Ratsbericht 2019 - Schriftlicher Teil

6. Tagung der 12. Synode der EKD 2019 in Dresden

4. Kirche in der Gesellschaft

4.1 Thema „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“

Im Themenfeld „Kirche in der Gesellschaft“ spielt zunehmend die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts als Querschnittsthema eine Rolle. Ob es die rasanten Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung sind oder in der Medizin- und Gentechnik; oder ob es die Herausforderungen angesichts von Flucht, Migration und der erforderlichen Integration in die Gesellschaft sind: Immer läuft eine grundierende Verunsicherung der gesellschaftlichen Prozesse mit, wie angesichts dieser Veränderungen gesellschaftlicher Zusammenhalt hergestellt werden oder gelingen kann. Hinzu kommt, dass die Diskurse über diese Veränderungen in der Regel nicht mehr konsensual zu führen sind. Die EKD sieht sich mit ihrem Handeln als eine wichtige gesellschaftliche Akteurin zur Förderung von Zusammenhalt in einer offenen und demokratischen Gesellschaft. Über ihre Kirchengemeinden verfügt die evangelische Kirche über eine Basisvernetzung, wie sie kaum noch eine andere gesellschaftliche Institution vorweisen kann. Mit ihrer Vernetzung in Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft verfügt sie über zahlreiche Möglichkeiten, Fragen nach Konsens, Werten, Sprache und Gütern des Zusammenlebens ins Gespräch zu bringen.

4.2 Einsatz der EKD gemeinsam mit ökumenischen und anderen Partnern gegenüber der Bundesregierung und den europäischen Institutionen für eine solidarische und menschenrechtsbasierte Flüchtlingspolitik in der EU

Die Diskussionen auf europäischer Ebene über den Umgang mit Flüchtlingen und Migrantinnen und Migranten in Europa im allgemeinen und über die gesetzliche Verankerung eines nachhaltigen, effektiven und menschenrechtsbasierten europäischen Asylsystems dauern nach wie vor an. Ungelöst bleiben u.a. die Verteilung von Migrantinnen und Migranten, die aus Seenot gerettet werden, und die Entlastung von Mitgliedsstaaten mit EU-Außengrenze. Die Lage im Mittelmeer hat sich durch die Einstellung der Bootspräsenz der Operation „Sophia“ weiter verschärft. Die Kriminalisierung ziviler Seenotrettung durch Italien und die Unwilligkeit der übrigen EU-Staaten, wirkt einer verpflichtenden Regelung zur dauerhaften und einzelfallunabhängigen Aufnahme Geretteter entgegen. In Gesprächen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments (u.a. der Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahl, Ska Keller), der finnischen Ratspräsidentschaft und der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland hat die Brüsseler Dienststelle des Bevollmächtigten wiederholt die Notwendigkeit unterstrichen, sichere und legale Wege auszubauen, die Aufnahmebedingungen und Verfahrensstandards zu harmonisieren und die Mitgliedstaaten zur Seenotrettung zu verpflichten. In der Diskussion über eine Verschärfung der EU-Rückkehrpolitik forderte das Büro im Verbund mit anderen christlichen Organisationen die EU und ihre Mitgliedstaaten zur Achtung der Menschenwürde auf und sprach sich gegen eine längere Haftdauer und für den Vorrang der freiwilligen Rückkehr aus.

Auf nationaler Ebene in Deutschland kritisierte der Bevollmächtigte in einer Stellungnahme zum Geordnete-Rückkehr-Gesetz gemeinsam mit dem Katholischen Büro in Berlin die vorrübergehende Aufhebung des sogenannten Trennungsgebots, wonach Menschen in Abschiebehaft von Häftlingen getrennt untergebracht werden müssen. Der Bevollmächtigte stellte den kirchlichen Länderbeauftragten einen Musterbrief zur Verfügung, mit dem sie bei den Landesregierungen für die Anrufung des Vermittlungsausschusses werben konnten. Leider wurde das Gesetz jedoch trotz landeskirchlicher Bemühungen nicht an den Vermittlungsausschuss verwiesen.

