Reservisten lassen sich wegen Wehrdienstverweigerung beraten

Soldaten in der Abendsonne

Nürnberg (epd). Seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist die Zahl der Menschen, die Hilfe bei Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerer (KDV) gesucht haben, deutlich gestiegen. Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für KDV und Frieden (EAK) stellt einen deutlich höheren Bedarf an Beratungen vor allen Dingen für Reservistinnen und Reservisten fest.

Habe in den vergangenen Jahren höchstens eine Person im Jahr um Rat gefragt, seien es seit Ende Februar bereits fünf Reservisten gewesen, die ihren Dienst zum Teil schon vor zehn oder zwanzig Jahren absolviert und jetzt Sorge hätten, einberufen zu werden, sagte Pfarrer Martin Tontsch, Referent der Arbeitsstelle Kokon für konstruktive Konfliktbearbeitung in Nürnberg und Vorstandsmitglied der EAK, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Angst vor Krieg sei an sich kein Gewissensgrund für eine Verweigerung, sagte Tontsch. „Wenn einen aber die Vorstellung, einen anderen Menschen töten zu müssen, in eine moralische Bedrängnis bringt, die einen nicht mehr schlafen lässt, dann ist das ein Gewissensgrund“, erläuterte der Theologe anlässlich des Tags des Kriegsdienstverweigerers, den die „Internationale der KriegsdienstgegnerInnen“ für den 15. Mai ausgerufen hat: „Es kann sein, dass jemand im Laufe der Jahre und aufgrund persönlicher Erfahrungen zu einer veränderten Werthaltung gekommen ist, aus denen andere Gewissensentscheidungen folgen.“

Die Arbeitsstelle Kokon hilft Menschen, die verweigern wollen, bei der eigenen Prüfung und der Formulierung ihrer Gewissensgründe, damit sie „dem kritischen Blick der Entscheider“ oder eventuell eines Verwaltungsgerichtes standhalten, erläuterte Tontsch. Er selbst unterstütze aus friedensethischer Sicht das Recht auf Selbstverteidigung der Ukraine und deren Unterstützung: „Aber mittel- und langfristig müssen wir darauf achten, dass aus dem Konflikt kein jahrelanger Krieg wird, indem wir die Ukraine unbegrenzt hochrüsten, mit dem Ziel, Russland zu schwächen.“

Der Theologe hat den offenen Brief von mehr als 20 Intellektuellen und Kulturschaffenden rund um die Feministin und Publizistin Alice Schwarzer mitunterschrieben.

epd-Gespräch: Jutta Olschewski