Material- und Leseliste zum Schwerpunktthema „Kirche und Macht“

Schwerpunktthema der 6. Tagung der 13. Synode der EKD

Zum Themenfeld "Macht" gibt es allein im deutschsprachigen Raum eine überwältigende Fülle an Literatur. Die folgenden Material- und Lesehinweise verstehen sich daher als Einführungen und Empfehlungen im Vorfeld der Tagung der EKD-Synode im November 2025, die sich mit dem Thema "Kirche und Macht" beschäftigen wird. Keinesfalls erheben sie den Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Textempfehlungen gliedern sich in vier Bereiche: In der soziologisch-philosophischen Annäherung werden grundlegende Begriffsbestimmungen und Orientierungen zum Thema "Macht" präsentiert. In den kirchenrechtlichen und theologischen Annäherungen wird Kirche in ökumenischer Weite und ihre spezifische Beziehung zu Macht in produktiven wie destruktiven Formen in den Blick genommen. Der Fokusbereich Sexualisierte Gewalt und geistlicher Missbrauch sammelt wichtige Hinweise im Hinblick auf diese Formen des Machtmissbrauchs in der katholischen und der evangelischen Kirche. Jeder Bereich dieser Lesehinweise ist in zwei Kategorien unterteilt. Unter "Texte" findet sich Grundlegendes und Einführendes. Unter "Weiterführende Lektürehinweise" finden sich vertiefende und erweiternde Texte und Medien.

Soziologische Annäherungen

  • Heinrich Popitz (2. 1992): Phänomene der Macht. Mohr Siebeck. S. 31-35.

    ‍Heinrich Popitz' Werk beleuchtet die Grundformen gesellschaftlicher Macht. Er definiert in diesem Ausschnitt aus der Einleitung in sein Werk vier Hauptformen: Aktionsmacht erlaubt, jemanden körperlich oder existenziell zu schädigen. Instrumentelle Macht steuert Verhalten über Belohnungen oder Strafen. Autoritative Macht beeinflusst über das Festlegen von Regeln und das Zuteilen oder Entziehen von Lob. Datensetzende Macht formt die dingliche Umgebung durch technische Eingriffe. Diese Bedürfnisse in Bezug auf Macht - verletzlich sein, an die Zukunft denken, Anerkennung brauchen und von Dingen abhängen - gehören zu den menschlichen Daseinsbedingungen. Alle Machtarten lassen sich bewusst einsetzen. Sie beeinflussen, wie Menschen handeln, fühlen und leben.

  • Stefan Kühl (2020): Machtspiele. Überlegungen zu Macht in Organisationen. In: Arno Schillberg und Bernd Weidmann: Macht und Autorität. Ihre Ambivalenz in Kirche und Gesellschaft. S. 53-66.

    Kühl untersucht die negative Konnotation von Macht in Organisationen und argumentiert, dass Macht oft mit Eigennutz und Missbrauch assoziiert wird, obwohl sie tatsächlich ein alltägliches Phänomen ist. Er stellt dar, wie Organisationen dazu neigen, Machtphänomene in Veränderungsprozessen zu ignorieren, und argumentiert, dass Macht aus der Beherrschung von Unsicherheitszonen entsteht. Weiterhin beleuchtet er, wie Machtspiele in Veränderungsprozessen wirken und wie diese verändert oder gesteuert werden können, indem man ihre Rolle bei Rationalitätslücken und Konflikten anerkennt. Abschließend plädiert Kühl für ein pragmatischeres Verständnis von Macht in Organisationen, um ihre Funktionen besser zu nutzen.

  • Stefan Kühl (2023): Der ganz formale Wahnsinn: 111 Einsichten in die Welt der Organisationen. #17 Demokratie. S. 53-54; #41 Hierarchie. S. 104-105; #59 Macht. S. 151-153; #65 Partizipation. S. 165-166; #94 Vertrauen. S. 235-236