Ende Juni 2019 fand das 19. Flüchtlingsschutzsymposium in Berlin statt, das von der EKD organisatorisch und finanziell unterstützt und u.a. von der Diakonie Deutschland, UNHCR, amnesty international und dem Deutschen Roten Kreuz getragen wird. Ein deutlicher Schwerpunkt der diesjährigen Veranstaltung lag auf der Seenotrettung und der solidarischen Aufnahme von Schutzsuchenden in Europa. Neben der Zivilgesellschaft waren auch das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vertreten.

Vgl. Umsetzungbericht der Synode (Nr. 8).

4.3 Seenotrettung: Kirchliches Zeugnis in der Öffentlichkeit

Vom 2.-4.7.2019 reiste der Ratsvorsitzende nach Sizilien, um das Rettungsschiff Sea-Watch 3 zu besuchen, die Besatzung zu treffen und ein Zeichen der Solidarität mit der zivilen Seenotrettung zu setzen. In Palermo fanden Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des ökumenischen Projekts „Mediterranean Hope“ statt, mit dem Erzbischof von Palermo und mit mit Leoluca Orlando, dem Bürgermeister von Palermo, gab es Hintergrundgespräche. In zahlreichen öffentlichen Statements und Videobotschaften setzte sich der Ratsvorsitzende für die Kernforderungen der EKD ein, insb. für einen europäischen Notfallplan für Bootsflüchtlinge, die Ermöglichung freiwilliger kommunaler Aufnahme („Sichere Häfen“) sowie ein Ende von Rückführungen nach Libyen. Alle Berichte und Bilder der Reise finden sich unter www.ekd.de/sizilien2019.

Über die Reise wurde ausführlich in den öffentlich-rechtlichen Sendern berichtet (ARD, Mittagsmagazin, Tagesschau, SWR, WDR, NDR etc.), darüber hinaus gab es ein sehr großes Medienecho in allen klassischen Printmedien. Insgesamt konnte so eine für das EKD-Regelgeschäft außerordentlich gute bundesweite Reichweite erzielt werden. Durch intensive eigene Öffentlichkeitsarbeit, insb. tägliche Videos und Statements, war die Reichweite in den sozialen Netzwerken außerordentlich hoch. Dies gelang v.a. durch Kooperationen mit Sea-Watch und „Seebrücke“ (ein bundesweites Bündnis für Seenotrettung und kommunale Aufnahme), durch externe Posts (z.B. ZDF) sowie durch die gezielte Ansprache von prominenten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren (Jan Böhmermann, Ruprecht Polenz, Robert Habeck, Revolverheld, Sarah Wiener, Michel Abdollahi etc.), die die Botschaften des Ratsvorsitzenden auch weit über den kirchlichen Raum hinaus kommunizierten.

Das EKD-Engagement zum Thema Seenotrettung fand seine Fortsetzung beim Kirchentag in Dortmund. In einer kurzfristig angesetzten Großveranstaltung sprachen der Ratsvorsitzende und Leoluca Orlando und forderten die Bundesregierung zum sofortigen Handeln auf. Die EKD war zudem erneut beim Fluchtgedenken auf dem Kirchentag (www.fluchtgedenken.de) beteiligt. Der Ratsvorsitzende sprach weiterhin bei einer Kundgebung der „Seebrücke“ in Dortmund und bei einer bundesweit stattfindenden Seebrücke-Demonstrationen am 6.7.2019 in Magdeburg.

