Gottes Friede im Unfrieden der Welt
Zur Vorbereitung auf die Predigt am Sonntag Reminiszere (1. März 2026)
Ergebnisse eines Gespräches über den Predigttext zum Sonntag Reminiszere 2026, Römer 5,1–5.
An dem Video-Gespräch am 20. August 2025 nahmen teil: Pfr. Haroutune Selimian (Aleppo, Syrien), Pfr.n Mathilde Michael Sabbagh (Hassakeh, Syrien), Pfr. Enno Haaks (Leipzig), Pfr. i.R. Dr. Martin Dutzmann (Euskirchen), Vikar Tobias Maurer (Leipzig, GAW Pfalz).
„Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus. Durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott geben wird. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, 4Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“
Der Predigtabschnitt beginnt mit einer Proklamation: „Wir haben Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus!“ (Vers 1). Was für eine Botschaft in friedloser Zeit! Während wir unser Predigtgespräch führen, beherrschen die Kriege im Gazastreifen und der Ukraine die Schlagzeilen. Unterdessen leidet das syrische Volk weiterhin unter Instabilität, Knappheit und Ungewissheit.
Aber Vorsicht! Allzu oft wird Friede missbräuchlich versprochen oder proklamiert. Politische Machthaber reden gern vom Frieden, um Gewalt und Unterdrückung zu verschleiern. Das macht der syrische Kontext besonders deutlich. So nannte der frühere syrische Präsident Assad es Frieden, dass eine Minderheit eine Mehrheit dominierte und mit Gewalt für Ruhe sorgte. Die, die ihn stürzten, versprachen ihrerseits Frieden, konnten oder wollten aber nicht verhindern, dass es zu brutalen Überfällen und Kämpfen mit vielen Toten, insbesondere unter Drusen und Alawiten, kam. Religiöse Minderheiten, darunter die Christen, sehen sich permanent bedroht. Das syrische Volk ersehnt indessen einen Frieden, der die Menschenwürde aller Bürgerinnen und Bürger ungeachtet ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit achtet.
Der Friede mit Gott, Gottes Shalom, wie Paulus ihn proklamiert, ist von gänzlich anderer Art als der gewaltsam erzwungene Friede im Römischen Reich zur Zeit des Apostels, oder der vermeintliche Friede im Syrien unserer Tage. Der Friede Gottes ist eine Wirklichkeit, die Herz und Sinne verwandelt.
Auch die so verstandene Rede vom Frieden Gottes lässt sich allerdings missbrauchen. Wenn der Friede Gottes ein Friede für Herz und Sinne ist, dann könnten Menschen versucht sein, sich in die Innerlichkeit zurückzuziehen. Es droht ein Eskapismus, der sich für den Frieden auf Erden nicht (mehr) verantwortlich weiß.
Deshalb ist wichtig zu betonen: „Friede mit Gott“ meint nicht einfach emotionale Ruhe, sondern beschreibt die geheilte Beziehung zu Gott. Vers 2 des Predigtabschnittes präzisiert, dass den Glaubenden nicht allein ihre Sünde vergeben ist. Sie haben Zugang zum Thron Gottes, leben also in Gottes Gegenwart.
Der als ein Leben in Gottes Gegenwart verstandene Friede Gottes erweist sich als transformative Kraft. Das zeigt sich im gegenwärtigen syrischen Alltag mit seinen Erfahrungen von Gewalt, Korruption, Mangel und Angst. So versammeln sich in Syrien Familien trotz allen Mangels weiterhin zum Gottesdienst, Kirchen betreiben Schulen und Kliniken, Nachbarn teilen Lebensmittelpakete über konfessionelle Grenzen hinweg.
In Vers 3 des Predigtabschnittes rühmt sich Paulus seines Leidens. Was bedeutet diese befremdlich anmutende Aussage? Es mag hilfreich sein, sich zunächst klarzumachen, was diese Deutung des Leidens nicht meint. Paulus versteht sein Leiden nicht als Strafe für begangenes Unrecht oder als göttliches Erziehungsmittel, was unter Christen durchaus eine gängige Deutung war und ist. Auch redet der Apostel nicht einer Verherrlichung des Leidens das Wort, wie es Christen nach ihm taten, die das Leiden geradezu anstrebten.
Paulus begreift das Leiden schlicht als Teil seines Lebens, erkennt darin aber zugleich eine Station in einem Prozess geistlicher Reifung (Verse 3 und 4). Was das konkret bedeutet, bezeugen Christen in Syrien: Familien haben geliebte Angehörige begraben müssen, wurden vertrieben und haben ihr Zuhause verloren. Und genau in dieser Situation sagen viele, dass aus Bedrängnis Geduld und aus Geduld Hoffnung wurde, eine Hoffnung, die ihren Grund nicht in der Politik, sondern in Gottes unerschütterlicher Verheißung hat. Diese Hoffnung trügt nicht. (Vers 5)
Der Friede Gottes mündet also in ein anderes, ein neues Leben. Auch davon ist in Vers 5 die Rede, wenn es heißt, dass Gott durch den Heiligen Geist seine Liebe in die Herzen derer gegossen hat, die an ihn glauben. Was für ein wunderbares Bild! Ein Bild, das zum weiteren Ausmalen reizt. In der Bibel heißt es von Gott immer wieder, dass er reichlich gibt. So reichlich, dass die Herzen derer, die an ihn glauben, von Gottes Liebe nicht nur erfüllt sind, sondern überquellen. So ergießt sich Gottes Liebe durch die Glaubenden über die, die Zuwendung und Hilfe brauchen.
Konkret bedeutet das in Syrien, dass Lehrerinnen und Lehrer auch mit reduziertem Gehalt weiterarbeiten, dass Kirchen während eines Beschusses ihre Türen geöffnet halten oder dass Jugendliche trotz eigener Probleme Bedürftigen helfen.
Mitten im Unfrieden der Welt ist der Friede Gottes die Kraft, die uns trägt und uns zu Hoffnungsträgern für andere werden lässt, die uns verändert und uns zu Weltveränderern macht.