    Kühl beleuchtet vielschichtige Machtdynamiken in Organisationen und korrigiert die Annahme, Macht entspringe allein der Hierarchie. Vielmehr gründeten Einfluss und Durchsetzungskraft auf der Kontrolle relevanter „Unsicherheitszonen“ (formale Regeln, spezialisiertes Sachwissen, privilegierte Zugänge zur Umwelt oder die Kontrolle interner Kommunikationskanäle). Die Machtentfaltung stoße an Grenzen, wo ein gemeinsames Interesse am Fortbestehen der Machtbeziehung besteht. Im Kontext von Reformen wird Partizipation kritisch hinterfragt. Obwohl sie als „Zauberwort“ gepriesen wird, um Intelligenz und Motivation zu mobilisieren, dient sie in vielen Fällen primär der Legitimation von Entscheidungen und der „Auskühlung“ von Protest. Im Gegensatz zu den formalen Verfahren an Gerichten fehlten in Organisationen oft klare Spielregeln, eindeutige Rollen und neutrale Entscheider*innen. Zuletzt wird auch das Vertrauen als Steuerungsmechanismus beleuchtet. Es sei grundlegend fragil hin: Vertrauen baue sich langsam auf, könne aber durch geringste Anzeichen von Missbrauch schnell zerbrechen. „Systemvertrauen“ sei in Mechanismen wie Geld oder Macht als entscheidender Faktor zur Reduktion sozialer Komplexität. Werde Vertrauen angemahnt, sei das oft ein Indiz für das Versagen oder die Überlastung anderer Steuerungsmechanismen wie Hierarchien, Regeln oder Märkten.

  • Lisa Jaspers, Naomi Ryland, Silvie Horch (Hrsg.) (2022): Unlearn Patriarchy. Ulstein.

    Unlearn Patriarchy ist ein Sammelband, der sich mit der anhaltenden Präsenz des Patriarchats im 21. Jahrhundert auseinandersetzt. Das Buch bietet feministische Impulse und Hilfestellungen zum Erkennen und Auflösen toxischer patriarchaler Strukturen im Alltag. Es thematisiert, wie tief verwurzelte Denkmuster und Rollenbilder selbst bewusste Feminist*innen beeinflussen und wie patriarchale Handlungsmuster in verschiedenen Gesellschaftsbereichen, von Sprache und Liebe bis hin zu Arbeit und Politik, durchbrochen werden können, um ein besseres Leben für alle zu ermöglichen.

Kirchenjuristische Annäherungen

 

Hinnerk Wißmann (2019): Amt. In: Hans Michael Heinig, Jens Reisgies (Hrsg.), 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht. Mohr Siebeck. S. 4–6.

Peter Unruh (2019): Grundsätze, ungeschriebene. In: Hans Michael Heinig, Jens Reisgies (Hrsg.), 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht. Mohr Siebeck. S. 78-81.

Hendrik Munsonius (2019): Kirchenleitung (Funktion). In: Hans Michael Heinig, Jens Reisgies (Hrsg.), 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht. Mohr Siebeck. S. 106-109.

Jens Reisgies (2019): Partizipation. In: Hans Michael Heinig, Jens Reisgies (Hrsg.), 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht. Mohr Siebeck. S. 191-193.

Anke, Hans Ulrich, de Wall, Heinrich, Heinig, Hans Michael (Hrsg.): Handbuch des evangelischen Kirchenrechts, Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

Uta Kleine, Martin Richter: Aufsicht, S. 14-17. In: Hans Michael Heinig, Jens Reisgies (Hrsg.) (2019): 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht, Mohr Siebeck. 

Hans Michael Heinig: Grundlagendiskussion, S. 70-73. In: Hans Michael Heinig, Jens Reisgies (Hrsg.) (2019): 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht, Mohr Siebeck. 

Christian Heckel: Grundrechte, innerkirchliche, S. 73-77. In: Hans Michael Heinig, Jens Reisgies (Hrsg.) (2019): 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht, Mohr Siebeck. 

Heinrich de Wall: Kirchenleitung (Organ), S. 109-111. In: Hans Michael Heinig, Jens Reisgies (Hrsg.) (2019): 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht, Mohr Siebeck. 

Christian Heckel: Landessynode, S. 152-155. In: Hans Michael Heinig, Jens Reisgies (Hrsg.) (2019): 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht, Mohr Siebeck. 

Jens Reisgies: Vetorechte, S. 265-268. In: Hans Michael Heinig, Jens Reisgies (Hrsg.) (2019): 100 Begriffe aus dem evangelischen Kirchenrecht, Mohr Siebeck. 
 

 

Systematisch-/praktisch-theologische Annäherungen

  • Christian Polke (2021): Welcher Macht bedarf der Glaube? Eine ethisch-theologische Überlegung zur Macht der Kirche(n). In: Erwachsenenbildung (67, 1/2021). S. 13-16.