4.4 Europa und Seenot: „Schicken wir ein Schiff“: Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis

Anlässlich der Kirchentagsresolution „Schicken wir ein Schiff“, die sich an die EKD und ihre Gliedkirchen richtet, hat sich der Rat mit der Frage befasst, inwiefern die EKD dazu beitragen kann, ein neues ziviles Rettungsschiff auf den Weg zu bringen. Grundlage für die Beratung war ein Vorschlag von Sea-Watch für ein breites gesellschaftliches Eignerbündnis, dem die EKD beitreten könnte. Vom Rat wurde die Vorbereitung einer solchen Beteiligung der EKD und die Prüfung ihrer Umsetzungsbedingungen beschlossen. Weiter sollten Beteiligungsoptionen für Landeskirchen, kirchliche Werke und Einrichtungen entworfen werden. Größter Wert liegt auf der breiten gesellschaftlichen Verankerung des Vereins, insbesondere der Einbindung von Reedereien, Gewerkschaften und Kommunen. Die Beteiligung der EKD an einem Schiff ist dabei ein Weg, um langjährige kirchliche Forderungen für eine tragfähige europäische Asyl- und Migrationspolitik zu transportieren. Diese beinhalten die fortgesetzte Seenotrettung, eine menschenrechtsbasierte Reform der Dublin-VO im Rahmen der Vollendung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sowie die Einrichtung sicherer und legaler Wege in die EU. Zur Klärung der rechtlichen Fragen, die mit dem geplanten Eignerbündnis, einem Schiffs­-kauf sowie der Vercharterung an eine Rettungsorganisation verbunden sind, wurde ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Geklärt werden sollte insbesondere, inwiefern sich operativen Haftungsrisiken – zivilrechtliche, aber auch strafrechtliche – durch vertragliche oder versicherungsrechtliche Lösungen begrenzen lassen. Der Rat sieht diese Initiative auch vor dem Hintergrund zahlreicher Beschlüsse der Synode in den vergangenen Jahren.

4.5 Theologische Weiterarbeit an Kriterien der Auseinandersetzung mit nationalistischen, völkischen und rechtspopulistischen Positionen - Integrierter Forschungsverbund „Kirchenmitgliedschaft und politische Kultur“

In seiner Sitzung im September 2018 hatte der Rat der EKD auf einschlägige Vorkommnisse in Bautzen und Chemnitz hin beschlossen, haupt- und ehrenamtliche kirchliche Mitarbeitende in der Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Tendenzen und Parolen zu unterstützen. Im Blick war, Formate zu entwickeln, um Dialoge themenbezogen und milieuübergreifend vor Ort führen zu können.

Vgl. Umsetzungsbericht der Synode (Nr. 12)

4.6 Veranstaltungen der Dienststellen Berlin und Brüssel

Die Dienststelle des Bevollmächtigten Dr. Dutzmann organisierte im Berichtszeitraum eine Reihe von gottesdienstlichen und geistlichen Angeboten: ökumenische Andachten, donnerstags und freitags vor den morgendlichen Plenardebatten im Bundestag; Gottesdienste mit ausdrücklichem Bezug zur Politik gemeinsam mit dem Berliner Dom und einen ökumenischen Gottesdienst anlässlich der Versetzung deutscher Diplomaten an die Auslandsvertretungen.

Der Bevollmächtigte hat außerdem die Tradition fortgesetzt, zu einem Frühstück in die Dienststellen einzuladen: alle zwei Monate mit allen evangelischen Abgeordneten des Bundestages; einmal im Jahr auch die konfessionslosen Parlamentarierinnen und Parlamentarier und das jährliche Frühstück für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten. Beim evangelischen Frühstück mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments am 20.11.2018 stand in der Brüsseler Dienststelle die 5. Tagung der EKD-Synode im Mittelpunkt.

Thematische Veranstaltungen der Dienstelle des Bevollmächtigten waren im Berichts­zeitraum: Gemeinsam mit der „Klima-Kollekte“ am 26.3.2019 eine Podiumsdiskussion in der Berliner Dienststelle zum Thema „Nachhaltige Mobilität und der Beitrag der Kirche“.  Das Thema der „Bonner Gespräche“, die seit dem Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin einmal im Jahr stattfinden, war in diesem Jahr (am 13.6.2019) der Rechtspopulismus in Kirche und Gesellschaft. Gast der Veranstaltung war die Publizistin Liane Bednarz. Unter dem Titel „Die Zukunft der Arbeit – Welche Ethik für das digitale Zeitalter?“ diskutierten am 7.11.2018 Prof. Dr. Wolfgang Huber und Prof. Dr. med. Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, im Haus der EKD in Brüssel über die mögliche Ausgestaltung der durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz ausgelösten Transformationsprozesse. Am 19.3.2019 schloss sich dort eine weiterführende Diskussion mit dem Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates, Prof. Dr. Peter Dabrock an. Anlässlich des 70. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lud die Brüsseler Dienststelle am 21.11.2018 zu einem Diskussionsabend zum Engagement der Kirchen für Menschenrechte mit der Auslandsbi­schöfin der EKD, Petra Bosse-Huber, ein.

