„Ist das Leben nicht schön?“: Weihnachtsfilm mit Friedensbotschaft nach dem Krieg

Der Wert des Einzelnen für die Gemeinschaft - eine Auslegung von Christian Engels

Donna Reed als Mary Hatch Bailey und James Stewart als George Bailey in dem Film 'Ist das Leben nicht schön'
Alle Jahre wieder: Die ARD zeigt den Weihnachtsklassiker „Ist das Leben nicht schön?“

„Ist das Leben nicht schön?“ ist ein Film mit einer starken Friedensbotschaft: Kein Leben ist unwichtig. Die Bedeutung eines Menschen zeigt sich nicht in großen Taten, sondern im stillen Wirken der Liebe und in den Spuren, die er hinterlässt. Gleichzeitig ist die stabile Harmonie, in der wir leben, eine Illusion, die sich jederzeit auflösen kann. Der 1946, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Film gewinnt in Zeiten globaler Konflikte und Bedrohungen an Aktualität.

Kurze Zusammenfassung von „Ist das Leben nicht schön?“

George Bailey setzt sich sein Leben lang für andere ein und stellt dabei seine eigenen Träume zurück. Eine finanzielle Katastrophe bringt ihn an den Rand der Verzweiflung. Ein Engel namens Clarence führt ihm im letzten Augenblick vor Augen, wie viel Gutes er bewirkt hat und wie das Leben seiner Umwelt ohne ihn gelaufen wäre – geprägt von Verlust, Unglück und fehlender Gemeinschaft. Dadurch erkennt George den wahren Wert, den er hat. Und weil sein Beispiel andere inspiriert, kann auch die Katastrophe abgewendet werden. Dankbar feiern am Ende alle gemeinsam Weihnachten.

Theologische Gedanken für einen Gemeindeabend zum Weihnachtsfilm

Jedes Mal, wenn ich den Film „Ist das Leben nicht schön?“ sehe, werde ich überrascht. Denn ich glaube jedes Mal, dass in Capras Klassiker schon ganz früh der Moment kommt, wenn George Bailey vorgeführt wird, wie das Leben seiner Mitmenschen gelaufen wäre, wenn er selbst nie gelebt hätte. Darum geht es in meiner Erinnerung in dem Film doch vor allem. Aber es dauert ewig bis dahin. Erstmal wird das ganze Leben von George Bailey erzählt, seine Triumphe, seine Niederlagen, und ich denke immer: wann ist es denn soweit? Wann kommt der Engel, der sich seine Flügel verdienen muss? Und dann ist es soweit. Der Engel tritt auf. In der dunkelsten Stunde von George Bailey. Georges Onkel hat viel Geld verloren, ausgerechnet an den schlimmsten Kapitalisten der Stadt, Mr. Potter. Das Lebenswerk von George Bailey ist ruiniert. Und es werden Gerüchte über seine angebliche Untreue in Lauf gebracht. Beruflich und privat fühlt sich George Bailey als Versager, als jemand, der anderen nichts als Probleme eingebracht hat. In seiner Not bittet George Gott um Hilfe. Und kurz darauf wird ihm geholfen, auf eine ungewöhnliche Art und Weise.

Stabile Harmonie kann sich jederzeit auflösen

Als George sich in seiner Verzweiflung in einen Fluss stürzen will, ist plötzlich ein alter Mann im Wasser und ruft um Hilfe. Und George, der sich sein Leben lang um andere gekümmert hat, springt jetzt natürlich auch ins Wasser und rettet den Arm, der anscheinend seine Hilfe braucht. Sogar als George sterben will, stellt er diesen Wunsch zurück, um einem Fremden das Leben zu retten. Und damit rettet George sein eigenes Leben. Denn Clarence behütet ihn, wie es In Psalm 91,11 heißt: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten.“. Clarence führt George vor Augen, wo sein Leben andere berührt und nachhaltig zum Guten verwandelt hat. Menschen wären ohne ihn gestorben, verzweifelt, verbittert. George kann nicht glauben, was er sieht. Die ganze Stadt, in der er lebt, hätte ohne ihn ihre Orientierung und ihre Werte verloren. Diese alternative Realität, die Clarence ihm vorführt, ist für George unerträglich. Er erlebt wieder eine Verzweiflung, aber dieses Mal ist es andere. Früher war er verzweifelt, weil er selbst versagt hatte. Jetzt ist er verzweifelt, weil alle versagt haben, weil die stabile Harmonie, in der er gelebt hat, eine Illusion ist, die sich jederzeit auflösen kann. George Bailey verzweifelt, weil er die Menschen, die er liebt, als so unglücklich erlebt. Und er erkennt, wie wichtig er selbst ist. Deshalb zieht er seinen Wunsch zu sterben zurück. Er steht wieder an der Brücke, von der er sich stürzen wollte, aber jetzt will er leben. George war gefangen in seiner Verzweiflung und Clarence hat ihn nicht nur behütet, er hat ihn auch befreit. So wie der Engel Petrus in Apostelgeschichte 12,7 aus der Haft befreit, so befreit Clarence George. Vielleicht ist das eine der wichtigsten Aufgaben von Engeln: dass sie Menschen aus den engen Zellen der eigenen Wahrnehmung herausführen, dass sie dabei helfen, abzuschütteln, was im Griff hält, dass sie die Augen öffnen, um zu sehen, was glücklich macht. Das schafft Clarence. Er hat sich seine Flügel verdient.