    Polke erörtert die komplexe Beziehung zwischen Glaube und Macht innerhalb der Kirche und argumentiert, dass Macht notwendig sei für die Wirksamkeit des Glaubens. Er betont, dass die Kirche als Teil der Gesellschaft mit dieser verwoben ist und ihre aktuellen Krisen nicht isoliert von der Gesellschaft betrachtet werden könnten. Polke fordert eine schonungslose Selbstkritik und eine inklusive Mitbestimmung der Leidtragenden und Ausgegrenzten in Entscheidungsprozessen. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit funktionierender Synode als demokratische Lerngemeinschaften innerhalb der Kirche hervorgehoben, Verfahrensweisen, die auch externe Perspektiven zuließen und als Vorbild für die Gesellschaft dienen könnten. Polke versteht Kirche als politische Größe, deren Wirkmächtigkeit sich aus der Inkulturation der Nachfolgebereitschaft im Geiste der Bergpredigt ergibt und Macht als brüderlichen Dienst im Sinne gegenseitiger Solidarität begreift.

  • Stefan Kopp (2020): Macht – Kirche – Missbrauch. Geistliche Autorität neu denken. In: Stefan Kopp (Hg.): Macht und Ohnmacht in der Kirche. Herder. S. 7-14.

    Kopp befragt in seiner Einführung das Konzept von Macht innerhalb der Kirche, insbesondere im Kontext der aktuellen Missbrauchskrise, nicht nur aus katholischer Sicht. Der Text hinterfragt die Definition von Macht von der säkularen bis zur religiösen Perspektive, betont die Notwendigkeit einer selbstkritischen Reflexion und fordert einen Kulturwandel hin zu einer dienenden, geistlichen Autorität ohne Klerikalismus. 

  • Stefan Silber (2018): Macht und Theologie. Postkoloniale Kritiken hegemonialer Wissenschaft.

    In: Gunter Prüller-Jagenteufel, Rita Perintfalvi und Hand Schelkshorn: Macht und Machtkritik. Beiträge aus feministisch-theologischer und befreiungstheologischer Perspektive. S. 59-70. 

    Stefan Silber erforscht in "Macht und Theologie" die postkoloniale Kritik an hegemonialer Wissenschaft und Theologie. Der Text untersucht, wie theologische Diskurse durch Machtinteressen geformt und missbraucht werden, und konzentriert sich dabei auf die Wechselbeziehung zwischen postkolonialen und Befreiungstheologien. Dabei kritisiert er "westliche" theologische Annahmen und thematisiert die Auswirkungen des Kolonialismus auf religiöse und akademische Bereiche. Silber diskutiert, wie essentialistische Beschreibungen von Identität überwunden und die Stimmen der Unterdrückten in der wissenschaftlichen Analyse repräsentiert werden können. Der Aufsatz fordert eine theologische Machtkritik und eine Neubewertung epistemologischer Grundlagen.
     

  • Christian Polke (2019): Theologie als Machtdiskurs. In: Christian Ströbele, Tobias Specker, Amir Dziri, Muna Tatari (Hgg.), Welche Macht hat Religion? Anfragen an Christentum und Islam. Pustet. S. 262-284.

    Christian Polke erörtert die Verbindung von Religion und Macht, indem er argumentiert, dass Religionen nicht nur faktisch, sondern auch strukturell und konzeptionell machtbesetzt sind. Es wird untersucht, wie Religionen als Sinnsysteme und Erfahrungswelten funktionieren, wobei insbesondere westliche theologische und religionsphilosophische Konzepte von „Sinn“ und „Erfahrung“ kritisch beleuchtet werden, da diese historisch bedingte konzeptionelle Vorentscheidungen und potenziell diskriminierende Klassifizierungen beinhalten. Polke hinterfragt die Vorstellung eines "eigentlichen religiösen Kerns" und betont, dass jede Rede über Religion, sowohl von Gläubigen als auch von Außenstehenden, als Machtdiskurs betrachtet werden kann. Weiterhin werden spezifische Gefahren von Literalismus und Theologenherrschaft innerhalb hermeneutischer Religionskulturen wie Christentum und Islam analysiert, welche aus der Macht des Wortes Gottes und seiner Interpretation resultieren können. Abschließend plädiert der Autor für eine selbstkritische theologische Reflexion und die Institutionalisierung pluraler Strukturen an Universitäten, um Machtmissbrauch zu verhindern und einen offenen Dialog zwischen verschiedenen Erkenntnisformen zu fördern.