Das Brüsseler Büro veranstaltet regelmäßig gemeinsam mit dem Katholischen Büro Berlin und dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) einen Gesprächskreis für Christinnen und Christen in den EU-Institutionen. Am 18.2.2019 fand unter Beteiligung der Brüsseler Dienststelle ein Austausch über aktuelle nationale Entwicklungen zwischen den Mitgliedern der Europäischen Sonntagsallianz statt, bevor die Europäische Sonntagsallianz im Anschluss zur Diskussion über die Herausforderungen und Chancen für den Sonntagsschutz und angemessene Arbeitszeiten in der nächsten Legislaturperiode ins Europäische Parlament einlud.

Am 9.10.2019 stellte die Dienststelle gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung das Friedensgutachten 2019 vor. Es diskutierten Vertreter aus Wissenschaft und Politik über die Europäisierung der Europäischen Rüstungs- und Verteidigungspolitik. 

Beim ökumenischen Jahresempfang am 28.11.2018 in Brüssel sprach die stellvertretende Ratsvorsitzende, Präses Annette Kurschus, vor Vertreterinnen und Vertretern der EU-Institutionen zum Thema „Vertrauen in der Krise. Leichte Übung und knappe Ressource“.

Traditioneller Höhepunkt des Jahres war der Johannisempfang am 26.6.2019 in Berlin, bei dem der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm in Anwesenheit der Bundeskanzlerin mit seiner Rede „‘…und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar‘ (Psalm 23) Identität und Heimat – eine christliche Ortsbestimmung“ für „christliche Identität“ warb, „die Grenzen überwindet“.

Gemeinsam mit dem Katholischen Auslandssekretariat wurden die jährlichen „Attachés-Tagungen“ für angehende Diplomatinnen und Diplomaten des höheren Auswärtigen Dienstes fortgeführt (12.-13.9.2019 in Chorin). Ähnliche Veranstaltungen hatten bereits zu Beginn des Jahres für Anwärterinnen und Anwärter des gehobenen und mittleren Dienstes des Auswärtigen Amts (am 28.-29.1.2019) stattgefunden.

4.7 50-jähriges Jubiläum des Sozialwissenschaftlichen Instituts und Leitungswechsel

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD (SI-EKD) in Hannover (vormals Sozialwissenschaftliches Institut Bochum, SWI) wurde am 10.5.2019 in der Heilig-Kreuz-Kirche Berlin die Tagung „Fiktionen der Fülle. Religiöse Kommunikation und sozialpolitische Kultur“ veranstaltet. Neben dem wissenschaftlichen Diskurs galt die Aufmerksamkeit dem Rückblick auf 50 Jahre SWI/SI und persönlichen Begegnungen mit Gästen aus Wissenschaft, Kirchen, Diakonie und Wirtschaft.

Am darauffolgenden Tag, dem 11.5.2019, wurde Prof. Dr. Gerhard Wegner im Rahmen eines vom Ratsvorsitzenden geleiteten Gottesdienstes als Direktor des SI-EKD und aus dem Dienst als Pastor der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers in den Ruhestand verabschiedet. Ein Empfang in den Räumen des Bevollmächtigten schloss sich an.

4.8 Rezeption und Resonanz auf: EKD/DBK - Gemeinsames Wort zur Demokratie: Vertrauen in die Demokratie stärken

Am 11.4.2019, rechtzeitig vor der Europawahl, wurde das Gemeinsame Wort „Vertrauen in die Demokratie stärken“ der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD veröffentlicht. Es wurden eine Presseveranstaltung mit Prof. Dr. Reiner Anselm (Vorsitzender der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD [KÖV]), Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen [VI] der Deutschen Bischofskonferenz), Prof.in Dr. Eva Senghaas-Knobloch (Mitglied der KÖV der EKD) und Prof.in Dr. Tine Stein (Mitglied der Kommission VI der DBK) durchgeführt sowie eine Podiumsveranstaltung in der Französischen Friedrichstadtkirche, Berlin mit den beiden Vorsitzenden der KÖV und der Kommission VI, Herrn Paul Ziemiak (MdB, Generalsekretär der CDU) und Herrn Michael Kellner (Politischer Bundesgeschäftsführer Bündnis 90/Die Grünen). Die Veranstaltung war gut besucht, die nachhaltige Resonanz auf den Text weist darauf hin, dass er als Grundlagentext der beiden großen Kirchen wahr- und aufgenommen wird, inhaltlich auf große Zustimmung trifft und als Unterstützung in gesellschaftlich-politischen Fragen gewürdigt wird.

