Einverständnis mit der Schöpfung

Anhang: 2. Zur ethischen Diskussion seit 1991

2.1 Wissen und Nichtwissen

Das Wissen um die molekularbiologischen Grundlagen des Lebens hat sich in den letzten Jahren erheblich vermehrt. Das methodische Vorgehen der Naturwissenschaft erweist sich in dieser Hinsicht als außerordentlich erfolgreich. Das gilt zunächst für die Analyse der physiologischen Abläufe in der Entwicklung jedes einzelnen Organismus und für seine Fortpflanzung; wir verstehen dadurch aber auch immer besser, welche Regelkreise und Mechanismen im Zusammenleben von Pflanzen, Tieren und Menschen eine Rolle spielen. Je mehr Einzelheiten man kennt, desto mehr stellen sich zusätzliche Fragen. Der Problemhorizont erweitert sich. Jede Einzelerkenntnis muß in einen größeren Zusammenhang eingeordnet werden, dessen Wahrnehmung einer Fülle weiterer Untersuchungen bedarf. Es gehört zur Logik naturwissenschaftlicher Forschung, daß sich auf jedem Niveau eines erreichten Wissensstandes eine ganze Palette von neuen Fragen ergibt, die gelöst werden müssen. Man kann geradezu von einer auseinandergehenden Schere, von einer Asymmetrie von Wissen und Nichtwissen, zumal gewußtem, sprechen.

Bei der praktischen Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse muß dies jeweils sorgfältig bedacht werden. Der gewünschte positive Nutzen kann durch negative Nebenwirkungen in Frage gestellt werden. Das gilt für ökologische, ökonomische, soziale und politische Auswirkungen, die sich aus dem Einsatz von Naturwissenschaft und Technik ergeben. Je mehr man weiß und je mehr man von diesem Wissen technisch umsetzen kann, desto unabweisbarer wird die Verantwortung der Menschen, die mit diesem Wissen leben und damit umgehen müssen. Zusammenhänge, von denen man bislang nichts weiß und die deshalb nicht berücksichtigt werden können, haben u.U. gravierende Folgen, für die Verantwortung trägt, wer sie billigend in Kauf nimmt. Die Asymmetrie zwischen Wissen und Nichtwissen wird hier unmittelbar ethisch relevant.

Die Kluft zwischen Wissen und Nichtwissen hat sich auch in anderer Hinsicht vergrößert: Die Spezialisierung schreitet immer schneller fort, und die allgemeine Bildung reicht nicht aus, dem zu folgen. Selbst innerhalb der Wissenschaft werden in den verschiedenen Disziplinen unterschiedliche Fachsprachen verwendet; die Verständigung zwischen den einzelnen Fachgebieten wird entsprechend erschwert. Die interdisziplinäre Vernetzung mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglicht zwar im Prinzip jeder Person den Zugang zu den verfügbar gemachten Informationen, erfordert aber zur Umsetzung in eigenes Wissen immer höhere Kompetenz in den entsprechenden Fachgebieten.

2.2 Argumente Pro und Contra Gentechnik

In der Diskussion um die Gentechnik zeigt sich diese Situation in Polarisierungen, sowohl in den verwendeten Argumentationsmustern als auch in der gesellschaftlichen Praxis. Die Positionen Pro und Contra Gentechnik stehen einander oft in der Form nur stilisierter Alternativen gegenüber, obwohl auf beiden Seiten gute und zutreffende Gesichtspunkte und Argumente ins Spiel gebracht werden. Die Zeit drängt in der Sicht beider Seiten: einmal, um den Anschluß an die internationale Entwicklung nicht zu versäumen, zum anderen, um von eben dieser Entwicklung nicht überrollt zu werden. Daher bleibt wenig Spielraum für einen Diskurs, der sowohl die objektiven Fakten vermittelt und zur Kenntnis nimmt, als auch existentielle, psychische und emotionale Faktoren ernst nimmt und berücksichtigt. Abschottung und einseitig ausgerichtete professionelle Werbung einerseits und plakative Aktionen engagierter Gruppen andererseits können die Folge sein. Bestrebungen, aufeinander zuzugehen und die Gesichtspunkte der anderen Seite aufzunehmen, werden oft als Versuche von Vereinnahmungen kritisiert.

