Ein starkes Ost-West-Netzwerk

Wie Kirchenpartnerschaften entstanden und Christen in Ost und West zusammenband

Die deutsch-deutsche Teilung war schmerzhaft und trennte Familien, Freunden und Christen. Die evangelischen Kirchen bemühten sich früh um ein tragfähiges Netzwerk von Christen. Eine Chronologie.

  • 1949

    Das Ende des Zweiten Weltkriegs bietet auch für die evangelischen Kirchen die Chance, neu anzufangen. Schon vor der Gründung der DDR richten sie ein System der Patenschaftsbeziehungen zwischen West- und Ostkirchen ein – auf kirchenleitenden Ebenen wie zwischen Kirchengemeinden.

  • 1961

    Die DDR schließt die Grenze und baut eine Mauer – das erschwert sowohl gegenseitige Besuche wie die materielle Unterstützung der Ost-Partner. Die Reise- und Postbeschränkungen machen Patenschaften in vielerlei Hinsicht zur Einbahnstraße. Trotzdem entstehen weiterhin viele Patenschaften zwischen Kirchengemeinden; nahezu jede Kirchengemeinde in der DDR pflegt eine Patenschaft zu einer westlichen Kirchengemeinde.

  • 1969

    Um handlungsfähig zu bleiben, gründen die acht Landeskirchen der DDR den eigenständigen „Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR“. In seiner Verfassung bekennen er und die EKD sich zu der „besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland“. Die Schwesterkirchen versuchen, alle Möglichkeiten der grenzübergreifenden Zusammenarbeit zu nutzen. Bibelübersetzungen, Gesangbücher, gottesdienstliche Liturgie und Amtshandlungspraxis bleiben gleich. Regelmäßig treffen sich die leitenden Geistlichen und kirchenleitende Gremien. Die EKD-Kirchen unterstützen ihre östlichen Glaubensgeschwister mit Geld und materiellen Zuwendungen.

    Auch an der Basis festigen sich trotz der Grenze die Kontakte. Reisen von Ost nach West sind für Privatpersonen unmöglich. Treffen finden meist in Ostberlin statt: Die westlichen Besucher beziehen Quartier im Westen der Stadt und reisen täglich mit einem Tagesvisum in den Ostteil.

  • 1970

    Der Begriff der Patenschaft erscheint zunehmend unangemessen und wird oft durch den Begriff „ökumenische Partnerschaft“ ersetzt. Auch zu Kirchen in anderen Ländern (u. a. Niederlande, Skandinavien, Österreich) entstehen enge Kontakte.

    In der Art der Kontakte ändert sich etwas: Bisher liefen Kontakte meist über das Pfarrhaus im Osten – nun tauschen sich Gemeindeglieder auch direkt miteinander aus. Lebensmittel und andere Mangelware werden von West nach Ost geschickt – mit der Aufschrift „Geschenksendung – keine Handelsware“.

    Aus EKD-Kirchen werden immer wieder Einladungen ausgesprochen; mit der Lockerung ihrer Kirchenpolitik gestattet die DDR zunehmend Reisen von Kirchenvertretern in den Westen, etwa zu Synoden.

    Die Kirchen der DDR werden selbstbewusst und versuchen, ihre Stellung im kirchenfeindlichen Sozialismus zu finden. Christen müssen mit vielen Restriktionen rechnen, wenn sie ihren Glauben offen leben.

  • 1980

    Der DDR-Regierung werden die Treffen zwischen West- und Ost-Christen suspekt. Sie erlaubt „religiöse Gemeinschaftserlebnisse“; dass die Christen beider Seiten sich aber auch politisch austauschten, ist klar. Die Unterstützung aus dem Westen bildet für die Kirchen im Osten einen Hintergrund, der sie selbstbewusster gegenüber dem Staat auftreten lässt. Die in Ost und West entstehende Friedensbewegung wird zu einer zusätzlichen Klammer zwischen den Kirchen; die DDR-Kirchen treten noch eindeutiger für die Abrüstung ein als die Gliedkirchen der EKD. Der in der DDR entstehende Slogan „Schwerter zu Pflugscharen“ stärkt auch die Christen im Westen.

  • 1989

    Maßgeblich durch kirchliche Friedensgebete initiiert sorgen Massenproteste dafür, dass die „Friedliche Revolution“ ihren Lauf nimmt und am 9. November zum Fall der Mauer führt. Endlich dürfen nun auch die DDR-Kirchengemeinden ihre Partner im Westen besuchen.

     

  • 1990

    Eine gemeinsame Kirchenkonferenz der beiden Kirchen stellt fest, dass sich die Kirchenpartnerschaften „als kräftige Klammer zwischen den Menschen im geteilten Deutschland“ erwiesen haben, „das hat sich politisch ausgewirkt.“

  • 1991

    Nun folgt auch für die evangelische Kirche die Wiedervereinigung; die EKD ist wieder vollständig. Beide Seiten profitieren von den Erfahrungen, die während der Trennung gemacht wurden – und können auf ein erprobtes Ost-West-Netzwerk zählen.

    Ein großes Thema der Kirchengemeindepartnerschaften – das Trennende – ist nun hinfällig. Eine neue Situation für die Partnerschaften. Im Laufe der Jahre lösen sich einige auf, andere intensivieren ihre freundschaftlichen Kontakte nun in beidseitiger Freiheit.

„Wir Westdeutschen waren von den evangelischen Christen im Osten beeindruckt, hatten Freude an ihnen und empfanden die gemeinsamen Erlebnisse als glaubensstärkend. Bekanntschaften, Freundschaften und im Einzelfall sogar Ehen kamen über die Sperrgrenze hinweg zustande.“

Jürgen Schmude Ehemaliger Präses der Synode der EKD (1985 – 2003)

Bekanntschaften, Freundschaften und im Einzelfall sogar Ehen kamen über die Sperrgrenze hinweg zustande.“

Jürgen Schmude, ehemaliger Präses der Synode der EKD (1985 – 2003)

 

In: Patenschaften, Partnerschaften – Gemeindebegegnungen als kräftige Klammer zwischen den Menschen im geteilten Deutschland. Rede 13.11.2009 bei der Synode des Kirchenkreises Moers. (Downlaod PDF-Datei)

 

 

 

Hintergrundtext: Uwe Birnstein