4.9 Treffen von Kirchenvertretern und Rabbinern in Frankfurt am Main: „Zukunft deutscher Gedenk- und Erinnerungskultur“ am 7.3.2019

Die Frage nach der Zukunft der deutschen Gedenk- und Erinnerungskultur stand im Zentrum des diesjährigen Treffens von Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz, des Rates der EKD, der Allgemeinen und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands am 7.3.2019 in Frankfurt am Main. Angesichts einer von Rechtspopulisten lautstark vorgetragenen Kritik an der deutschen Kultur der Erinnerung an die nationalsozialistische Diktatur stimmten Rabbiner und Kirchenvertreter darin überein, dass die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus unverzichtbar zur politischen Kultur Deutschlands und Europas gehört. Der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, betonte: „Indem die Kirche gemeinsam mit den jüdischen Geschwistern öffentlich für das Gedächtnis der Opfer der Geschichte eintritt … schafft sie die Voraussetzung für ein Erinnern, das durch die Würdigung und Anerkennung vergangenen Leidens neues Leiden verhindert.“ Dem stimmte der katholische Bischof Dr. Ulrich Neymeyr (Erfurt) zu und ergänzte, dass der kritische Blick auch auf kirchliche Traditionen gerichtet werden müsse, um das Erbe antijüdischer Vorurteile zu überwinden. Einen kritischen Akzent setzte der Frankfurter Rabbiner Julian-Chaim Soussan: Juden dürften in der öffentlichen Wahrnehmung nicht auf eine Opferrolle festgelegt werden. Der Reichtum der jüdischen Tradition und die Lebendigkeit des gegenwärtigen Judentums seien stärker im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.

Seit 2006 treffen sich Vertreter der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland (ARK) und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) mit Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD jährlich zu einem ausführlichen Meinungsaustausch, an dem auch das Präsidium des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit teilnimmt.

4.10 30 Jahre Friedliche Revolution: Besuche des Rates der EKD im Osten Deutschlands

Auf der Begegnungstagung im Januar 2019 ist noch einmal intensiv wahrgenommen worden, dass der Rat der EKD kein Mitglied mit Ostbiographie in seinen Reihen hat, und dass dies im Blick auf die Situation im Osten 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution Signal und Problem zugleich sei. Daraufhin entstand die Idee, das Gespräch vor Ort zu suchen. Auf den Reisen nach Ostdeutschland stand das Zuhören im Zentrum. Was sind die Themen, die die Menschen in unseren östlichen Landeskirchen beschäftigen, speziell: Was beschäftigt die Gemeinden? Welche Erwartungen gibt es von gesellschaftlichen Playern an die Kirche? Kleingruppen des Rates ließen sich für zwei Tage einladen, und die Kirchen vor Ort bestimmten die Gesprächspartner und die Gesprächsformate weitestgehend eigenverantwortlich. Die Reisen sind zeitnah und mit überschaubarem Aufwand realisiert worden. Mediale Aufmerksamkeit war dabei nicht von leitendem Interesse und wurde von den Verantwortlichen vor Ort organisiert. Gesprächspartner waren z.B. Menschen, die authentisch über die Probleme der Braunkohleregion und der Rechtspopulismusproblematik Auskunft geben konnten.

Zehn Begegnungen hatte der Rat geplant, Sieben sind im Berichtszeitrum bereits durchgeführt worden; es waren berührende, interessante und klärende Begegnungen. Eine gemeinsame Auswertung aller zehn Besuche ist für Dezember 2019 geplant. 