Pro Gentechnik wird das übergreifende menschliche Interesse an der Erforschung der Natur angeführt. Die moderne Biotechnologie und die Gentechnik haben sich folgerichtig aus der Naturwissenschaft entwickelt. Angesichts der höchst bedrohlichen Zunahme der Weltbevölkerung - leben 1997 bereits rund 6 Milliarden Menschen auf der Erde, werden es nach gegenwärtigen Hochrechungen im Jahr 2040 11,5 Milliarden sein - müßten alle Möglichkeiten für das Überleben der Menschheit genutzt werden. Gewiß könne die Gentechnik das Welternährungsproblem nicht oder nicht allein lösen. Es wäre aber eine Unterlassung, auf hier mögliche Optionen von vornherein zu verzichten. Aus der Humanmedizin und der Entwicklung neuer Pharmazeutika sei die Gentechnik ohnehin nicht mehr wegzudenken. Auch im internationalen ökonomischen Wettbewerb nehme die Biotechnologie einen hervorragenden Platz ein. Daher müsse man sich an der Weiterentwicklung der Gentechnik beteiligen, wenn man nicht ins wirtschaftliche Abseits geraten wolle.

Als theologisch-ethische Legitimation für jede Art der Beherrschung und Nutzung der Natur wird dabei vornehmlich der erste biblische Schöpfungsbericht (1. Mose 1,28) herangezogen, aus dem herausgelesen wird: Macht euch die Erde untertan, herrscht über die übrige Kreatur!

Contra Gentechnik wird geltend gemacht: Die naturwissenschaftliche Methode könne immer nur einen Aspekt des Lebens wahrnehmen; die eigentümliche Qualität allen Lebens habe aber "ganzheitlichen" Charakter. Technische Eingriffe in die Natur "zerstückelten" die gewachsenen Lebenszusammenhänge oder störten sie zumindest. In der extrem kurzen Zeit von wenigen Jahren erfolgten Eingriffe in Zusammenhänge, die sich in Millionen von Jahren entwickelt haben. Nachhaltige Lebensentwicklung sei auch in Zukunft nur im Rahmen der "natürlichen" Evolution des Lebens denkbar. Innerhalb dieser Evolution komme Tieren und Pflanzen ein Eigenrecht gegenüber den Menschen zu, darüber hinaus gelte für sie die Heiligkeit des Lebens. Entgegen einer bloßen Ausbeutungs-, Nutzen- und Verbrauchsmentalität könne nur ein Naturverständnis, das Ehrfurcht vor den Mitgeschöpfen einschließe, auch mittel- und langfristig und für die kommenden Generationen Lebensqualität erhalten. Beginne man mit einem harmlos scheinenden Eingriff, z.B. mit dem Einsatz der Gentechnik bei Petunien oder Tabak und deren Freisetzung, sei eine abschüssige Bahn betreten, auf der es dann kein Halten mehr gebe. Die Überschreitung der gewachsenen Artgrenzen durch die Gentechnik komme einem Dammbruch gleich, der nur durch eine "Heuristik der Furcht" (Hans Jonas) in Grenzen gehalten werden könne.

Zur theologisch-ethischen Begründung wird hier vornehmlich der zweite Schöpfungsbericht (1. Mose 2) herangezogen: Aufgabe des Menschen sei es, den Garten, in den ihn Gott gesetzt hat, zu bebauen und zu bewahren.

Die Argumente Pro und Contra Gentechnik liegen vielfach auf unterschiedlichen Ebenen und treffen deshalb einander und die jeweiligen Gegnerinnen und Gegner nicht. So beziehen sich die Gesichtspunkte der Gegner nur auf ein einseitiges Verständnis der Gentechnik bei den Befürwortern, das die naturwissenschaftliche Denkweise verabsolutiert und andere Dimensionen des Lebens nicht wahrnimmt. Andererseits muß eingeräumt werden, daß Naturwissenschaft innerhalb ihrer methodischen Vorgaben bleiben muß, wenn sie sinnvoll arbeiten will. Hieran kann man sehen, daß ein reines Pro und ein reines Contra in der Tat eine falsche Alternative wäre. Auch die beiden Schöpfungsberichte am Anfang der Bibel dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sie ergänzen sich. Die Bewahrung der Natur ist mit der Wahrnehmung des Auftrags zu herrschen verbunden. Dies gelingt freilich nur, solange Gott aus Gnade die Schöpfung erhält. Herrschaft über die Natur wird - biblisch gesehen - treuhänderisch bestimmt und schließt die Verpflichtung zur Fürsorge ein.

