Kompetenzen und Standards für den evangelischen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen

Ein Orientierungsrahmen

2. Berufsbildende Schulen – Aufgaben, Ziele, Strukturen

Die Bezeichnung „berufliche“ oder „berufsbildende“ Schule stellt einen Sammelbegriff für unterschiedliche Bildungsgänge mit entsprechend heterogener Schülerschaft und unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen dar. In berufsbildenden Schulen kann eine Vielzahl sowohl beruflicher Abschlüsse als auch allgemeinbildender Schul­abschlüsse erworben werden. Die Palette reicht von beruflich vorbereitenden Qualifikationen über die duale Berufsausbildung bis zum staatlich geprüften oder staatlich anerkannten Berufsfachschulabschluss sowie vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur. Von den Schülerzahlen her stellen die berufsbildenden Schulen nach der Grundschule das zweitgrößte Schulsystem der Bundesrepublik Deutschland dar. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Deutschland durchläuft eine duale Ausbildung.

Wesentliches Kennzeichen des deutschen Berufsbildungssystems ist die duale Ausbildung in Betrieb und Schule. Diese wird oft durch die überbetriebliche Ausbildung ergänzt, die in eigenen Einrichtungen der Innungen, Kammern und Betriebe stattfindet. Die berufsbildende Schule und die Ausbildungsbetriebe erfüllen in der dualen Berufsausbildung einen gemeinsamen Bildungsauftrag. Dabei arbeitet die berufsbildende Schule als gleichberechtigter Partner mit den anderen an der Berufsausbildung Beteiligten zusammen. Sie hat gemäß der Vereinbarung der Kultusministerkonferenz über die „Bezeichnungen zur Gliederung des beruflichen Schulwesens“ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08.12.1975)[1] die Aufgabe, den Schülerinnen und Schülern allgemeine und berufliche Lerninhalte unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen der Berufsausbildung zu vermitteln.

Im Rahmen der dualen Ausbildung legt das Berufsbildungsgesetz für die Betriebe die folgenden Aufgaben fest:

  • Die Vermittlung fachlicher Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten als berufliche Handlungsfähigkeit entsprechend der Ausbildungsordnung für den jeweiligen Beruf.
  • Das Ermöglichen erster Berufserfahrung.
  • Die charakterliche Förderung der Auszubildenden (vgl. §1 und §14 BBiG).[2]6

Demgegenüber unterliegt die Ausbildung in den berufsbildenden Schulen den Schulaufsichtsbehörden der Bundesländer und den jeweils geltenden Bildungs- bzw. Lehrplänen, die von den Bundesländern, auf die jeweilige Situation bezogen, erlassen werden. Die Abschluss-, Gesellen- oder Facharbeiterprüfungen werden unter Beteiligung der Schulen vor einer öffentlich-rechtlichen Kommission der Berufskammern abgenommen.

Berufsbildende Schulen sollen eine berufliche Grund- und Fachbildung vermitteln und die vorher erworbene allgemeine Bildung auch im evangelischen Religionsunterricht erweitern. Dazu verleihen sie entsprechende Bildungsabschlüsse. Diese sollen zur Erfüllung der Aufgaben im Beruf sowie zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft in sozialer und ökologischer Verantwortung befähigen.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) legt in ihrer Rahmenvereinbarung über die Berufsschule von 2015 folgende Ziele fest:

„Die Berufsschule

  • ermöglicht den Erwerb beruflicher Handlungskompetenz, die fachliche und personale Kompetenz umfasst.
  • Diese zeigt sich in der Bereitschaft des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaft­lichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten,
  • unterstützt berufliche Flexibilität und Mobilität zur Bewältigung der sich wandelnden Anforderungen in Arbeitswelt und Gesellschaft,
  • legt die Grundlage und weckt die Bereitschaft zur beruflichen Fort- und Weiter­bildung und
  • bereitet die Schülerinnen und Schüler auf einen internationalen Arbeitsmarkt vor.