4.11 Begegnungstagung des Rates der EKD mit den ehemaligen Mitgliedern des Rates und des Vorstands der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR vom 24.-25.5.2019 in Erfurt und Weimar

Am Freitag, dem 25.05.2019, wurde die Ratssitzung nach der Begrüßung der „Ehemaligen“ mit dem Tagesordnungspunkt „Aussprache zur Lage“ gemeinsam fortgesetzt. Im Anschluss waren die Gäste eingeladen, an der Begegnung des Rates mit ehemaligen Mitgliedern des Vorstandes der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR teilzunehmen. Nach einem gemeinsamen Abendessen hielt Bischof i. R. Axel Noack am Abend einen Vortrag zum Schwerpunktthema der Begegnung „100 Jahre Weimarer Reichsverfassung, 70 Jahre Grundgesetz und 30 Jahre Friedliche Revolution“. Am Samstag fand eine gemeinsame Fahrt nach Weimar in das Nationaltheater statt. Dort hielt Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio einen Vortrag zum Thema „Ist Berlin Weimar?“.

4.12 Fragen des kirchlichen Arbeitsrechts im Hinblick auf die Weiterführung der Ver-fahren wie auch im Hinblick auf eine neue strategische Bearbeitung des Themas Identität evangelischer Dienste und Einrichtungen

Auf der Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Egenber-ger“ (vom 17.4.2018) hat das Bundesarbeitsgericht am 25.10.2018 entschieden, dass abgesehen von den Bereichen Verkündigung, Seelsorge, religiöse Bildung und kirchliche Leitung die Kirchen und ihre Einrichtungen die Kirchenmitgliedschaft als Einstellungsvoraus­setzung nur fordern können, wenn dies nach Art der Tätigkeit und der Umstände ihrer Ausübung eine rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung darstellt. Dies sei bereits dann nicht der Fall, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weisungsgebunden in Hierarchien eingeordnet seien. Gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. in enger Kooperation mit der EKD im Mai 2019 Verfassungsbeschwerde eingelegt, da die korporative Religionsfreiheit sowie das kirchliche Selbstbestimmungsrecht durch das Urteil in verfassungswidriger Weise eingeschränkt werden. Die Verfassungsbeschwerde rügt zudem ausdrücklich die Verletzung von Unionsrecht.

Im Juni 2019 hat eine mit Vertreterinnen und Vertretern aus Theologie und Rechtswissen-schaft besetzte Arbeitsgruppe die Überarbeitung der Richtlinie des Rates der EKD über die kirchlichen Anforderungen der beruflichen Mitarbeit in Kirche und Diakonie aufgenommen. In die Richtlinie sollen einerseits Regelungen aufgenommen werden, die eine Sicherstellung bzw. Schärfung des kirchlichen Profils kirchlicher und diakonischer Dienststellen und Einrich-tungen bewirken. Andererseits soll die Richtlinie im Hinblick auf die Kirchenmitgliedschaft als berufliche Anforderung so geändert werden, dass sie nicht im rechtlichen Widerspruch zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts steht, ohne aber vor dem Hintergrund der Verfassungsbeschwerde kirchliche Grundpositionen zu weitgehend aufzugeben. Die Überarbeitung soll im Januar 2020 abgeschlossen sein. Parallel dazu beschäftigt sich eine fachübergreifende Ex-pertengruppe mit Perspektiven für die Gestaltung von Kirche und Diakonie in einer pluraler werdenden Welt, nicht zuletzt um an strategischen Fragen des kirchlichen Arbeitsrechts wei-terzuarbeiten.

4.13 Prozess zur Aktualisierung des Gemeinsamen Wortes „Und der Fremdling, der in deinen Toren ist“

Der bereits im Ratsbericht 2018 erläuterte Auftrag zu einem grundlegenden Text von EKD und DBK wird von der einberufenen Arbeitsgruppe von Kammermitgliedern und externen Expertinnen und Experten bearbeitet. Dieser Prozess soll im engen Kontakt zu Kammer und Migrationskommission sowie im Diskurs mit weiteren Resonanzgruppen, etwa der Berliner Büros als auch Caritas und Diakonie, stattfinden. Erste Schreibergebnisse sollen im Dezember 2019 vorliegen und bei der jährlichen Sitzung des Ökumenischen Arbeitskreises Migration gehört und diskutiert werden. Der Text soll dem Rat zum Ende der Ratsperiode zur Beschlussfassung vorliegen.

