EKD-Vertreterin nach Ukraine-Besuch: Man spürt die Bedrohung

Berlin (epd). Nach einem Besuch in Kiew hat sich die Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anne Gidion, beeindruckt vom Durchhaltewillen der Menschen in dem von Russland angegriffenen Land geäußert. „Man spürt die unglaubliche Bedrohung, man spürt die Trauer“, sagte Gidion dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zugleich sei es eindrücklich gewesen, „wie insbesondere junge Menschen in der Hauptstadt Kiew ihr Leben leben, auch auf der Straße tanzen“.

Gidion war anlässlich des Unabhängigkeitstags der Ukraine auf Einladung des Botschafters des Landes in Deutschland, Oleksii Makeiev, in den vergangenen Tagen in Kiew. Die Vertreterin der evangelischen Kirche gegenüber der Politik in Berlin und Brüssel nahm gemeinsam mit Vertretern vieler Länder an einer Veranstaltung der aus den USA hervorgegangenen Prayer-Breakfast-Bewegung teil, besuchte die lutherische Gemeinde in Kiew und „Safe Ukraine“, ein von der Diakonie Katastrophenhilfe mit unterstütztes Jugendprojekt. Der Besuch sollte ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine setzen, sagte Gidion.

Die Bedrohung durch Russland sei allgegenwärtig, sagte Gidion: „Das gilt auch für das Gebetstreffen mit über tausend Menschen an einem hoch geschützten Ort, dessen Adresse man erst einen Tag vorher erfuhr.“ Allgegenwärtig seien auch die Alarme vor Angriffen. Alle Menschen seien müde, sagte Gidion: „Man sieht, dass das eine seit drei Jahren auch von ständiger Schlaflosigkeit geprägte Gesellschaft ist.“

Beeindruckt habe sie beim Gebetsfrühstück, wie sehr den Menschen der Glaube an Gott in der Situation helfe. „Da ist die Haltung klar zum Ausdruck gekommen: 'Gott steht an unserer Seite, auch wenn wir angegriffen werden.'“ Die Menschen beteten Tag für Tag um Kraft zum Durchhalten, und für Gerechtigkeit und Frieden, sagte die Theologin.

Die Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine hatten vor drei Jahren eine Debatte in der evangelischen Kirche über die Rechtfertigung der Anwendung militärischer Gewalt neu entfacht. Im November will die EKD eine neue Denkschrift zu dem Thema vorstellen. „Ich denke, wir setzen damit genau das richtige Wort zur rechten Zeit“, sagte Gidion. In der evangelischen Kirche sei das Bewusstsein dafür gewachsen, „dass die Sicherheit und die Freiheit notfalls auch militärisch verteidigt werden müssen“. Die Einsicht, dass es notwendig sein könne, zur Sicherung des Friedens in Freiheit Gewalt anzuwenden, stehe nicht im Widerspruch zum christlichen Glauben, sagte sie.