Die Anerkennungsrichtlinie ist ein Meilenstein
Bericht des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt bei der EKD-Synode 2025
Dresden (11.11.2025) – Das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt (BeFo) in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Diakonie hat auf der Synodentagung in Dresden seinen jährlichen Bericht vorgestellt. Im Fokus standen die neue Anerkennungsrichtlinie sowie der Start der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen (URAKs).
Die Verabschiedung der Anerkennungsrichtlinie durch den Rat der EKD im März 2025 ist ein wichtiger Meilenstein. Erstmals liegt damit in Deutschland ein einheitlicher Standard für Verfahren zur finanziellen Anerkennung erlittener sexualisierter Gewalt vor, der gemeinsam von Institutionen und Betroffenen erarbeitet wurde. Die Richtlinie garantiert Betroffenen künftig ein Recht auf ein persönliches Gespräch, definiert verbindliche Abläufe und legt einheitliche Standards für finanzielle Leistungen in allen Landeskirchen und Diakonieverbänden fest. Der Start der neuen Regelungen ist für den 1. Januar 2026 vorgesehen.
Das Beteiligungsforum begleitet die Einführung intensiv. Aktuell erarbeitet das Beteiligungsforum gemeinsame Materialien für alle Anerkennungskommissionen, um eine flächendeckend einheitliche Umsetzung zu unterstützen. Nancy Janz, Sprecherin der Betroffenenvertretung, sagt: „Ich warne davor, dass die Anerkennungsrichtlinie erneut in föderalen Einzelwegen zerfällt. Dass jede Landeskirche, jeder Landesverband wieder eigene Grenzen zieht. Nichts wäre fataler. Einheitlichkeit ist hier keine Frage, sondern ein Muss!“
Start der Aufarbeitungskommissionen
Ein weiterer Meilenstein in der Arbeit des Beteiligungsforums ist der Start der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen. Gemeinsame Grundlage für diese Arbeit ist eine Erklärung von EKD, Diakonie Deutschland und der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung (UBSKM) zu Standards der institutionellen Aufarbeitung. Diese Kommissionen sollen regionale Fallkontexte untersuchen, Strukturen analysieren und Empfehlungen zur Prävention und Weiterarbeit entwickeln. In allen Verbünden haben sich nun Betroffenenvertretungen für die Kommissionen gebildet, in einem Verbund steht aber weiterhin eine erneute Berufung externer Expert*innen von Seiten des Bundeslandes aus. Das Beteiligungsforum unterstützt die Vernetzung der Gremien und trägt dazu bei, gemeinsame Standards und einheitliche Qualitätskriterien für die Aufarbeitung zu sichern.
Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst, Sprecherin der kirchlichen und diakonischen Beauftragten im Beteiligungsforum, sagt: „Die Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen sollen – auf der Basis von gemeinsamen Standards, die Kirche und Diakonie mit der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung, Frau Kerstin Claus, festgelegt haben – da weitermachen, wo die ForuM-Studie einen Doppelpunkt gesetzt hat. Als Beteiligungsforum unterstützen wir auch hier koordinative Bemühungen und die Vernetzung der Beteiligten.“
Wüst dankte in ihrem Bericht allen Beteiligten, die an der Umsetzung mitgewirkt haben: „Im Start der Aufarbeitungskommissionen haben wir auch einmal mehr gelernt, Konflikte auszuhalten, mit Konflikten umgehen zu müssen. Zwischen der Institution und betroffenen Personen, innerhalb der Institution und auch innerhalb des Kreises betroffener Personen. Konflikte sind schmerzhaft, bringen zum Teil heftige Verletzungen mit sich. In diesem Sinne danke ich allen Beteiligten in den Betroffenenvertretungen, den Kommissionen und Geschäftsstellen sowie auch dem Arbeitsstab der UBSKM. Gemeinsam mit Menschen in Kirche und Diakonie gilt es, Aufarbeitung vorwärtszubringen, für Klarheit in Bezug auf Rollen, Aufgaben und auch Grenzen zu sorgen und damit einen Beitrag dafür zu leisten, sexualisierte Gewalt in Gegenwart und Zukunft zu verhindern.“
Diakonie Deutschland verstärkt Engagement
Die Diakonie Deutschland hat ihre personelle und finanzielle Mitverantwortung im Beteiligungsforum deutlich verstärkt. Damit wächst die gemeinsame Verantwortung von Kirche und Diakonie für die Aufarbeitung. Das Beteiligungsforum versteht sich als Ort des Dialogs und der Mitentscheidung. Es fördert die gemeinsame Verantwortungsübernahme von Kirche und Diakonie – in der Entwicklung von Richtlinien, in Arbeitsgruppen und in der Begleitung der Aufarbeitungs- und Anerkennungskommissionen.
