Tore der Feinde zu besitzen, bedeutete damals große Macht: Vor dem Tor der Stadt versammelten sich die Menschen und im Tor wurde Recht gesprochen. Im Psalm erklingt der Lobgesang, die Tore zu öffnen: Geöffnete Tore zum Glauben, zum Gottesdienst brauchen die Menschen in säkularer Zeit. Es sind Tore der Sehnsucht nach Gott und nach der neuen Wirklichkeit, in der Frieden und Gerechtigkeit sich küssen. Verschlossene Tore engen die Freiheit ein, sie machen Angst und erzeugen Unrecht. Offene Tore aber sind eine Vision von friedvoller Zukunft.“

Kirchen, Kulturschaffende, zivilgesellschaftliche Initiativen und Organisationen: Gemeinsam ist allen, dass sie sich für die Zukunft einsetzen – eine Zukunft, die geprägt ist von Reformationen und Veränderung, gestaltet von Menschen, die bewegt sind aus ihrem Glauben oder von einer Idee.

Alle, die Reformen und Reformationen auf den Weg bringen, können im Reformationssommer vom 20. Mai bis 10. September 2017 ihre Projekte, Ideen und Planungen vorstellen, mit anderen teilen und miteinander gestalten – vielleicht für die gesamte Zeit, in Kooperationen mit anderen oder auch, indem sie Räume oder Zeiten mit anderen teilen.

Das Team „Reformationsjubiläum 2017 e.V.“ berät und begleitet Interessierte. In sieben Themenbereichen, den „Toren der Freiheit“, werden alle zusammenkommen, denen Reformation nicht nur historisierende Vergangenheit ist, sondern Motivation, die Zukunft miteinander zu gestalten. Ergänzend zu den Präsentationen und Ausstellungen in den Wallanlagen der Lutherstadt Wittenberg, zu Begegnungsflächen und Mitmach-Angeboten, die von den Beteiligten selbst gestaltet werden, sind 16 Themenwochen geplant.

Ausgezeichnete Entwürfe

Sie sollen bei der Weltausstellung Reformation das Bild prägen: die sieben „Tore der Freiheit“. Dort präsentieren sich Kirchen, Gruppen, zivilgesellschaftliche Organisationen mit aktuellen Themen, die Veränderungen im 21. Jahrhundert bedeuten können. In einem großen Wettbewerb hat der Verein „Reformationsjubiläum 2017“ Studierende an verschiedenen deutschsprachigen Hochschulen aufgefordert, sich zur Gestaltung der Torräume Gedanken zu machen. Die Jury hat für die sieben Torbereiche acht Arbeiten ausgezeichnet. Mit organisiert hat den Wettbewerb die Projektgesellschaft TRIAD.

Torraum 1 – Welcome

Seit biblischer Zeit gehört Gastfreundschaft zum Leben. Schon Abraham in frühen jüdischen Zeiten empfängt die Fremden in seinem Zelt. Jesus grenzt Menschen aus anderen Völkern nicht aus, und der Apostel Paulus weiß in seinen Briefen von großer Gastfreundschaft zu berichten. Auch zu Zeiten Martin Luthers war es für viele selbstverständlich, Fremde zu begrüßen und zu bewirten.

Von Studierenden der Bauhaus-Universität Weimar entworfen, soll in der Nähe des Hauptbahnhof für die Zeit der Weltausstellung ein Turm entstehen. 140 Stufen - so die momentanen Vorschläge - sollen 30 Meter nach oben führen: „Aus einem neuen Blickwinkel schauen, die Stadt und die Welt anders wahrnehmen“ – der Entwurf „lädt die Besucher der Stadt Wittenberg dazu ein, hinaufzusteigen. Luther schlug einst die 95 Thesen an die Kirchentür, 500 Jahre später werden sie an den Außenseiten des Turmes zu sehen sein. Als Ausgangspunkt der Reformation markieren sie den Beginn der Weltausstellung.

