Freiheit und Dienst

Zum Anlass

Im Zusammenhang der Debatte über ein eventuelles Ende der Wehrpflicht und damit des Zivildienstes ist in letzter Zeit erneut eine kontroverse Diskussion über Freiwilligendienste geführt worden. Diese hat wiederum eine Auseinandersetzung über die Möglichkeit der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht zur Folge. Viele gesellschaftliche Gruppierungen haben sich daran beteiligt und eine Position formuliert [1].

Die gegenwärtige Diskussion findet sowohl in den politischen Parteien als auch in den Wohlfahrtsverbänden statt. Verstärkt wird sie unter anderem durch die Tatsache, dass nur noch weniger als die Hälfte der Männer eines Jahrgangs zur Bundeswehr eingezogen wird und die Zahl der Zivildienstleistenden ebenfalls zurückgeht [2]. Damit stellt sich die Frage der Dienstgerechtigkeit und im Blick auf die Zukunft die nach einem wie auch immer organisierten Ersatz für den Zivildienst. Diese Diskussion ist auch im kirchlichen Kontext nicht neu. Schon 1991 hat die Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD in einem unveröffentlicht gebliebenen "Zwischenbericht" zum Thema "Wehrpflicht - Zivildienst - Allgemeine Dienstpflicht" formuliert:

"Für die Zukunft stellen sich die Fragen der Wehrgerechtigkeit verschärft. Es führt zu erkennbarer Ungleichbehandlung, wenn ein signifikanter Teil der jungen Männer eines Jahrganges nicht zur Bundeswehr eingezogen wird, obwohl die allgemeine Wehrpflicht besteht. Auf diesem Hintergrund sind die Möglichkeiten zu untersuchen,

  • von einer Wehrpflichtarmee auf eine Berufs- und Freiwilligenarmee überzugehen,
  • eine allgemeine Dienstpflicht einzurichten,
  • andere Möglichkeiten zur Lösung der Probleme der Wehrgerechtigkeit zu finden."

In der gegenwärtigen Diskussion über die Zukunft der Bundeswehr wird von verschiedenen Seiten das sogenannte "skandinavische" bzw. "dänische Modell" ins Gespräch gebracht: Die Wehrpflicht wird nicht abgeschafft, aber faktisch werden nur die jungen Männer eingezogen, die sich freiwillig für den Wehrdienst melden.

Dieses Modell könnte - vorausgesetzt, es melden sich genügend Freiwillige - einen Kompromiss zwischen den Befürwortern einer allgemeinen Wehrpflicht und denjenigen, die für eine Freiwilligenarmee plädieren, darstellen. Die Notwendigkeit der Verweigerung des Wehrdienstes und damit der Ableistung eines zivilen Ersatzdienstes wäre dann nicht mehr gegeben. Unbeantwortet bleibt allerdings in der Debatte die Frage, welche Konsequenzen es hätte, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden.

Auch für den Fall, dass die Wehrpflicht erhalten bleibt, muss mit einem Rückgang der Zahl der Zivildienstleistenden gerechnet werden. Dieses ist zu erwarten, da die Bundeswehr in Richtung einer Einsatzarmee verändert wird und damit weniger Wehrpflichtige benötigt werden.

Den Anlass für die Diskussion über eine allgemeine Dienstpflicht bildet also die Frage nach der Zukunft der Wehrpflicht und des Zivildienstes. Wird die Diskussion pro und contra aber nur unter diesem Gesichtspunkt geführt, bedeutet dieses eine Engführung. Vielmehr geht es bei der Alternative "Freiwilligendienste oder Allgemeine Dienstpflicht" darum, wie ein Konzept beschrieben werden kann, in dem Verantwortung für das Gemeinwesen von allen Gruppen der Gesellschaft gelernt, entwickelt und übernommen wird.

Sowohl für eine allgemeine Dienstpflicht einschließlich des Wehrdienstes als auch für einen Ausbau der Freiwilligendienste ist zu prüfen, ob sie realisierbare Konzepte darstellen, für die auch die Kraft und die Überzeugung zur Umsetzung vorhanden sind.

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