4.14 11-Punkte-Plan zu Verantwortung und Aufarbeitung bei sexualisierter Gewalt in der Kirche und kirchlichen Einrichtungen

Das Handlungsfeld der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt hat seit der letzten Synode im Jahr 2018 durch den dort verabschiedeten 11-Punkte-Maßnahmeplan eine produktive Dynamik entwickelt. Der Beauftragtenrat zum Schutz gegen sexualisierte Gewalt hat die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen konsequent vorangetrieben. Seit dem 1.7.2019 steht die Zentrale Anlaufstelle.help in Zusammenarbeit mit der Fachberatungsstelle Pfiffigunde in Heilbronn für Betroffene zur Verfügung und hilft, die richtigen kirchlichen Ansprechpartner zu finden. Der Rat der EKD hat im Herbst 2019 eine Richtlinie zum Schutz vor sexualisierter Gewalt beschlossen. Diese sieht die Einrichtung von Meldestellen in den Landeskirchen vor, an die man sich wenden kann, wenn ein begründeter Verdacht auf einen Vorfall sexualisierter Gewalt besteht. Von verschiedenen Landeskirchen ist signalisiert worden, dass die Richtlinie in eigene kirchengesetzliche Regelungen Eingang finden wird. Im Handlungsfeld institutioneller Aufarbeitung sind wichtige Weichenstellungen für den Aufarbeitungsprozess in der evangelischen Kirche erfolgt. In allen Landeskirchen befassen sich Gremien, die zumeist als Unabhängige Kommission bezeichnet werden, mit der individuellen Unterstützung Betroffener in Anerkennung des erlittenen Leids. Weitere Einzelheiten werden im Bericht des Beauftragtenrates, der auf der Synode als gesonderter Tagesordnungspunkt vorgesehen ist, dargestellt. Dies gilt auch für die Bereiche der Betroffenenpartizpation und der Gespräche im politischen Raum, insbesondere mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM).

Vgl. Umsetzungsbericht der Synode (Nr. 4).

4.15 Rezeption und Resonanz auf: Text der Kammer für Öffentliche Verantwortung zur Nichtinvasiven Pränataldiagnostik

Zu dem im Oktober 2018 erschienenen Text „Nichtinvasive Pränataldiagnostik: Ein evangelischer Beitrag zur ethischen Urteilsbildung und zur politischen Gestaltung“ der KÖV wurde am 19.2.2019 ein Parlamentarischer Abend in der Französischen Friedrichstadtkirche, Berlin durchgeführt. Es diskutierten Ulla Schmidt (MdB und Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.), Prof. Josef Hecken (Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses), Pfr.in Sabine Habighorst (Direktorin des Evangelischen Zentralinstituts für Familienberatung Berlin) und Prof. Reiner Anselm (Vorsitzender der KÖV). Die Veranstaltung wurde von Vertretern und Vertreterinnen fast aller im Bundestag vertretenen Parteien besucht. Zu dem Text gab es an diesem Abend und auch insgesamt sowohl kontroverse als auch zustimmende Rückmeldungen. Deutlich wurde dadurch, dass der Text wichtige Anregungen für die gesellschaftliche Diskussion und eine evangelische Positionierung zur Frage der Regelfinanzierung von nichtinvasiven Pränataltests für sog. Risikoschwangerschaften gibt. Zu den zentralen Forderungen des Textes ist die Erstellung einer kurzen Folge-Broschüre oder eines Flyers zum Thema angedacht. Es geht um ein geregeltes Verfahren für die Durchführung der Bluttests (die bereits auf dem Markt sind) und um die Regelfinanzierung für sog. Risikoschwangerschaften, die mit einem zusätzlichen, angemessen informierenden psychosozialen Beratungsangebot zu verbinden sind.

