"Wie die fremde Welt die Hand reichte"

Journalistin George schreibt ein Buch über ihre Konfirmation mit 42

Lüneburg, Gießen (epd). Die Journalistin Carolin George hat schon mehrere Zeitungsreportagen über Selbstversuche geschrieben. Einmal schlief sie im Freien am Elbstrand, ein anderes mal wanderte sie auf einem Nacktwanderweg. Mit ihrem Buch, das im September im Gießener Brunnen Verlag erscheint, gibt sie nun weitaus persönlicher Einblicke: Unter dem Titel „Und dann kam Gott“ schildert die Lüneburgerin, wie es dazu kam, dass sie sich mit 42 Jahren konfirmieren ließ. „Das ist etwas anderes, als witzig über eine Nacktwandererfahrung zu schreiben“, sagt sie.

Carolin George am 18.02.2021 in der Kirche St. Johannis in Lueneburg, in der sie sich mit 42 Jahren konfirmieren liess.

Carolin George arbeitet unter anderem als freie Journalistin für die Madsack-Gruppe mit Zeitungen wie der „Hannoverschen Allgemeinen“ sowie für die „Welt“. Pfingsten 2019 schrieb sie in der Online-Ausgabe der „Welt“ erstmals über ihre Konfirmation. Eine Verlegenheitslösung, denn die Protagonistin einer Reportage hatte kurzfristig abgesagt. Der Artikel machte die Lektorin Petra Hahn-Lütjen vom Brunnen Verlag neugierig. „Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, darüber ein Buch zu schreiben“, erinnert sich die heute 44-Jährige Autorin an deren Frage. „Nein, das hatte ich natürlich nicht.“

Dann sind es fast 200 Seiten geworden. Angefangen mit der Kindheit, in der ihr ein Gottesbild vermittelt wurde, das ihr widerstrebte. Gott sei jemand, der entscheidet, ob es irgendwo Krieg gibt, Unfälle, Krankheiten oder Tod, Glück oder Erfolg. „Dieses Bild widersprach allem, was ich mir vorstellen konnte“, sagt sie. Der Pastor ihrer Kindheit bestand darauf, dass sie zum Gebet die Hände faltete, ohne dass sie überhaupt begriff, worum es ging. „Als meine Freundinnen sich konfirmieren ließen, sagte ich nein. Ich war stolz auf meine Entscheidung, fühlte mich unabhängig und frei“, schreibt sie in dem Buch.

Als später in ihren Steuerunterlagen stand, sie sei „evangelisch-lutherisch“, war sie ein wenig verblüfft und trat aus der Kirche aus, der sie sich nie zugehörig gefühlt hatte. „Die Vorstellung, einen Gottesdienst zu besuchen, hatte in meinem Leben etwa so viel Platz wie Tulpen im Oktober“, schreibt sie. Doch dann begegnet sie in ihrem Beruf Menschen, die ihr eine andere Sicht eröffnen. Ohne den kritischen Blick zu verlieren, erlebt sie eine „fremde Welt“, die ihr die Hand reicht.

Für eine Auftragsarbeit interviewt sie die evangelische Superintendentin Christine Schmid. Es geht um die Wirtschaftskrise, aber die leitende Lüneburger Theologin nimmt Worte wie „Seele“ und „Mitgefühl“, in den Mund. Sie sagt: „Der Mensch darf nicht auf Rationalität und Leistung reduziert werden.“ Carolin George fühlt sich angesprochen, ohne dass dies gleich Konsequenzen hat.

Später schreibt sie ein Buch über Kirchen und Kapellen in der Region. Vieles, was sie dort sieht, versteht sie nicht. Die christliche Symbolik ist ihr fremd, doch die Atmosphäre mancher Sakralräume berührt sie. Als sie eine persönliche Krise durchlebt, wendet sie sich dann erneut an die Theologin Schmid. „Mit Freunden zu sprechen oder einem Therapeuten, hätte mir nicht weitergeholfen“, sagt sie. „Ich hatte das Gefühl, ich brauche eine Seelsorge.“

Carolin George schildert im Buch eine Annäherung. „Keine Sorge, was jetzt folgt, ist kein Buch über meine Bekehrung. Keine Geschichte darüber, dass mich der Blitz traf, und ich seither beseelt-schwingenden Schrittes durch das Leben springe“, schreibt sie gleich am Anfang. Sie fängt an, Kirchen zu besuchen, auch einmal einen Gottesdienst. Mit dem Glauben an „Ersiees“ Gott gewinnt sie eine neue Freiheit, wie sie sagt. Der Glaube stärke sie, lasse sie lieben und vergeben - auch sich selbst, wenn eigene Erwartungen zu hoch werden. Einen Tag nach ihrem 42. Geburtstag bekräftigt sie ihr neues Lebensgefühl, indem sie sich bei ihrer Konfirmation den Segen zusprechen lässt.

Üblich ist das nicht. Denn Menschen, die als Kind getauft wurden, gehören nach dem Verständnis der lutherischen Kirchen zur christlichen Gemeinschaft, auch wenn sie sich später nicht konfirmieren lassen. Doch Carolin George ist das wichtig. In einem „Brief an Gott“ schrieb sie damals: „Ich freue mich wahnsinnig, dass wir uns endlich kennengelernt haben. Lass uns weiter so machen.“