"...damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen"

Ein Beitrag zur Debatte über neue Leitbilder für eine zukunftsfähige Entwicklung. Eine Studie der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung. August 2015

3. Welt im Umbruch

3.1. Soziale und ökologische Herausforderungen der ökonomischen Globalisierung

In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten haben sich durch die ökonomische Globalisierung eine Reihe von Bedingungen verändert, die für die Armutsbekämpfung und eine nachhaltige Entwicklung entscheidend sind [42]. Nicht nur sind die Handelsbeziehungen, Finanzströme und Direktinvestitionen zwischen den Ländern der Welt gewachsen. Die internationalen ökonomischen Beziehungen haben sich dadurch enorm verdichtet und damit neuartige Verflechtungen geschaffen. Auch die Handlungsspielräume der Politik sind in stärkerem Maße von der Entwicklungsdynamik der Weltwirtschaft und der Weltfinanzmärkte abhängig, als dies früher der Fall war; sie sind jedoch nicht vollständig durch die Globalisierung vorstrukturiert.

Die folgenreichste Veränderung dürfte jedoch der wirtschaftliche Aufstieg einzelner großer Entwicklungs- und Schwellenländer sein. Der Anteil der Nicht-OECD-Staaten am globalen BIP ist in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen [43]. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds stellten die sieben großen Schwellenländer bereits 2007 mehr als 50 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung; 2014 ist ihr Anteil auf 57 Prozent gestiegen. Zusammengenommen ist das BIP von Brasilien, Russland, Indien, China, Mexiko, Indonesien und der Türkei größer als das der G7 (USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada und Japan) [44]. Gleichzeitig hat die Gruppe der Entwicklungsländer, die in früheren Jahrzehnten vom Weltmarkt zeitweise nahezu abgekoppelt waren, ihren Weltmarktanteil am Handel erheblich steigern können. Entwicklungs- und Schwellenländer haben mittlerweile einen Anteil von ca. 40 Prozent am internationalen Warenhandel und von ca. 30 Prozent am Dienstleistungshandel (2010) [45]. Der Welthandelsanteil der ärmsten Entwicklungsländer ist aber mit nur einem Prozent nach wie vor verschwindend gering [46]. Hohe Steigerungen gelten für den Bereich der Auslandsdirektinvestitionen: 45 Prozent der Investitionen fließen in diese Länder, 22 Prozent stammen aus diesen Ländern [47]. Ein dominanter Akteur ist China mit einem Anteil von etwa 10 Prozent sowohl am Welthandel als auch an den eingehenden Direktinvestitionen. In nächster Zukunft wird die ökonomische Süd-Süd-Kooperation an Bedeutung gewinnen. So betreibt China eine gezielte Investitionspolitik in Afrika.

Der Aufstieg dieser großen Entwicklungsökonomien zeigt zugleich die Abschwächung des Einflusses »westlicher Industrieländer« an. Die stattfindenden Machtverschiebungen zeigten sich darin, dass Europa im Nachgang der Finanzkrise weniger auf die US-amerikanische Wirtschaft als auf Asien und Lateinamerika setzte, um die schlimmsten Beschäftigungseinbrüche durch Exporte abzufedern. Schließlich sah sich die G8 (Deutschland, USA, Japan, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Italien und Russland) dazu gezwungen, zur Bewältigung der Finanzkrise von 2008 auf diese Entwicklungs- und Schwellenländer zuzugehen und dafür gemeinsam die G20 (Industrie- und Schwellenländer) einzurichten.

Welche Auswirkungen hatte diese globalisierte Weltwirtschaft auf Armut und Einkommensverteilung, den Hunger und den Zustand der natürlichen Umwelt?

