Was Wohlfahrtsmarken besser können als WhatsApp
Sigrid Forster (BAGFW) über Sonderpostwertzeichen im digitalen Zeitalter
Sie können mehr, als nur Briefe zu frankieren: Wohlfahrts- und Weihnachtsmarken unterstützen die Arbeit von Sozialverbänden in ganz Deutschland, verbinden Menschen in der Adventszeit und setzen ein sichtbares Zeichen der Solidarität. Warum diese kleinen Marken eine große Wirkung entfalten, erklärt Sigrid Forster von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW) im Gespräch.
Frau Forster, warum sollte man eine Wohlfahrts- oder Weihnachtsmarke kaufen?
Sigrid Forster: Weil man damit etwas Gutes tut. Man unterstützt die soziale Arbeit der Wohlfahrtsverbände und macht anderen eine Freude. Denn ein Brief, der mit einer schönen Wohlfahrts- oder Weihnachtsmarke frankiert wurde, fällt auf und bleibt mehr in Erinnerung als eine WhatsApp-Nachricht oder die 25. E-Mail mit Weihnachtsgrüßen.
Wie hoch ist der Zuschlag für eine Weihnachtsmarke aktuell?
Forster: In diesem Jahr zahlt man 95 Cent für das Porto und 40 Cent Zuschlag. Dieser Zuschlag kommt unseren sechs Mitgliedsverbänden, der AWO, dem Caritasverband, der Diakonie Deutschland, dem Deutschen Roten Kreuz, dem Paritätischen Gesamtverband und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland zugute.
Auffällig ist, dass es manchmal gar nicht möglich ist, die Wohlfahrts- oder Weihnachtsmarken in den Filialen der Deutschen Post zu erhalten.
Forster: Es gibt die Marken an 8000 Postfilialen im gesamten Bundesgebiet zu kaufen, und zwar in den Wochen direkt nach der offiziellen Ausgabe – für die diesjährige Weihnachtsmarke war das ab dem 3. November. Außerdem geht das natürlich über den Online-Shop der Post sowie über den Eigenvertrieb der Wohlfahrtsverbände. Allerdings ist das Produkt sehr erklärungsbedürftig, und bei der Post erfährt man oft gar nicht, wie es funktioniert und was alles dahintersteht.
Was steht denn alles dahinter?
Forster: Zum einen ist das Bundesfinanzministerium der Herausgeber der Postwertzeichen. Es schließt einen Lizenzvertrag mit der Deutschen Post ab, die wiederum die Marken produziert, bewirbt und verkauft. Die Zuschläge der über die Post verkaufen Marken werden später anteilig an die Wohlfahrtsverbände weitergegeben, deren soziale Arbeit wird so finanziell unterstützt. Zudem dürfen die Verbände die Marken auch im Eigenvertrieb verkaufen und behalten die Zuschläge dann gleich ein. Im Jahr 2024 wurden so insgesamt 8 Millionen Wohlfahrts- und Weihnachtsmarken verkauft. Das ist nicht wenig, wenn man bedenkt, dass Briefpost in Zeiten digitaler Kommunikation an Bedeutung verliert und dass wir insbesondere mit der Weihnachtsmarke in Konkurrenz zu den günstigeren Wintermarken der Deutschen Post stehen.
Was hat es damit auf sich?
Die Post gibt jedes Jahr eine Wintermarke heraus, die ohne Zuschlag verkauft wird. Man bekommt so eine hübsche Briefmarke für seine Weihnachtspost für deutlich weniger Geld. Darüber sind wir nicht glücklich, denn gerade die Weihnachtsmarken werden nicht nur von Sammlern nachgefragt. Wir versuchen deshalb, uns hinsichtlich des Motivs, das mit sehr viel Sorgfalt ausgewählt wird, zu unterscheiden und eine Alternative zu bieten.
Wie wird das Motiv genau ausgewählt?
Das macht der so genannte Kunstbeirat, ein Gremium des Bundesfinanzministeriums. Dort werden jedes Jahr die Entwürfe der ausgewählten Künstlerinnen und Künstler vorgelegt und beraten.
Wer gehört zur Kernzielgruppe der Wohlfahrtsmarken-Käufer?
Das sind zu 80 % Sammler, Philatelisten. Die Weihnachtsmarke ist diejenige unter allen Zuschlagsmarken, die am häufigsten von Nicht-Sammlern gekauft wird, die einfach schöne Weihnachtsbriefe verschicken möchten.
Was müsste passieren, damit das Produkt Wohlfahrtsmarke wieder bekannter wird?
Ein einfacher Weg wäre, wenn noch mehr Geschäftsstellen, Dienste und Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände ihre Dienstpost mit Wohlfahrts- oder Weihnachtsmarken frankieren würden. Das kostet lediglich so viel wie das reguläre Porto, da sie ja den Zuschlag nicht bezahlen müssen. Wohlfahrtsmarken auf Briefe geklebt – schneller kann man kaum auf unser Produkt aufmerksam machen.
Mehr zur Geschichte der Wohlfahrtsmarken erfahren Sie hier.
Interview: Andrea Hackenberg
Zur Geschichte der Wohlfahrtsmarken
Als die Deutsche Post 1949 erstmals Wohlfahrtsmarken herausgab, war dies der Start einer bis heute einzigartigen Erfolgsgeschichte. Unter dem Motto „Helft und schenkt Freude“ erschienen vier Marken mit Porträts bedeutender „Helfer der Menschheit“. Die Serie entwickelte sich ab 1951 zu einem festen Bestandteil des bundesdeutschen Postwesens. Prägende Motivreihen – darunter ab 1959 die beliebten Märchenmotive der Brüder Grimm – verhalfen den Ausgaben zu steigender Bekanntheit.
Wichtige Impulse setzte zudem die verstärkte Werbung: Wohlfahrtsmarken konnten nicht nur bei der Post, sondern auch direkt in sozialen Einrichtungen erworben werden. 1956 übernahm Bundespräsident Theodor Heuss die Schirmherrschaft. Weitere Popularität brachten die Wohlfahrtsmarken ab 1964 durch die Fernsehsendung Vergißmeinnicht, bei der sie Voraussetzung für die Teilnahme am Gewinnspiel waren.
Bis heute erscheinen jährlich zwei Serien, ergänzt durch spezielle Weihnachtsmarken, die seit 1969 auf dem Markt sind: Eine Zinnfigur Jesu in der Krippe vor ockergelbem Hintergrund zierte die erste dieser Maken. Ihr Wert betrug zehn Pfennige, plus fünf Pfennige Zuschlag.
Ein besonderes Merkmal ist geblieben: Wohlfahrtsmarken werden nur innerhalb eines festgelegten Verkaufszeitraums angeboten; nicht verkaufte Bestände werden vernichtet. Trotz sinkender Auflagen bleibt ihre Bedeutung hoch. Denn jede Marke verbindet philatelistischen Wert mit sozialem Engagement – und macht Hilfe sichtbar.
Mehr zur Geschichte der Wohlfahrtsmarken erfahren Sie auf der Website der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V.. Dort sind auch die Motive der jeweiligen Serien abgebildet.