Der Weihnachtsfilm schlechthin in den USA

Als George (der wohl nicht zufällig denselben Vornamen wie der erste Präsident der USA hat) dann wieder in seiner ursprünglichen Realität zurückgekehrt ist, sieht er das, was ihm als Alltag erschien, mit neuen Augen. Das kleine Glück seiner Mitbürger erscheint ihm als Wunder, weil er weiß, wie kostbar es ist, wie leicht es verloren gehen kann. Uns als Zuschauenden geht es ebenso. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wirklich das ganze Leben von George im Film gezeigt wird, auch wenn ich jedes Mal denke: Wann kommt denn endlich Clarence? Denn nur, weil ich das ganze Leben von George Bailey kennengelernt habe, nur weil mir seine Heimatstadt auch vertraut geworden ist, nur deshalb trifft auch mich als Zuschauenden die Veränderung, die George erlebt, mit so großer Wucht, und nur deshalb bin auch ich erleichtert, als George wieder leben will und die fragile, wundervolle Harmonie wiederhergestellt ist. George hat sich das Happy End verdient. Am Ende erlebt er den Höhepunkt seiner Wirkung auf andere. Seine Frau und sein Onkel haben die Ortsbewohner dazu gebracht, so viel Geld zu spenden, dass George die finanzielle Katastrophe abwenden kann, die Gerüchte über ihn hat seine Frau nie geglaubt.

In den USA ist der Film ein absoluter Klassiker, es ist der Weihnachtsfilm schlechthin. Dabei war er, als er herauskam, ein Misserfolg, vielleicht war er zu süßlich und kitschig für ein Publikum, das damals gerade harte Kriminalfilme mit Humphrey Bogart bevorzugte. Aber für die meisten Menschen, die ihn später im Fernsehen kennengelernt haben, hat der Film viele Vorzüge. Da ist James Stewart in der Hauptrolle als George Bailey, einer der besten und beliebtesten Schauspieler seiner Generation, da ist ein klarer und furchteinflößender Gegenspieler Henry Potter, gespielt von Lionel Barrymore, der kalte Kapitalist, da ist das Spiel mit religiösen und spirituellen Elementen. Und nicht zuletzt lebt der Film auch von seiner Ähnlichkeit mit einem anderen Weihnachtsklassiker, A Christmas Carol von Charles Dickens. Er ist sozusagen das Spiegelbild. In A Christmas Carol bekommt Ebenezer Scrooge vorgeführt, was er selbst durch seine Gier verloren hat, hier bekommt George Bailey gezeigt, was er durch seine Großherzigkeit anderen geschenkt hat. Ebenezer Scrooge ist anschließend ein neuer Mensch, George Bailey ist in seinem Charakter durch diese magische Nacht bestärkt worden. Die Bedeutung eines einzelnen Lebens wird nicht in spektakulären Leistungen, sondern im stillen Wirken der Liebe sichtbar.

„Ist das Leben nicht schön?“ - ohne den Zweiten Weltkrieg nicht denkbar

Der Film entstand 1946, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, und er ist ohne diesen Krieg nicht denkbar. James Stewart hatte in Europa gekämpft, Frank Capra, der Regisseur, hatte Propagandafilme gedreht. Beide waren durch den Krieg verändert. Stewart war vorher für Komödien berühmt und drehte in den nächsten Jahren viele harte Western. Capra war ebenfalls für Komödien berühmt und konnte nach dem Krieg nie wieder an seine früheren Erfolge anknüpfen. Beide machten hier zusammen eine Aussage, die ihnen wichtig war: kein Leben ist unwichtig. Keiner der Menschen, die im Krieg gestorben waren, war wertlos. Jeder hinterlässt Spuren. Und mehr als das. Mit dem Engel Clarence sagt der Film auch: es gibt ein Leben nach diesem Leben. Kein Mensch geht verloren. Das war für sie eine wichtige Aussage, nach dem Konflikt, der gerade erst hinter ihnen lag.

