Zehntausende unterstützen Petition für humanere Flüchtlingspolitik

Gestartet wurde die Petition von Sven Giegold, Beatrice von Weizsäcker und Ansgar Gilster, die dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags angehören

Demonstration für die Seenotrettung in Berlin

Am 7. Juli haben Tausende Menschen in Berlin für die Seenotrettung demonstriert. Auch dem Aufruf der Internetpetition für eine humanere Flüchtlingspolitik sind mehrere Tausend Menschen gefolgt.

Berlin (epd). Aus den Reihen von Kirchen und Zivilgesellschaft firmiert sich Protest gegen eine Politik der Abwehr von Flüchtlingen und die Behinderung von Seenotrettung auf dem Mittelmeer. Bis zum Nachmittag unterzeichneten mehr als 30.000 Menschen eine Petition auf der Plattform „change.org“, die Politik und Kirchen zum Einsatz für eine humane Asylpolitik aufruft.

„Die Regierungen in Europa dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen, indem sie Grenzen schließen und Menschen in Not abwehren“, heißt es in dem Aufruf. Es sei richtig, durch Grenzkontrollen festzustellen, wer nach Europa einreist. „Aber es ist völkerrechtswidrig, Menschen in Seenot nicht zu retten“, wird in dem Schreiben betont.

Gestartet wurde die Petition von drei Mitgliedern des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags: dem Europapolitiker Sven Giegold (Grüne), der Autorin Beatrice von Weizsäcker und dem Historiker Ansgar Gilster, der in diesem Themenfeld auch für die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) arbeitet. „Menschen, die Flüchtlingen helfen, dürfen nicht kriminalisiert werden“, sagte von Weizsäcker dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir verlieren unsere Würde, wenn wir uns entgegen internationalem Seerecht weigern, Schiffbrüchige aufzunehmen, um ihnen so die Flucht zu erschweren“, sagte Giegold.

Die Petition steht vor dem Hintergrund der Bemühungen auf europäischer Ebene für einen stärkeren Schutz der EU-Außengrenzen, in denen Kritiker eine Politik der Abwehr von Flüchtlingen sehen, und den Maßnahmen gegen Seenotretter im Mittelmeer. Mehrere Rettungsschiffe konnten in den vergangenen Wochen nicht an den nächstgelegenen Häfen anlegen, vor allem Italien hat die Einfahrt verwehrt. Zudem dürfen in Malta Seenotretter nicht mehr auslaufen. Auch das Aufklärungsflugzeug „Moonbird“, das finanziell von der EKD unterstützt wird, wurde dort festgesetzt.

Empathie in der öffentlichen Diskussion um die Flüchtlingspolitik

Die Petition appellierte auch an die Kirchen selbst, sich „mutiger, klarer und unmissverständlich“ für Flüchtlinge einzusetzen. Von Weizsäcker sagte, in der ganzen Debatte habe sie oft ein klares Wort der Kirchen vermisst. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, reagierte auf seiner Facebook-Seite auf die Petition. Sie bringe zum Ausdruck, wofür er sich in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder eingesetzt habe, schreibt der bayerische Landesbischof und ergänzte selbstkritisch: „Offensichtlich nicht deutlich und vernehmbar genug.“

Dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ sagte Bedford-Strohm: „Immer mehr Menschen, besonders auch in den christlichen Kirchen, wollen den Auszug der Empathie aus den öffentlichen Diskussionen um die Flüchtlingspolitik nicht länger hinnehmen.“ Die Entwicklungen der vergangenen Tage hätten dieses Anliegen deutlicher gemacht.

„Tabubruch“

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte bei der Vorstellung seiner Pläne in der Asylpolitik am 10. Juli in einem Satz einen Zusammenhang zwischen seinem Geburtstag und einer Sammelabschiebung nach Afghanistan hergestellt. Wörtlich sagte er: „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden.“

Seehofer erntete dafür große Empörung. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bezeichnete die Äußerung als „unsäglichen Tabubruch“. „Diese Äußerung ist der Sprache eines deutschen Innenministers unwürdig“, erklärte er. Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus warnten in einer gemeinsamen Erklärung vor einer „Grundstimmung“, in der man zu sagen bereit sei, „was noch vor zehn Jahren unsagbar schien: Gleichgültigkeit gegenüber Schutzsuchenden“.