Handelt es sich um unterschiedliche Ebenen, auf denen die konkurrierenden Gesichtspunkte entwickelt und die gegenläufigen Argumente artikuliert werden, dann ist eine Beilegung auf argumentativem Wege nicht möglich. Es wäre ein Mißverständnis anzunehmen, daß ein Kompromiß in der politischen Auseinandersetzung - und sei es auch in Form erfolgter Gesetzgebung - ausreiche. Die rechtlichen Regelungen, selbst wenn sie für unser Handeln verbindlich sind, müssen durch den ständigen wissenschaftlichen Diskurs revidierbar bleiben. Darüber hinaus sind moralisch motivierte Auseinandersetzungen über grundlegende Fragen des Lebensverständnisses und der Verantwortung für das Leben fortzuführen.

2.3 Kritik an der Bioethik

Die Kontroverse, um die es hier geht, wird auch im Bereich der Ethik selbst ausgetragen. Auch hier gibt es eine Polarisierung. Sie stellt sich in Form einer einseitig rationalistischen Fortführung oder ebenso einseitigen Kritik der Bioethik dar. Unter 'Bioethik' kann eine Richtung verstanden werden, die im Sinne einer klassischen Güter- und Wertelehre auch für den Umgang mit dem Leben universalisierbare, weltanschauungsunabhängige rationale Argumentationsmuster zu entwickeln beansprucht. Aus der Sicht einer primär ganzheitlich orientierten Denkweise wird ihr Konformismus mit den Interessen von naturwissenschaftlicher Forschung und ihrer industriellen Anwendung vorgeworfen: Ethik werde dann zwar zur Absicherung gegen erkennbare Gefahren eingesetzt, die von vornherein technologisch und kommerziell ausgerichtete Entwicklung selbst werde aber nicht mehr in Frage gestellt. Ethik könne so nur noch der Akzeptanzbeschaffung dienen. Sie komme damit prinzipiell immer schon zu spät. Demgegenüber sei grundlegend nicht von einer anwendungs- und nutzenorientierten Rationalität, sondern einer Orientierung am Leben selbst und seiner Geschichte in Natur und Kultur auszugehen. Naturwissenschaft und Technik seien von Anfang an umweltschonend und lebensfreundlich weiterzuentwickeln und einzusetzen. Lebensorientierter Vorsorge gebühre der Vorzug gegenüber technologieorientierter Regulierung des Machbaren. Bei dieser Auseinandersetzung ist festzuhalten: Es gilt ebenso, den Herausforderungen der Menschheitsentwicklung auf der Erde rational zu entsprechen, wie rationalisierungs- und technologisierungsbedingter Naturzerstörung zu wehren. So müssen einerseits die rationalisierbaren Zusammenhänge der Natur und des kulturellen Umgangs mit ihr reflektiert werden, andererseits muß die elementare Beziehungswirklichkeit des Lebens zur Geltung gebracht werden. Beides ist aufeinander abzustimmen.

2.4 Leitlinien

Dabei ist an einige Kernsätze zu erinnern, die - christlich gesprochen - zum Einverständnis mit der Schöpfung gehören (s.o. S. 55ff.). Gott will, "daß nicht nur der Mensch sei; darum darf der Mensch die Natur nicht auf ein menschliches Maß reduzieren und ihr in ihren verschiedenen Lebensformen nicht jeden eigenen Sinn und Wert nehmen" (S. 61). So gilt es, ein nur auf den Menschen bezogenes, technizistisches Naturverständnis zu überwinden und ein teilnehmendes Zusammenleben in und mit der Natur zu gewinnen. Im einzelnen sind dabei folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

Autonomie

Den handelnden Menschen ist es eigen, daß sie sich zu ihrem Handeln - im Guten wie im Bösen - selbst bestimmen können. Das bedeutet Verantwortung für die Schöpfung. Auf die Wahrnehmung dieser Verantwortung ist daher vorrangig zu achten.