 

Zur Erreichung dieser Ziele

  • bietet die Berufsschule ein differenziertes und flexibles sowie an den Anforderungen der Berufspraxis und Lebenswelt ausgerichtetes Bildungsangebot,
  • richtet die Berufsschule ihren Unterricht an einer handlungsorientierten Didaktik und Methodik aus, die curricular durch die Lernfeldkonzeption abgebildet wird,
  • sind ausbildungsvorbereitende Bildungsgänge der Berufsschule grundsätzlich dual ausgerichtet und orientieren sich an den Zielen und Inhalten anerkannter Ausbildungsberufe, um erworbene Kompetenzen anrechnungsfähig zu machen,
  • nutzt die Berufsschule die Chancen der Heterogenität ihrer Schülerinnen und Schüler. Inklusiver Unterricht ist dabei ein grundlegender Aspekt ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags,
  • ermöglicht die Berufsschule durchgängige Sprachbildung,
  • vermittelt die Berufsschule einen Überblick über die Bildungs- und beruflichen Entwicklungsperspektiven einschließlich unternehmerischer Selbstständigkeit und unterstützt eine selbstverantwortete Berufs- und Lebensplanung der Schülerinnen und Schüler,
  • sichern Berufsschulen systematisch ihre Qualität durch Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung.“[3]

Nicht zuletzt sollen die berufsbildenden Schulen im allgemeinen Unterricht und – soweit es im Rahmen des berufsbezogenen Unterrichts möglich ist – auf Kernprobleme unserer Zeit eingehen wie zum Beispiel:

  • Arbeit und Arbeitslosigkeit,
  • friedliches Zusammenleben von Menschen, Völkern und Kulturen in einer Welt unter Wahrung kultureller Identität,
  • Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen sowie
  • Gewährleistung der Menschenrechte.

Der Besuch der Teilzeit-Berufsschule (Duales System) umfasst in der Regel mindestens zwölf Unterrichtsstunden an zwei Schultagen pro Woche. Alternativ wird Blockunterricht durchgeführt. In diesem Fall ist die oder der Auszubildende für bis zu acht Wochen am Stück vollständig nur in der Schule. Die Ausbildung in der berufsbildenden Schule umfasst einen fachtheoretischen und einen allgemeinen Teil. Der allgemeine Teil beinhaltet nach Maßgabe der KMK-Rahmenvereinbarung „eine berufsbezogene Erweiterung der vorher erworbenen allgemeinen Bildung, insbesondere in den Bereichen deutsche Sprache, Fremdsprache, Politik oder Wirtschaft, Religion (Ethik) und Sport.“[4] In Anwendung von Art. 7 Abs. 3 GG regeln das Nähere die Länder.

Das Berufsschulsystem ist differenziert und komplex: Bildungsgänge des Übergangssystems sind z. B. das Berufsvorbereitungsjahr, das zu einer Verbesserung der Ausbildungsreife und zum Hauptschulabschluss führen soll, oder das Berufsgrundbildungsjahr in vollzeitschulischer Form, das die Schülerinnen und Schüler bei der Berufsfindung unterstützen soll.

Neben Teilzeit-Berufsschulen treten Vollzeit-Berufsschulen wie z. B. Berufsaufbauschulen, Berufsfachschulen mit teil- und vollqualifizierenden Bildungsgängen und Fachoberschulen. Auch die Vollzeit-Berufsschulen sind Fachrichtungen zugeordnet.
Katholische bzw. Evangelische Religion ist auch hier in den meisten Bundesländern Teil des allgemeinbildenden Fächerkanons.

Das berufliche Gymnasium wiederum bietet einen dreijährigen vollzeitschulischen Bildungsgang in der Sekundarstufe II (Klassen 11–13) mit dem Ziel des Erwerbs der Allgemeinen Hochschulreife.

 

[1] In: Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Die Be-rufsschule. Zusammenfassende Darstellung einschlägiger Beschlüsse der Kultusministerkonferenz. Bonn 20.07.2007.

[2] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Hg.): Berufsbildungsgesetz vom 23. 03. 2005 (BGBl. I, S. 931).

[3] Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland: Rahmenvereinbarung über die Be-rufsschule. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.03.2015, S. 2f.

[4] A.a.O., S. 4.

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