Armut und Einkommensverteilung

Berechnungen der Weltbank zeigen, dass die Zahl der extrem Armen erheblich abgenommen hat, und zwar von 1,9 Milliarden im Jahr 1990 auf 1 Milliarde im Jahr 2011 [48].In Prozenten der Weltbevölkerung bedeutet dies, dass der Anteil der extrem Armen von 43 Prozent im Jahr 1990 auf 17 Prozent im Jahr 2011 gesunken ist. Die Erfolgsbilanz bei der Bekämpfung der extremen Armut verbessert sich, wenn man den Anstieg der Weltbevölkerung in dieser Periode mit in Rechnung stellt. In China waren nach Angaben der OECD 1981 mehr als 80 Prozent der Bevölkerung extrem arm, 2005 waren es weniger als 20 Prozent. In Indien war dieser Trend wesentlich schwächer ausgeprägt: Der Anteil der extrem Armen sank von 60 Prozent im Jahr 1980 auf ca. 40 Prozent im Jahr 2005. In Subsahara-Afrika ist der Anteil der extrem Armen nach Angaben der Weltbank jedoch gestiegen, von 287 Millionen im Jahr 1990 auf 415 Millionen Menschen im Jahr 2011 [49].Ein etwas anderes Bild ergibt sich, wenn man die Zahl der Menschen betrachtet, die mit weniger als 2 USD pro Tag auskommen müssen: Ihre Zahl betrug 2,59 Milliarden Menschen im Jahr 1981, und im Jahr 2011 waren es immer noch 2,2 Milliarden [50]. Insgesamt kann also bei Weitem noch nicht von einer Überwindung der globalen Armut gesprochen werden.

Welche Einkommensgruppen haben von der ökonomischen Globalisierung profitiert? Nach Berechnungen der Weltbank [51] sind die größten Gewinner zwischen 1988 und 2008 global gesehen die Reichsten: Das Einkommen des obersten einen Prozents der Weltbevölkerung hat um mehr als 60 Prozent zugenommen. Stärker aber noch haben diejenigen profitiert, die den aufsteigenden globalen Mittelschichten zugerechnet werden können: Die mittleren Einkommensgruppen (zwischen dem 40. und dem 60. Perzentil) haben ihr Einkommen im selben Zeitraum um etwa 80 Prozent steigern können. Dazu gehören etwa 200 Millionen Chinesen, 90 Millionen Inder und etwa 30 Millionen Menschen jeweils aus Indonesien, Brasilien und Ägypten. Überraschenderweise ist es aber auch im unteren Drittel zu Einkommenszuwächsen gekommen; dort sind die Realeinkommen zwischen 40 und 70 Prozent gestiegen. Dies gilt jedoch nicht für die untersten fünf Prozent, deren Einkommen gleich geblieben sind. Die Einkommen der alten Mittelschichten aus den Industrieländern (zwischen dem 75. und 90. Perzentil) stagnieren.

Die Mehrheit der Armen lebt heute in Ländern mit mittlerem Einkommen sowie in sehr armen Ländern, die von instabilen politischen Verhältnissen und einem hohen Konfliktpotenzial gekennzeichnet sind, v. a. in einigen Ländern Subsahara-Afrikas und Südasiens. Hinzu kommt, dass die rasanten Wachstumsprozesse in vielen Entwicklungsländern, allen voran in China, mit einer Zunahme der Einkommensungleichheit einhergegangen sind [52]. Dem ärmsten Fünftel der Weltbevölkerung kommen nur 1 bis 2 Prozent des Welteinkommens zu. Die Bedürftigsten haben, mit anderen Worten, nicht überproportional vom globalen Wirtschaftswachstum profitieren können – in mehreren Ländern dürften die Ärmsten sogar weniger als der Durchschnitt der Bevölkerung am Einkommenswachstum partizipiert haben. Auch dies kann innergesellschaftliche Konflikte verursachen, sollte das Wachstum abnehmen und keine sozialpolitische Absicherung von Lebensrisiken (Arbeitslosigkeit, Krankheit, Tod des Versorgenden) vorhanden sein. Leichte Verbesserungen waren bisher eher die Ausnahme, beispielsweise in Brasilien oder Indonesien. Gemessen am Gini-Koeffizient [53] sind in Indonesien die Einkommen inzwischen weniger ungleich verteilt als in vielen OECD-Staaten (OECD 2011). Die sich wechselseitig verstärkende Mischung aus Wirtschaftswachstum und breitenwirksamer Bildungspolitik gilt als der zentrale Motor dieser Entwicklung.