Torraum 2 – Spiritualität

Angrenzend an die historische Klosteranlage mit dem Lutherhaus öffnet sich ein Raum für die Freiheit der Spiritualität. An die Wohn- und Arbeitsstätte Martin Luthers, den Ort der legendaren Tischgespräche und der theologischen Forschung schließt sich damit der Themenbereich an, in dem Menschen 500 Jahre später ihre Frömmigkeit leben und ausprobieren können – und den modernen Formen, den Glauben zu praktizieren, sind erst einmal keine Grenzen gesetzt.

Nach einem Entwurf der Hochschule Düsseldorf sollen Wege und Stege auf und an den Bunkerberg gebaut werden. Sie fügen sich behutsam in die Landschaft ein, tangieren sie und ragen darüber hinaus. An einem Kreuzungspunkt enden die Stege, ohne sich zu berühren. Ein auf Stützen gelagertes Dach nimmt an dieser Stelle die Form auf und ergänzt so den fehlenden Kreuzungspunkt. Spiritualität als Ausdruck innerer Suche des Menschen und damit als Ausdruck eines der tiefsten, menschlichen Bedürfnisse. Es geht um die Schaffung einer atmosphärischen und räumlichen Struktur, die unterschiedliche Erfahrungen an diesem spezifischen Ort ermöglicht. Sie wird erst aktiviert durch die Menschen, die sich in oder auf ihr bewegen – erst ihre Gedanken, Gefühle und Erfahrungen füllen diesen Ort.

Torraum 3 – Jugend

Hier sollen junge Menschen und jung Gebliebene ihre eigene Ausdrucksweise finden, ihre eigenen Ideen formulieren und frei von Vorurteilen agieren können. So bekommen Jugendliche Mut, sich gegen Missstände aufzulehnen und zu rebellieren – in der Tradition der Reformation vor 500 Jahren. Im internationalen Miteinander soll eine besondere Kraft spürbar werden.

„Der Entwurf ‚Läuft‘s bei dir - Versteckte Vielfalt‘ basiert auf der Konzeptidee, den in der Jugendzeit zu durchlaufenden Irrgarten aus Entscheidungen und Wegefindungen in Form einer Installation zu symbolisieren. Von außen betrachtet, erscheint die Zeit der Jugend funkelnd, prächtig und spannend – befindet man sich inmitten, fordert die Vielfalt stetige Entscheidungen auf der Suche nach dem ‚richtigen Weg‘. Vielleicht wird einem der direkte Weg versperrt, vielleicht wählt man Umwege, am Ende wird man aber dennoch seinen ganz individuellen Weg ans Ziel finden.“ Diese Idee haben Studierende der Fachhochschule Mainz vorgeschlagen. Auf den Plätzen Muth'scher Grund, Amselgrund und beim KTC sollen vertikale Stämme in unterschiedlicher Höhe gesetzt werden. Ihre unterschiedliche Positionierung lässt offene Räume und große Dichte entstehen.

Torraum 4 – Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung

Dort wird das Verhältnis des Menschen zu den Elementen der Natur und zu den Mitmenschen neu bestimmt und gestaltet. Ein gerechterer Umgang mit den Anderen und der Natur ist Ziel des Engagements. Die vorhandene Wasserfläche, die Grünflächen und die angrenzenden Häuserfassaden schenken eine Kulisse, eigenes Handeln und Verhalten zu reflektieren und zu diskutieren.

Die Fachhochschule Salzburg hat den Entwurf eingereicht, am Schwanenteich Flüchtlingsboote aus dem Mittelmeer auszustellen und diese während der Ausstellung umzuarbeiten: „Mit unserem Projekt möchten wir die Chance nutzen, um auf das gegenwärtige Thema der europäischen Asyl- und Migrationspolitik aufmerksam zu machen. Die derzeitige Ausgangslage sehen wir als das genaue Gegenteil von Gerechtigkeit, Frieden und der Bewahrung der Schöpfung. Durch unser Projekt sollen die Besucher für dieses Thema sensibilisiert, informiert und motiviert werden.“