Fokus Sexualisierte Gewalt und geistlicher Missbrauch

  • Martin Wazlawik et al. (2024): Mögliche institutionelle und evangelisch-spezifische Phänomene der Ermöglichung, der Verdeckung und des Umgangs mit sexualisierter Gewalt (Kapitel 10)

    In: Forschungsverbund ForuM (Hg.): Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland. Abschlussbericht. S. 732-796.

    Der Forschungsverbund ForuM untersucht sexualisierte Gewalt in evangelischen Kontexten in Deutschland, wobei in Kapitel 10 institutionelle Phänomene analysiert werden, die solche Taten begünstigen oder ihre Aufarbeitung erschweren. Eine zentrale Erkenntnis ist die Verantwortungsdiffusion und -delegation, bei der trotz formaler Zuständigkeiten eine tatsächliche Verantwortungsübernahme oft unterbleibt oder nach oben beziehungsweise an das Rechtssystem verschoben wird. Das Selbstbild der evangelischen Kirche als „progressiv“ und hierarchiearm stehe im Widerspruch zu den Erfahrungen von Betroffenen, die Distanzlosigkeit, mangelnde Selbstreflexion und eine Abwehrhaltung gegenüber Kritik wahrnehmen. Darüber hinaus identifiziert die Studie kommunikative Praktiken der Verharmlosung und Leugnung, sowie einen strategischen Umgang mit Hierarchien, der Machtmissbrauch ermöglicht und die Aufarbeitung behindert. Betroffene erleben zudem Forderungen nach Anpassung ihrer Kommunikation und eine Schuldumkehr, die ihre Situation weiter erschwert und sie oft isoliert.
     

  • Heike Springhart (2022): Kein Zwang zur Vergebung. Befreiungstheologische Aspekte einer evangelischen Lehre von der Vergebung angesichts sexualisierter Gewalt.

    In: Johann Hinrich Claussen (Hg.): Sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche. Wie Theologie und Spiritualität sich verändern müssen. Herder. S. 13-38.

    Heike Springhart untersucht kritisch die theologische Lehre der Vergebung im Kontext sexualisierter Gewalt innerhalb der evangelischen Kirche. Sie betont, wie wichtig es sei, die Perspektive der Opfer in den Mittelpunkt zu rücken, um eine zweite Viktimisierung durch vorschnelle oder normative Forderungen nach Vergebung zu vermeiden. Springhart differenziert zwischen Sünde und Schuld und hinterfragt, ob eine rein täterorientierte Theologie, die sich auf die Rechtfertigungslehre konzentriert, den Erfahrungen der Betroffenen gerecht wird. Der Text erörtert verschiedene theologische Ansätze zur Vergebung, insbesondere Ansorges Konzept der Gottesbindung an die Zustimmung der Opfer, sowie die reformatorische Rechtfertigungslehre und ihre Grenzen. Schließlich plädiert sie für ein prozessuales Verständnis von Vergebung und führt den Gedanken der „Vernarbung von Schuld“ ein, der Opfer einen Weg jenseits des Zwangs zur sofortigen Vergebung eröffne und die Vergebung letztlich als eine an Gott gerichtete Bitte positioniere.
     

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  • Notger Slenczka (2024): Wie kann ein gnädiger Gott auch ein gerechter Gott sein?

    In: VELKD (Hg.): Lutherische Theologie und die Abgründe sexualisierter Gewalt (VELKD-Texte 195). Online verfügbar unter: S. 9-10


    Notger Slenczka stellt heraus, dass die christliche Tradition zunächst ein Göttliches Gericht vorsieht, welches die Frage der Opfer nach ausgleichender Gerechtigkeit beantwortet und sicherstellt, dass Übeltäter ihrer Strafe nicht entgehen. Er kritisiert, dass eine Nivellierung aller Sünden oder eine Reduktion auf Unglaube die konkrete moralische Untat aus den Augen verlieren lässt und so das Leid der Betroffenen relativiert. Echte Vergebung sei demnach keine Selbstverständlichkeit und erfordere vom Täter ernsthafte Reue, Bekenntnis und den Versuch der Wiedergutmachung, wodurch sie stets die Geltung der Gerechtigkeit voraussetzt.
     