In absoluten Zahlen bedeutet dies nach Angaben der Weltbank [54], dass etwa 20 Prozent der Menschen in Entwicklungsländern mit weniger als 1,25 USD pro Tag auskommen müssen und etwa 55 Prozent mit weniger als 4 USD pro Tag. Das heißt, dass etwa 75 Prozent der Bevölkerunkg in Entwicklungsländern sehr verletzlich für externe Schocks wie plötzliche Anstiege der Nahrungsmittelpreise, Dürren und andere Naturkatastrophen sehr anfällig bleiben. Damit ist auch angedeutet, dass eine weitere Verbesserung der Lebens- und Einkommensbedingungen auf breiter Basis in Entwicklungsländern keine ausgemachte Sache ist. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass Geldeinkommen in vielen Ländern des Südens nur ein Aspekt sozialer Sicherung neben familiären Zugehörigkeiten, Netzwerken lokaler Solidarität, direkter Aneignung von Naturprodukten etc. ist. Der Fähigkeitenansatz (vgl. Kap. 4.2) ist nicht auf monetäres Einkommen fixiert. Im Grunde entspricht es immer noch den Wertmaßstäben des ökonomischen Entwicklungsmodells, Armut anhand von Geldeinkommen zu messen.

Anhaltender Hunger [55]

Zwischen 1996 und 2009 wurden stets mehr als 850 Millionen Menschen als chronisch und akut unterernährt eingestuft, d. h. relativ zur gewachsenen Weltbevölkerung hat der Anteil der Hungernden zwar abgenommen, ist aber immer noch erschreckend hoch. Gemäß dem Fähigkeitenansatz (vgl. Kap. 4.3) sind Hunger und Unterernährung Lebensumstände, die mit wirklicher Freiheit unvereinbar sind. Zwischen 2007 und 2008 kam es zu einer Welternährungskrise, während der weitere ca. 150 Millionen Menschen zumindest zeitweilig zu Hungernden gemacht wurden. In dieser Zeit stiegen die Weltmarktpreise für wichtige Grundnahrungsmittel in kurzer Zeit enorm an. In über 40 Ländern kam es in der Folge zu »Hungeraufständen«. Für das Jahr 2013 wird die Zahl der Hungernden von der Welternährungsorganisation FAO mit 805 Millionen angegeben [56].

Der Zusammenhang zwischen Einkommensarmut und anhaltendem Hunger bzw. hohem Hungerrisiko ist überdeutlich: Fast 80 Prozent aller Hungernden leben nach wie vor in ländlichen Regionen; hier ist auch der Anteil der Armen überdurchschnittlich hoch. Die beharrlich hohe Zahl von Hungernden ist vor allem dadurch zu erklären, dass diese Personengruppen keine ausreichenden Einkommen erzielen können und in vielen Ländern von der nationalen und internationalen Politik lange Zeit marginalisiert und übersehen wurden. Die Vernachlässigung der ländlichen Regionen gegenüber den Metropolen hat in vielen Ländern auch politische bzw. machtstrategische Gründe.

Die starke Wirkung erhöhter Agrarpreise auf die Nahrungsmittelversorgung hängt mit der Abhängigkeit vieler armer Entwicklungsländer von Nahrungsmittelimporten zusammen. Die Weltagrarmarktpreise waren lange Zeit aufgrund des Dumpings der Industrieländer sehr niedrig. Die Weltbank und andere Geber rieten in dieser Zeit vielen armen Ländern, ihre Märkte für Agrarimporte zu öffnen und stattdessen auf den Export hochwertiger Agrarprodukte zu setzen. In der Folge konnten insbesondere Kleinbauern keine ausreichenden Einkommen mehr erzielen, da sie zu teuer anboten. Dementsprechend ist die Nahrungsmittelproduktion in vielen Entwicklungsländern über Jahre zurückgegangen und mehr und mehr Länder wurden von Nahrungsmittelimporten abhängig. Seit der Welternährungskrise sind die Lebensmittelpreise substanziell gestiegen und fast alle Nahrungsmittel importierenden Länder überdenken derzeit ihre alte Strategie.