Wir leben in einer Zeit, in der uns die Konflikte so nahe gehen wie schon lange nicht mehr. Der Angriff auf die Ukraine beschäftigt uns alle. Der Krieg in Gaza führt zu heftigen Diskussionen. Wir leben in einer Zeit, in der wir auch besonders trostbedürftig sind. Wir leben in einer Zeit, in der wir gerade angesichts von Bedrohungen und Spannungen die Aussage brauchen, dass jeder Mensch wichtig ist, wie es in 1. Korinther 12,26 heißt: „Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit.“ Heute würden wir bei einem solchen Satz vielleicht an Begriffe wie Solidarität und Empathie denken, Begriffe mit einer wichtigen politischen und zwischenpersönlichen Bedeutung. Solidarität und Empathie helfen uns dabei, andere Menschen anzunehmen und zu unterstützen.

Weihnachtsfilm zeigt: Wir sind ein Leib

Solidarität und Empathie helfen uns dabei, das Leid anderer zu sehen und Ungerechtigkeiten nicht hinzunehmen, Ungerechtigkeiten, wie sie in diesem Film von Mur. Potter verkörpert werden. Aber der Satz aus dem Brief von Paulus an die Korinther geht über Solidarität und Empathie hinaus. Er sagt, dass alle Menschen unauflösbar zusammengehören, dass sie in Wahrheit eins sind vor Gott. Es ist eine große Herausforderung, diese Einsicht konsequent in ein menschliches Leben umzusetzen. Aber es ist ein Ziel, das man anstreben kann, und das Leben von George Bailey kommt diesem Ziel sehr nahe. Der Gedanke, dass wir alle miteinander ein Leib sind, dass wir uns gegenseitig brauchen und helfen können, wird in „Ist das Leben nicht schön?“ überzeugend deutlich gemacht. Mr. Potter, der Gegenspieler von George, ist reich und berühmt, während George vergleichsweise unbekannt und unscheinbar ist. Aber er ist unscheinbar, weil er sich selbst nicht so wichtig findet wie seine Mitmenschen, und in diesem Punkt hat er eine Parallele zu einem Kind, das in einem unscheinbaren Stall geboren wurde. Auch deshalb ist „Ist das Leben nicht schön?“ ein perfekter Weihnachtsfilm.

 

Vorschläge für Gebete

Gott des Lebens,

wenn ich nur noch Sackgassen sehe
und alles sinnlos erscheint,
halte du mich fest.
Erinnere mich daran, dass mein Leben Bedeutung hat –
auch dann, wenn ich sie selbst nicht sehe.
 

Gott des Helfens,
mein Handeln bleibt nicht ohne Wirkung.
Zeige mir, dass mein Tun etwas auslöst,
gutes und schlechtes,
auch dort, wo ich es nie erfahren werde.
Lass mich verantwortlich leben – aus Liebe.

Gott des Fühlens,
du hast uns nicht allein geschaffen.
Schenke mir ein waches Herz für die Sorgen anderer
und den Mut, nicht wegzusehen.
Lass mich bleiben, wo ich gebraucht werde.
 

Gott der Menschen,
du verbindest Leben.
Danke für Menschen, die tragen, zuhören, auffangen.
Hilf mir, Teil solcher Gemeinschaft zu sein
und nicht nur an mich selbst zu denken.
Amen.

Christian Engels

Zum Autor:

Pfarrer Christian Engels ist im Team des Medienbeauftragten der EKD im GEP seit Januar 2021 Leiter des Evangelischen Zentrums für evangelische Filmarbeit, das Filme aus dem globalen Süden für die Bildungsarbeit zur Verfügung stellt, sowie Leiter der Filmkulturellen Arbeit im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) und damit verantwortlich für den evangelischen Film des Monats. Zugleich ist er Senderbeauftragter für SAT.1 und ProSieben. Vor seiner Mitarbeit im Team des Medienbeauftragten war Christian Engels u.a. Mitarbeiter bei einer Filmproduktionsfirma und Gemeindepfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Programmtipp:

Der Film „Ist das Leben nicht schön“ ist am 20.12. (21.50 Uhr) im SWR und am 24.12 ( 21:55 Uhr) im ORF1 zu sehen. Außerdem ist er ab dem 20.12 in der ARD-Mediathek abrufbar.