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  • VELKD (Hg.): Lutherische Theologie und die Abgründe sexualisierter Gewalt. VELKD-Texte 195.

    Die Texte beschäftigen sich mit der komplexen Beziehung zwischen lutherischer Theologie und dem Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche. Sie hinterfragen, wie theologische Konzepte wie Sünde, Rechtfertigung und Vergebung missbraucht wurden, um Täter zu schützen und das Leid der Opfer zu ignorieren. Mehrere Autor:innen betonen die Notwendigkeit einer kritischen Neubewertung dieser Traditionen, um eine theologische Grundlage für Gerechtigkeit, Solidarität mit den Opfern und die Bekämpfung institutioneller Versäumnisse zu schaffen. Die Texte diskutieren auch die Rolle von Scham, die Grenzen der Vergebung, insbesondere aus Opfersicht, und die Wichtigkeit einer Ethik, die über bloße Harmonie hinausgeht und konkrete Maßnahmen gegen Gewalt fordert. Insgesamt plädieren die Beiträge für eine Reformationsbewegung innerhalb der Kirche, die sich ihrer historischen und aktuellen Fehlbarkeit bewusst ist und sich konsequent für die Schwächsten einsetzt.

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  • Thomas Großbölting (2022): Sexueller Missbrauch in der Katholischen Kirche als Skandal.

    In: Birgit Aschmann (Hg.): Katholische Dunkelräume: Die Kirche und der sexuelle Missbrauch. S. 23-42.

    Thomas Großbölting untersucht den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche als gesellschaftlichen Skandal, wobei er den Fokus auf Deutschland legt. Er analysiert, wie und warum sich die "Grenzen des Sagbaren" im Laufe der Zeit verschoben haben, was die öffentliche Thematisierung dieser Taten ermöglichte. Anhand von Fallbeispielen wird verdeutlicht, wie lange Missbrauchsfälle totgeschwiegen wurden und welche Rolle Machtstrukturen innerhalb der Kirche und ihr hohes gesellschaftliches Ansehen nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Vertuschung spielten. Großbölting erklärt, dass erst ein Wandel in der öffentlichen Meinung und ein Machtverlust der Kirche es ermöglichten, dass diese Skandale ans Licht kamen, und erörtert die Konzepte der Diskursmacht und der Pastoralmacht als spezifisch katholische Faktoren, die Missbrauch begünstigten und die Aufarbeitung behinderten.
     

  • Michael Höffner (2024): Spirituelle Autonomie

    In: Geist und Leben 97. Echter. S. 259-267.

    Michael Höffner, Professor für Theologie der Spiritualität an der PTH Münster und am CTS Berlin, untersucht das Konzept der spirituellen Autonomie, definiert sie als Selbstbestimmungsrecht im spirituellen Bereich und hebt ihre Rolle als Schutz vor geistlichem Missbrauch hervor. Er argumentiert, dass spirituelle Autonomie über bloße Selbstbestimmung hinausgeht und eine selbstbestimmte Geistbestimmtheit beinhaltet, bei der Individuen ihre eigene Würde erkennen und zwischen verschiedenen spirituellen Einflüssen unterscheiden. Höffner präsentiert zehn Thesen, die die Komplexität spiritueller Autonomie aufzeigen, einschließlich der Fähigkeit, Ja und Nein zu sagen, mit Emotionen umzugehen und innere Zwänge zu überwinden. Des Weiteren betont er die Notwendigkeit, die eigene Ergänzungsbedürftigkeit anzuerkennen, die Unverfügbarkeit des Göttlichen zuzulassen und die spirituelle Intimsphäre zu schützen. Insgesamt plädiert er für die Stärkung spiritueller Mündigkeit als Weg zu einem erfüllten Glaubensleben.
     

  • Katharina Kluitmann OSF: Was ist geistlicher Missbrauch?