Nahrungsmittelknappheit wird jedoch von weiteren Faktoren bestimmt: Im Agrarsektor vieler Entwicklungsländer gehen durchschnittlich fast 30 Prozent der Ernten durch fehlende oder falsche Lagerhaltung und mangelnde finanzielle und infrastrukturelle Ausstattung ländlicher Räume verloren. In den Industrieländern werden ca. 30 Prozent der verarbeiteten Lebensmittel kurz vor oder nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums weggeworfen, auch wenn sie genießbar sind [57]. Knappheiten auf den Weltmärkten sind also nicht immer mit »physischen Knappheiten« gleichzusetzen, sondern werden auch durch vermeidbare Lager- und Transportverluste sowie gedankenloses und verschwenderisches Konsumverhalten verursacht.

Spekulationsgeschäfte auf den Agrarrohstoffmärkten werden die Weltagrarpreise auch in Zukunft mitbestimmen. Diese Geschäfte beeinflussen die ohnehin steigenden und volatilen Preise zusätzlich. Ein weiterer Faktor sind die seit 2009 enorm steigenden Investitionen in die großbetriebliche Landwirtschaft sowie in die Ressource Land. Dadurch sind an vielen Orten die Kleinbauern stärker unter Druck geraten. Private Investoren und staatliche Akteure haben verstärkt große Agrarflächen in Entwicklungsländern erworben oder gepachtet. Eine Verschärfung der Landnutzungskonflikte scheint vorprogrammiert: Zwischen Kleinbauern und kommerziellen Großbetrieben, zwischen Agrarnutzung und Biodiversitäts-/Klimaschutz, zwischen dem Anbau von Futter- und Nahrungsmitteln, zwischen dem Anbau von Nahrungsmitteln und »Bioenergie«.

Globale Verschlechterungen des Zustands der Umwelt

In den letzten Jahrzehnten sind die globalen Klimaveränderungen und erhebliche Schädigungen der Erdökosysteme unübersehbar geworden. Damit wächst die Gefahr der Destabilisierung wesentlicher biophysischer Systeme sowie abrupter unumkehrbarer Umweltveränderungen, die zukünftiges menschliches Wohlergehen auf der Erde erheblich einschränken oder gar unmöglich machen können. Dazu gehören die Auswirkungen der globalen Erwärmung ebenso wie die Störung der Stickstoff- und Phosphorzyklen, der Verlust an Biodiversität in den Ozeanen und auf dem Land, die Abnahme der naturbelassenen Gebiete, die Zerstörung der Ozonschicht sowie die Belastung mit Chemikalien [58].

Die zunehmende Flächenversiegelung und die fortschreitende Erosion insbesondere bei landwirtschaftlich wertvollen Nutzflächen sowie die absehbare Knappheit bei einer Reihe von nicht erneuerbaren Ressourcen werden voraussichtlich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Konflikte verursachen. Die Erderwärmung und die anhaltenden Biodiversitätsverluste nehmen unter den globalen Umweltrisiken eine Sonderrolle ein, da sie besonders stark negativ auf andere Lebensgrundlagen und Ökosubsysteme ausstrahlen und bestehende negative Trends wie etwa die fortschreitende Wüstenbildung massiv verstärken können. Außerdem kann insbesondere die Erderwärmung zu Veränderungsprozessen wie das Schmelzen des Grönlandeisschildes führen, die – einmal ausgelöst – unumkehrbar sind. Deren langfristige Folgen wiederum betreffen zukünftige Generationen bis ins nächste Jahrhundert und möglicherweise darüber hinaus.

3.2. Veränderte politische Gestaltungsmöglichkeiten für eine sozial-ökologische Transformation

Die ökonomische Globalisierung, die globalen Umweltprobleme und die Verschiebung ökonomischer und politischer Macht vom »Norden« nach »Asien« haben die Rahmenbedingungen für politisches Handeln grundlegend verändert. Nationale Politik steht heute vor der Aufgabe, zunehmend Problemlagen zu bearbeiten, die sich durch Komplexität und Internationalität auszeichnen. Wie am Beispiel des Hungers dargelegt wurde, geht es häufig um die Bearbeitung von Ursachenbündeln, die sich über mehrere Politikfelder erstrecken und Akteure aus verschiedenen Ländern und Sektoren umfassen, deren Handeln miteinander verwoben ist. Die Reichweite der im nationalen Rahmen üblichen Instrumente von Politik – Verhandlungen, Gesetze, Sanktionen – muss nun häufig durch internationale Absprachen erweitert werden, wenn sie wirksam sein soll. Auch muss die Kohärenz zwischen den Politikfeldern erhöht werden, damit nicht eine Politik die andere unterhöhlt.