Die Sprecherin der Betroffenengruppe im Beteiligungsforum, Nancy Janz, appellierte in ihrem Bericht an die Verantwortlichen in Kirche und Diakonie, das Beteiligungsforum nicht als Alibi zu nutzen und die Verantwortung an die Strukturen zu delegieren: „Wir erleben als Betroffenenvertretung den permanenten Spagat zwischen den Erwartungen der Betroffenen, die uns mit Hoffnung und Vertrauen begegnen, und den Strukturen, die Veränderung nur im Schneckentempo zulassen. Das ist zermürbend. Während wir ringen, verhandeln, vermitteln, werden die Menschen, um die es geht, älter. Manche verlieren die Kraft, manche die Hoffnung. Zeit ist hier ein entscheidender Faktor!“
Aktueller Stand zur Umsetzung des ForuM-Maßnahmeplans
Im Rahmen des Berichts der Betroffenenvertretung ging es außerdem um den aktuellen Stand zur Umsetzung des ForuM-Maßnahmeplans, der vor genau einem Jahr von der Synode beschlossen wurde.
Das Beteiligungsforum begleitet die Umsetzung durch EKD und Diakonie Deutschland auf Basis des beschlossenen Zeitplans. So wurde eine befristete Projektstelle (M11) geschaffen, außerdem wurden konkrete Zeitpläne zur Novelle der Gewaltschutzrichtlinie (M1) und der Einrichtung einer Zentralen Ombudsstelle für betroffene Personen (M2) beschlossen. Die Ombudsstelle soll bis Ende 2026 eingerichtet sein. Aktuell wird beraten, wie diese konkret umgesetzt werden kann. Dabei geht es auch darum, Doppelstrukturen zu vermeiden und damit der Verantwortungsdiffusion entgegenzuwirken.
Auch andere Maßnahmen, etwa zur Sensibilisierung, zur Entwicklung zielgruppenspezifischer Schulungen, zur Arbeit an Erinnerungskonzepten und zur Vorbereitung der Personalaktenanalyse sind angelaufen. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Beteiligungsforums liegt auf der umfassenden Novellierung der Gewaltschutzrichtlinie, die die bestehenden Standards für Prävention, Intervention und Schutzkonzepte in allen Landeskirchen und diakonischen Verbänden schärfen und vereinheitlichen soll. Daran arbeiten rund 30 Vertreter*innen von betroffenen Personen, Kirche, Diakonie, Jugendverbänden und Mitarbeitendenvertretungen.
Die Sprecherinnen des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt in der EKD und Diakonie
über Pressestelle der EKD
Kontaktmöglichkeiten:
Beteiligungsforum@ekd.de / Betroffenenvertretung@befo.ekd.de
Nancy Janz: Nancy.janz@befo.ekd.de
Dorothee Wüst: oeffentlichkeitsreferat@evkirchepfalz.de
Info-Link zur ForuM-Themenseite
https://www.ekd.de/umgang-mit-der-studie-82291.htm
Zur Information:
Im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt werden alle Fragen, die sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie betreffen, von Betroffenenvertreter*innen und kirchlichen sowie diakonischen Beauftragten bearbeitet. Die Mitglieder des Beteiligungsforums bringen ihre Fragestellungen und Themen in das Forum ein. Ebenso werden Anfragen aus den Gremien der EKD und Diakonie in das Beteiligungsforum getragen. Das Beteiligungsforum erarbeitet dazu konkrete Beschlussvorschläge. Für einen Beschlussvorschlag ist sowohl eine Mehrheit in der Betroffenenvertretung als auch unter den kirchlichen und diakonischen Beauftragten notwendig. Die abgestimmten Beschlussvorschläge werden dann in den Rat der EKD, die Kirchenkonferenz oder die Synode eingebracht, wo sie endgültig beschlossen werden. So ist gewährleistet, dass jede kirchenpolitische Entscheidung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt unter Partizipation Betroffener erfolgt.
Ansprechpersonen für Betroffene sexualisierter Gewalt:
Betroffene von sexualisierter Gewalt im Raum der evangelischen Kirche und der Diakonie können sich an die „Zentrale Anlaufstelle.help“ sowie an die landeskirchlichen Ansprechpersonen für Betroffene sexualisierter Gewalt wenden.
www.ekd.de/Ansprechpartner-fuer-Missbrauchsopfer-23994.htm
Das bundesweite Hilfe-Portal/Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch ist ein Angebot der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs:
https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/hilfe-telefon / 0800 22 55 530
Rund um die Uhr kann man sich ratsuchend und in Krisen an die TelefonSeelsorge wenden:
Per Telefon: 0800 / 111 0 111, 0800 / 111 0 222 oder 116 123
Per Mail und Chat: www.telefonseelsorge.de
Weitere Informationen zum Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD und seinen Projekten: