"Egal, was Menschen suchen, sie werden es in der Bibel finden"

Stuttgart, Frankfurt a.M. (epd). Mark Twain stellte einst fest: „Klassiker sind Bücher, die jeder kennt, aber keiner liest.“ Laut einer Umfrage besitzen zwar sieben von zehn deutschen Haushalten mindestens eine Bibel; doch tatsächlich greifen laut einer Studie der Universität Leipzig nur knapp zwei Prozent der Bevölkerung täglich zu dem Buch, etwa drei Prozent wöchentlich, rund ein Drittel immerhin einmal jährlich. Bemerkenswert: Sogar 63 Prozent derjenigen, die nie darin lesen, halten die Bibel für eine zentrale Werte- und Normenquelle.

„Unbestritten hat die Bibel das gesellschaftliche Miteinander geprägt“, sagt Alexander Deeg, Leiter des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und Mitautor der Leipziger Studie. „Vom Gebot der Sabbatruhe bis zu den Prinzipien eines gerechten Zusammenlebens reichen die biblischen Impulse.“ Doch Deeg betont auch: „Mit der Bibel ließen sich Hexenverfolgung und Glaubenskriege ebenso rechtfertigen wie Bürgerrechts- und Friedensbewegungen.“

In der Zählung der Lutherbibel besteht die Bibel aus 66 Büchern, in der katholischen Tradition mit den Spätschriften des Alten Testaments aus 73 - entstanden über Jahrhunderte hinweg. In ihr finden sich Erzählungen, Gedichte, Gebete, Lieder, Weisheitsliteratur, Visionen, Briefe und Liebeslyrik.

„Die Bibel spiegelt vielgestaltige Erfahrungen mit Gott - und die Suche nach ihm“, erläutert Deeg. Sie erzähle von Umbrüchen, Katastrophen, Neuanfängen und Trost. „Egal, was Menschen suchen: Sie werden es in der Bibel finden.“

Das bestätigt auch Christoph Rösel, Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart. „Die Bibel ist voll von Geschichten, in denen Menschen seit jeher ihre Erfahrungen wiederfinden - ganz gleich, ob sie Kirchenmitglied sind.“ Kaum ein gesellschaftlicher Bereich, der nicht durch sie geprägt wurde: von den Zehn Geboten bis zum Gebot der Nächstenliebe.

„Unsere Vorstellungen von Recht, Freiheit, Menschlichkeit und Vergebung sind durch biblische Texte tief in unser kollektives Bewusstsein eingedrungen“, so Rösel. „Wenn es um Hilfe für Bedürftige geht, unabhängig von Herkunft oder Kultur, ist die Erzählung vom barmherzigen Samariter bis heute ein unübertroffenes Bild.“

Deswegen sei die Deutsche Bibelgesellschaft auch in diesem Jahr wieder auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. „Die Bibel gehört dorthin, wo die Menschen sind“, sagt Rösel. Die Schau gilt mit rund 4.300 Ausstellern aus über 100 Ländern als eine der größten und bedeutendsten ihrer Art weltweit.

Neben der Bibelgesellschaft sind laut Ausstellerverzeichnis zahlreiche andere Werke und Verlage in Frankfurt vertreten, die das Buch der Bücher verbreiten - angefangen von Schriftenmissionen über Bibelwerke bis hin zu Bibeldruckereien aus China, wo sich mit der Amity Printing Company in Nanjing die größte Bibeldruckerei der Welt befindet. Sie druckt jährlich rund 18 Millionen Exemplare in mehr als 100 Sprachen.

Die Heilige Schrift inspirierte Literatur und Künste, prägt Werbebotschaften und Filmgeschichten - und bleibt unangefochten das meistgedruckte und am weitesten verbreitete Buch aller Zeiten. Weltweit sind Schätzungen zufolge bislang mehr als fünf Milliarden Bibeln verbreitet worden, darunter zunehmend häufiger digitale Ausgaben.

Allein im Jahr 2024 wurden weltweit 48,4 Millionen vollständige Bibeln verbreitet. Bibelübersetzungen gibt es inzwischen vollständig in 769 Sprachen, Teile davon in mehr als 3.800 anderen Sprachen und Dialekten. Damit haben erstmals mehr als sechs Milliarden Menschen Zugang zum vollständigen Bibeltext in ihrer Muttersprache.

Eine der größten Bibelsammlungen Europas - 22.000 Ausgaben in fast 800 Sprachen - befindet sich in der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart. Ihr Grundstock geht auf Herzog Carl Eugen von Württemberg zurück, der 1784 auf einer Kopenhagen-Reise mehr als 5.000 Bibeln erwarb. Kuriositäten gehören dazu: eine winzige Bilderbibel von 1690, kaum größer als eine Streichholzschachtel, oder eine gut 20 Kilogramm schwere barocke Kurfürstenbibel von 1720. Die wertvollste unter ihnen ist die 36-zeilige Gutenberg-Bibel von 1461, deren kultureller Wert unbezahlbar ist.

Was würde fehlen, wenn es die Bibel nicht gäbe? „Menschen eine zentrale Quelle für Glauben, Hoffnung und Inspiration“, sagt Christoph Rösel, „und dem Buchmarkt ein Bestseller.“