Das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung kann auch in den reichen Ländern nicht mehr im Alleingang gesichert werden: Beispiele dafür sind die Bekämpfung des Klimawandels und anderer grenzüberschreitender Umweltbelastungen, die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und organisierter Kriminalität, der Schutz vor Gesundheitsrisiken durch Pandemien oder krankheitserregende Stoffe in importierten Nahrungsmitteln und Gebrauchsgütern.

Damit sind nicht nur arme Länder, sondern auch reiche und einflussreiche Staaten zunehmend auf internationale Kooperation angewiesen. Um die Wirksamkeit internationaler Kooperation zu stärken, müssen verschiedene Herausforderungen bearbeitet werden:

  • Nationale Debatten über politische Prioritäten und gesetzliche Schritte müssen viel stärker als bisher in den internationalen Kontext gestellt werden, um den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen, dass viele Ziele nicht gegen nahe und ferne Nachbarn erreicht werden können, sondern ein Zusammengehen, gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Kompromisse erfordern.
  • Die Deregulierung und Liberalisierung der Güter- und Finanzmärkte hat die nationalen Handlungsspielräume auch in den reichen Ländern seit den 1980er-Jahren verringert, insbesondere mit Blick auf demokratische Gestaltungsräume, soziale Inklusion und Umverteilung. Es ist Gegenstand der politischen und der wissenschaftlichen Debatte, wie das Verhältnis zwischen ökonomischer Globalisierung und demokratisch legitimierter Einflussnahme auf die Wirtschaft neu austariert werden muss: Wo mehr in Global Governance investiert werden muss, wie sehr es um den Wiederausbau nationaler Handlungsspielräume geht und wie beide Ebenen besser verknüpft werden können. Denn Kooperation erfordert funktionierende Nationalstaaten; ohne sie sind gemeinsame internationale Vereinbarungen und Reformen weder möglich noch wirksam umzusetzen.
  • Die Ressourcen für Problemlösungen hin zu einer sozial-ökologischen Transformation sind auf viele Akteure verteilt: dazu gehören die Wissenschaften, die Wirtschaft, die Kirchen, andere religiöse Institutionen, zivilgesellschaftliche Organisationen, die Legislative und die Exekutive auf den verschiedenen Ebenen. Um diese Ressourcen fruchtbar zusammenzubringen, sind neue Partnerschaften erforderlich, die sich an gemeinsamen Zielen und Regeln für eine transparente, effektive und am Gemeinwohl orientierte Kooperation orientieren. Nicht zuletzt wird es zu den Aufgaben solcher neuen Partnerschaften gehören, breit angelegte Bildungs- und Informationsangebote für die Mitte der Gesellschaft im Sinne »transformativer Alphabetisierung« zu entwickeln und durchzuführen.
  • Internationale Kooperation erfordert Vertrauen, Kommunikation und die Einhaltung gemeinsamer Regeln. Dies war schon in der kleinen Gruppe der alten Industrieländer Nordamerikas, Europas und Asiens nicht immer leicht zu erreichen, der Aufstieg Chinas, Indiens, Brasiliens und anderer Entwicklungsländer macht Verständigungs- und Verhandlungsprozesse noch schwerer. Denn der Aufstieg der einen ist verknüpft mit dem Abstieg anderer; es entstehen neue Bündnismöglichkeiten, unterschiedliche Sichtweisen und Prioritäten treffen aufeinander. Es ist jedoch notwendig, in die Verständigung mit diesen Ländern zu investieren und dabei die Vertrauensbeziehungen zu den alten Partnern nicht zu vernachlässigen.

EKD-Text 122 (pdf)

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