Grußwort zur Eröffnung der ÖRK-Vollversammlung am 31. August 2022 in Karlsruhe

Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland

Annette Kurschus

Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland

„Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes“, sagt Jesus. Wenn ich heute in diese Halle blicke und in Ihre Gesichter sehe - Menschen aus allen Teilen der Welt, aus unterschiedlichen Kulturen, aus verschiedenen Kirchen und Konfessionen -, dann packt mich die Ahnung: Wir erleben gerade einen Vorschein dieser buchstäblich himmlischen Verheißung. Mitten auf Erden, hier und jetzt. Da sind Sie: gekommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden. Und bevor es in versöhnter Einheit ans große Schmausen geht beim Festmahl an Gottes Tisch, gibt es hier erst einmal harte Arbeit an schlichten, bisweilen auch unbequemen Verhandlungstischen, an denen Sie um Versöhnung ringen, auch streiten werden.

Die Tische, die Sie hier empfangen, stehen in Karlsruhe und nicht im Reich Gottes. Aber diese Stadt ist für uns in Deutschland zumindest ein klitzekleiner Vorposten des Reiches Gottes: Weil hier nach Kräften die Menschenwürde hochgehalten und verteidigt wird. In Karlsruhe, am Bundesverfassungsgericht, hat Artikel 1 unseres Grundgesetzes seinen Hort: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Jedes Menschen Würde, unabhängig von Herkunft,

Glaube, Geschlecht, Klasse oder sexueller Orientierung! erkHDiesen Satz haben die Mütter und Väter des demokratischen Deutschlands ganz nach vorn gestellt, vor, unter und über alle anderen Gesetze, als Nazideutschland überwältigt und zusammengebrochen war und das Morden in den Gaskammern und auf den Schlachtfeldern ein Ende hatte. Nicht: Deutschland über alles. Nicht: Nation, Volk, Geld über alles. Sondern: Die Menschenwürde über alles! Ich wage zu behaupten, dass Jesus sagen würde: Ihr seid nicht fern vom Reich Gottes mit diesem Bekenntnis. Denn ja, es ist ein Bekenntnis, ein Glaubenssatz, eine Kampfansage an die millionenfache Antastung menschlicher Würde, die einen schier verzweifeln lässt.

Es ist dies die säkulare Form dessen, was wir glauben, liebe Brüder und Schwestern: dass uns in den angetasteten, entrechteten, unter Gewalt leidenden Menschenbrüdern und -schwestern Christus begegnet und uns zur Liebe ruft.

“Christ’s Love Moves the World to Reconciliation und Unity” heißt Ihr Leitwort für die nächsten Tage. Die Liebe Christi ist keine Gefühlsduselei, sie ist eine prophetische Praxis: tatkräftig, verwegen, mutig, widerständig. Diese Liebe, so schreibt es Paulus, erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, duldet alles.

Nein, nicht alles! Christi Liebe duldet keinen Angriffskrieg. Dem widerspricht sie. Wenn es Versöhnung und Einheit geben soll, dann nicht ohne diese Wahrheit. Um der Liebe Christi willen will ich glauben und hoffen, dass ein starkes Zeugnis dafür von Ihrer Versammlung ausgeht.

Christ’s Love Moves the World to Reconciliation und Unity. Ich wünsche Ihnen, dass Christi Liebe Sie inspiriert und Ihnen gute Moves beibringt. Moves auf dem Weg zum Frieden, den wir so sehnsüchtig erbeten.

Allen, die tagelang und Nächte hindurch für diese Vollversammlung geackert haben, manche über Jahre hinweg, danke ich von Herzen.

Allen, die von nah und fern hierhergekommen sind: Herzlich willkommen!

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11. Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe

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