Torraum 5 – Globalisierung, eine Welt

Ein globales reformatorisches Dorf am Rand der Stadt, von der vor 500 Jahren ein Impuls für die Kirche und die Gesellschaft ausgegangen ist. Die Reformation ist zur Weltbürgerin geworden. Protestantische Überzeugungen sind auf unterschiedliche Kulturen getroffen: So wurde die protestantische Wirklichkeit vielgestaltig und global. Protestantisches Liedgut, von der Reformation geprägte Kultur und evangelische Bräuche, wie auch die von reformatorischen Gedanken geprägte Sprache beeinflussten und veränderten Gesellschaften. Evangelische Verantwortung bedeutet letztendlich eine Globalisierung der Solidarität und der Verantwortung. In diesem Themenbereich werden Stimmen aus verschiedenen Kontinenten laut werden und miteinander ins Gespräch kommen.

„Glaspaläste“ ist der Entwurf für den Torraum zur Globalisierung überschrieben. Eingereicht haben ihn Studierende der Universität Wien, Auf dem Parkplatz beim Neuen Rathaus sollen transparente Glaskuben, die auf einen PKW-Anhänger aufgesetzt wurden, immer wieder versetzt werden. So entstehe eine dialogische, interaktive und partizipative Raumstruktur zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft, in der sich der christliche Glaube dem Globalen und damit dem Anderen, Fremden, Unbestimmbaren öffnen könne. Als Ausdruck größtmöglicher Toleranz gestaltet er sich durch Glaspaläste in einer ephemeren Form und setzt sich den unvorhersehbaren Situationen in Stadt und Welt aus.

Torraum 6 – Ökumene und Religion

Miteinander zu leben heißt, einander zu begegnen und sich auszutauschen. Schon Philipp Melanchthon verstand das Menschsein als Austausch: „Wir sind zum wechselseitigen Gespräch geboren.“ Während das Gespräch zwischen den Kirchen gut eingeübt und selbstverständlich geworden ist, wird das Gespräch zwischen den Religionen noch gelernt: Gegenseitiger Respekt und die Toleranz sind ein großes Feld des Lernens. In diesem Themenbereich soll Raum sein für offene Begegnungen und für einen Austausch, der Kritik und Differenz nicht scheut.

Acrylrohre, die nachts beleuchtet sind, wollen die Studierenden der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg in den Luthergarten hängen. Von weitem sichtbar, an den Hauptzugängen zwischen mächtigen Bäumen schwebend, lenken fünf mal hundert „Wunschwolken“ die Aufmerksamkeit und die Besucher in den Dialog. Unter dem Motto „Ökumene und Religion – Wünschen verbindet“ – laden fünf Weltreligionen zu fünf dem Licht und dem Bitten gewidmeten Festen ein. Höhepunkt dieser Feste soll die in allen Religionen verankerte Zeremonie des Wünschens und Bittens sein.

Torraum 7 – Kultur

Gott begegnet dem Menschen verhüllt im Konkreten. Das zeigt sich in vielen Werken der bildenden Kunst und manifestiert sich in der Musik: Menschen sind Sehende und Hörende. Kulturelle Formen schenken dem Menschen innere Bilder und schaffen so eine unmittelbare Begegnung zwischen Religion und Kunst. Thema ist in diesem Raum die bis zum heutigen Tag andauernde wechselseitige Beziehung zwischen Kultur und Religion – aktiv und passiv können die Besucher Kunst erleben.

Den ersten Preis für den Torraum Kultur hat die Jury geteilt: er ging an die Hochschule für Technik Stuttgart und die Universität der Künste Berlin. Die Stuttgarter Studierenden haben ein additives Konzept vorgeschlagen, bei dem durch spiegelnde Stelen Themeninseln entstehen sollen, die dann interaktiv begangen werden können. Der Berliner Entwurf "Paradiesgarten" besteht aus drei Komponenten, die durch wassergefüllte Schläuche in einem Kreislaufsystem verbunden sind. Die erste Komponente („Kompoststadt“) wird aus mehreren Kompostzylindern gebildet, weitere aus einem aufgeständerten Paradiesgarten und einem warmen Wasserbecken.

Christof Vetter (für Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste als Studienbrief G 3)