Die Welt gut sein lassen

Das zu konstatierende Umdenken im Blick auf das Verhältnis der Menschen zur Natur hat zur Folge, daß sie sich zunehmend als deren integrierter und integrierender Teil zu verstehen lernen müssen. Daraus ergibt sich die Mahnung, in das Ganze der Natur nur behutsam einzugreifen. Alles in der Natur hat seinen Sinn, ist in sich selbst sinnvoll. Dies lehrt auch die christliche Vorstellung von der guten Schöpfung.

Abschätzung der Folgen

Aus diesem neuen Verhältnis zur Natur und der Autonomie der Menschen ergibt sich die moralische Forderung, die Folgen, die das eigene Handeln haben könnten, bei der Handlungsentscheidung selbst zu berücksichtigen. Dies gilt in verstärktem Maße dort, wo die Eingriffstiefe des Handelns durch neue technische Möglichkeiten erheblich gesteigert wird.

Bewertung der Risiken und Abwägen von Kosten und Nutzen

Da freies Handeln die Möglichkeit zum Guten wie zum Bösen einschließt, sind insbesondere die möglichen Gefahren in den Blick zu nehmen (Hans Jonas: "Vorrang der schlechten Prognose"). Das bedeutet unter Bedingungen einer Risikogesellschaft, daß die möglichen Schäden mit ihrer Eintretenswahrscheinlichkeit in Beziehung zu setzen, die erwarteten Kosten gegen den möglichen Nutzen zu gewichten sind.

Einbeziehung von Alternativen

Die autonome menschliche Handlungsvernunft wird nicht selten dadurch in die Irre geführt, daß sie an einmal eingenommenen Perspektiven festhält und mögliche Alternativen nicht in den Blick nimmt. Daher gilt es gerade in biotechnischen und landwirtschaftlichen Fragen, nicht nur die beabsichtigte Handlung, sondern stets auch die als möglich erscheinenden Alternativen in der Bewertung zu berücksichtigen.

Gerechtigkeit

Gerechtigkeit gehört zu den grundlegenden Prinzipien der Ethik, zumal in der jüdisch-christlichen Tradition. Gegenwärtig wird Gerechtigkeit als ein Begriff verstanden, der ein System von Verträglichkeiten bezeichnet: Handlungen müssen in ihren Folgen für die Mitmenschen, die außermenschliche Natur, die Wirtschaft und die internationalen Kooperationspartner verträglich sein. Dabei kommt der Perspektive der Nachhaltigkeit eine besondere Bedeutung zu.

Tier- und Pflanzengerechtheit

Speziell beim menschlichen Handeln in biologischen und biotechnischen Zusammenhängen muß der "Respekt vor dem Gegebenen" (S. 74) so verstanden werden, daß auf das Eigenrecht, den Eigenwert und die Lebensqualität der Mitgeschöpfe zu achten ist. Daraus folgt nicht zuletzt die allgemeine Verpflichtung, im Umgang mit den Mitgeschöpfen deren je eigenen Gegebenheiten zu entsprechen. Das hat neben der Forderung nach einer tiergerechten Haltung u.a. zur Konsequenz, daß hinsichtlich der züchterischen Veränderung von Pflanzen und Tieren deren jeweilige Lebensansprüche zu berücksichtigen sind. Bedrohte Wildsorten, -rassen und -arten müssen geschützt werden.

Biodiversität

Die hiermit zusammenhängende Forderung nach Bewahrung der Artenvielfalt hat neuerdings erheblich an Bedeutsamkeit und Gewicht gewonnen; sie wird insbesondere in dem weiteren Zusammenhang des internationalen Schutzes von "Biodiversität" diskutiert. Der heutige Bestand von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren ist im Laufe der großen Zeiträume der Evolution des Lebens auf der Erde entstanden. Seit Auftreten des Menschen sind menschliche Kultur und Zivilisation in diesen Prozeß eingebunden. Bäuerinnen und Bauern haben seit Jahrhunderten Pflanzensorten entwickelt, die den Lebensbedürfnissen der jeweiligen Bevölkerung entsprechen und den speziellen regionalen Besonderheiten angepaßt sind. Die auch dadurch noch einmal erweiterte Vielfalt der Natur ist die physische Basis des Lebens der Menschheit. Das gilt dann auch für die weitergehende wirtschaftliche Nutzung im Bereich der Biotechnologie, insbesondere der Gentechnik.