    In: Ordenskorrespondenz 02/2019. S. 184-192

    Sr. Dr. Katharina Kluitmann OSF ist Pastoralreferentin und Psychologin und auch als Provinzoberin und Präventionsbeauftragte der DOK tätig. Sie erörtert das komplexe Thema des geistlichen Missbrauchs. Kluitmann schlägt eine Arbeitsdefinition vor, die geistlichen Missbrauch als Oberbegriff für emotionalen und/oder Machtmissbrauch im religiösen Kontext, insbesondere in Begleitungsprozessen und Gemeinschaften, versteht. Der Beitrag hebt hervor, dass es Schnittmengen zwischen geistlichem und sexuellem Missbrauch gibt, betont aber, dass geistlicher Missbrauch auch eigenständig verheerend sein kann. Mittels des "Fadenkreuz-Modells" werden vier zentrale Aspekte beleuchtet: Grenzverletzung, Eingrenzung der Freiheit durch Kontaktverbote, Überhöhung/Idealisierung von Gemeinschaft und Leitung sowie die Entwertung/Erniedrigung des Individuums. Abschließend bietet Kluitmann Warnsignale und Hilfestellungen und diskutiert, wie Idealismus, fehlende persönliche Stärke und Gewöhnung an missbräuchliche Strukturen Menschen anfällig machen können.

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Sonstige Materialien

  • Evangelischer Bund (2023): Themenheft "Macht in der Kirche - teilen und gestalten"

    Evangelischer Bund (2023): Themenheft "Macht in der Kirche - teilen und gestalten" 
    Die Zeitschrift des Evangelischen Bundes fokussiert das Thema "Macht in der Kirche teilen und gestalten", und beleuchtet verschiedene Perspektiven. Mehrere Artikel untersuchen die Rolle der Macht innerhalb kirchlicher Strukturen, diskutieren das Konzept von Vertrauen und Verantwortung bei jungen Menschen, analysieren Machtmissbrauch und die Notwendigkeit von Reformen, und behandeln die geschlechtergerechte Verteilung von Macht. 
     

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  • Bildungskirche.ch (2025): Ausgabe des Magazins Bildungskirche zum Thema "mächtig"

    Das Magazin „Bildungkirche“ widmet sich dem vielschichtigen Thema Macht in der Kirche, beleuchtet durch verschiedene Perspektiven. Ein Artikel von Caroline Schröder Field erkundet die Macht und das Prestige des Pfarrberufs am Beispiel des Basler Münsters und thematisiert den gesellschaftlichen Machtverlust der Kirche bei gleichzeitig bestehendem Ansehen bestimmter Ämter. Bernard DuPasquier untersucht, wie sich die Frage der Macht im Kontext von New Work und neuen Organisationsformen stellt, wobei Delegation und Eigenverantwortung eine zentrale Rolle spielen. Miriam Neubert erläutert die Arbeit der Fachstelle „MachtRaum“, die Organisationen dabei unterstützt, Machtverhältnisse sichtbar zu machen und Missbrauch vorzubeugen, und diskutiert die Auswirkungen des Patriarchats („Patrix“) auf Machtstrukturen. Dietmar Schmidt-Pulke analysiert, wie Pastoralmacht nach Foucault Abhängigkeit schaffen kann und die Entwicklung echter Gemeinschaft behindert. 

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  • Video der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (2025): Anders Kirche werden: Was bedeutet "machtsensibel"?

    Der Umgang mit Macht ist eine der großen Fragen im EKKW-Reformprozess "Anders Kirche werden". Sie wird vor allem im Teilprozess "Profilierung der Ämter und Berufe" mit dem Motto "Neue Bahnen" bearbeitet. In den sogenannten "Laboratorien" spielt der Wunsch nach einem Kulturwandel im Umgang mit Macht eine große Rolle. Die Diskussionen haben ebenfalls Einfluss auf die Überarbeitung der Grundordnung. Das Video, das erstmals auf der Herbstsynode 2024 präsentiert wurde, geht der Frage nach, was es heißt, "machtsensibel" zu handeln.

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  • Dietrich Sagert (2025): Kirche und Macht, Miniaturen.

    Das Verhältnis von Kirche und Macht ist von Anfang an eine verwickelte Geschichte von Relationen zwischen Gebrauch, Brauch und Missbrauch. In der 12-teiligen Serie werden in Miniaturform einige Arbeitsfelder beschrieben, über die man sich dem Thema nähern kann. Den geschichtlichen Verwicklungen kann man nur schwerlich entkommen. Sie rufen nach historischer Differenzierung. Hinzukommen müsste die Entwicklung einer Praxis des Gedenkens in gottesdienstlichen Zusammenhängen.

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