Durch die explosive Zunahme der Weltbevölkerung und das damit verbundene Welternährungsproblem entsteht der Zwang zu immer effektiverer Nutzung der natürlichen Ressourcen. Die zunehmende Besiedelung der Erde zerstört die natürlichen Lebensräume, die Intensivierung der Landwirtschaft bevorzugt auf Kosten anderer Arten hochspezialisierte Nutzpflanzen und -tiere, die möglichst hohe Erträge bringen. Alle Monokulturen sind jedoch in hohem Maße z.B. durch Klimaschwankungen, Krankheiten und Freßfeinde, aber auch durch Naturkatastrophen oder kriegerische Konflikte gefährdet. Ein ökologisches Gleichgewicht, das die weitere Nutzung ermöglicht, kann aber nur wiederhergestellt werden, wenn die natürlichen Gegebenheiten dafür vorhanden sind. Und das ist der genetische Reichtum der Rassen und Arten.

Um diesen Reichtum zur Vorsorge für das Überleben der Menschheit zu bewahren, ist z.B. die Erhaltung und Einrichtung von Biosphärenreservaten unverzichtbar. Genbanken können nur kurzfristige Notlösungen sein: Zur Bewahrung der Lebensfähigkeit ist langfristig die Einbindung in den biosphärischen Lebensprozeß, der sich ständig weiterentwickelt, notwendig.

Für die Entwicklungsländer ist es besonders wichtig, ihre eigenen natürlichen Lebensbedingungen zu erhalten. Die Artenvielfalt ihrer Fauna und Flora ist bereits dramatisch zurückgegangen. Die genetische Vielfalt stellt aber heute auch für die biotechnologische Nutzung ein erhebliches Kapital dar. Unüberschaubar ist mittlerweile die Zahl derer, die in tropischen Wäldern und an Meeresküsten neue Wirkstoffe für Arzneien, Farbstoffe oder Öle zu finden hoffen. Dabei interessieren weniger die Substanzen, als vielmehr die Gene in den Pflanzen, Pilzen und Mikroben, die als Bauanleitung für die industrielle Produktion dienen können. Gegen die einseitige Ausbeutung des genetischen Reichtums durch die Industrienationen muß ein gerechter Ausgleich geschaffen werden.

Von neuem sind hier der Respekt vor dem Gegebenen, die Solidarität mit den Mitgeschöpfen sowie deren Eigenwert und Eigenrecht zu nennen (s.o. S. 74-78). Auch ästhetische Momente sind anzuführen: Die vielfältige Schönheit der Natur gehört elementar zur Qualität gerade auch des menschlichen Lebens.

Allen Menschen ist daran gelegen, an der Fülle der Lebensmöglichkeiten auf der Erde teilzuhaben. Das ist nur möglich, wenn sie auch zu teilen lernen. Teilhabe und Teilen gehören zusammen. Damit der Mensch auf der Erde leben kann, bedarf er der Mitgeschöpfe, die ihrerseits in immer größerem Maßstab von ihm abhängig sind. Menschen und Tiere waren nicht nur in Noahs Arche gewissermaßen im gleichen Boot aufeinander angewiesen, sie brauchen ebenso einander - zusammen mit den Pflanzen und der übrigen Natur - in dem viel größeren Rahmen der gegenwärtigen globalen Weltentwicklung mit ihren Krisenerscheinungen. In biblischer Sicht ist der Mensch dazu berufen und verpflichtet, den Gesamtzusammenhang der Natur, dem er selbst zugehört, zu achten und ihm zu entsprechen. Sein eigenes Überleben und seine eigene Lebensqualität hängen mit davon ab, wie er mit der übrigen Natur umgeht, und das ist wiederum davon abhängig, wie er sie einschätzt: Ausbeutungsobjekt oder Gottes Gabe, zur umsichtigen Nutzung angeboten - hier fallen grundlegende Entscheidungen, die ethisch und damit für das Leben in der Welt unmittelbar relevant sind.

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