4.16 100 Jahre Frauenwahlrecht: Veröffentlichung des Studienzentrums der EKD für Gender Fragen  in Kooperation mit der Konferenz der Genderreferate und Gleichstellungsstellen in den Gliedkirchen der EKD zum Frauenwahlrecht in der Kirche

In diesem Jahr fand die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren und die Erinnerung an den Einzug der ersten Frauen in die Nationalversammlung viel öffentliche Aufmerksamkeit. Die evangelische Kirche tat sich zu dieser Zeit noch sehr schwer, Frauen Mitentscheidungsrechte in den Gemeinden und Synoden zuzugestehen. Das zeigt das Heft „Frauenwahlrecht in der Kirche“, das Anfang diesen Jahres vom Studienzentrum der EKD für Genderfragen zusammen mit der Konferenz der Genderreferate und Gleichstellungsstellen in den Gliedkirchen der EKD als zweiter Ergänzungsband zum Gleichstellungsatlas herausgegeben wurde. Der Band gibt mit Daten, Fakten und vielen Zitaten Einblick in den spannungsreichen Weg, bis die rechtliche Gleichstellung beim aktiven und passiven Wahlrecht 1967 EKD-weit erreicht war. Der lange Ausschluss von Frauen von der Mitbestimmung in der Kirche wurde in den Synoden stets mit der „unterschiedlichen Natur der Frau“ und einer vorgegebenen „Schöpfungsordnung“ zu rechtfertigen versucht. Dieser Blick in die Geschichte ist aufschlussreich und hilft zugleich, den Blick für die Gegenwart zu schärfen. Heute positionieren sich verschiedene Gruppen vornehmlich des rechten Spektrums mit nahezu den gleichen Begründungen gegen Genderforschung und Gleichstellungspolitik. Hier zeigt sich: Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist längst keine Selbstverständlichkeit. Sie bleibt ein Ziel, für das wir uns in Kirche und Gesellschaft aktiv einsetzen müssen.  

4.17 Diskussion um die Abschaffung von § 219a StGB

Im November 2017 wurde die Ärztin Kristina Hänel nach § 219a StGB zu einer Geldstrafe von 6000,- € verurteilt, was zu einer kontroversen gesellschaftlichen und parlamentarischen Debatte über das im § 219 a StGB formulierte Werbeverbot für den Schwangerschaftsabbruch sowie zu einer nicht unerheblichen Belastung der Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD führte. Die EKD hat sich gegen eine Streichung des Paragraphen ausgesprochen.

Im Dezember 2018 legten die vier beteiligten Bundesministerien einen Kompromissvorschlag vor, woraufhin der Deutsche Bundestag im Februar 2019 in namentlicher Abstimmung den „Gesetzentwurf zur Verbesserung der Information über den Schwangerschaftsabbruch“ be­-schlos­sen und damit für eine Neufassung des Paragrafen 219a StGB gestimmt hat. In einem neuen Absatz 4 wird das Gesetz um einen weiteren Ausnahmetatbestand ergänzt, wonach Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen auch öffentlich ohne Risiko der Strafverfolgung darüber informieren dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Diese Informationen werden ergänzt durch eine zentral bei der Bundesärztekammer geführte Liste, die auch Angaben über die dabei jeweils angewendeten Methoden macht. 

Der Bevollmächtigte hatte bereits den Kompromissvorschlag der Ministerien begrüßt. Es sei richtig, wenn auch weiterhin nicht für den Schwangerschaftsabbruch geworben werden dürfe, die betroffenen Frauen sich aber umfassend darüber informieren können.

4.18 Diskussion um Organspende (Widerspruchsregelung)

In Deutschland ist trotz einer hohen Bereitschaft der Bevölkerung zur Organspende die Zahl der Organentnahmen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern relativ gering. Der Deutsche Bundestag hat das zum Anlass genommen, am 14.2.2019 das „Zweite Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“ zu beschließen. Mit dem Gesetz sollen strukturelle und organisatorische Schwächen im Transplantationsverfahren behoben werden. Bereits auf der Ebene des Referentenentwurfs haben beide Kirchen in einer gemeinsamen Stellungnahme die Gesetzgebungsinitiative ausdrücklich begrüßt: „Die beiden großen Kirchen in Deutschland unterstützen das Ziel des Gesetzgebers, die Zahl der Organspender in Deutschland zu erhöhen. Die Lebensqualität und das Überleben tausender schwerkranker Menschen jährlich hängt maßgeblich vom Erhalt eines Spenderorgans ab. Daher stehen die Kirchen der Organ­spende ausdrücklich positiv gegenüber. Die Organspende ist für Christen eine Form praktizierter Nächstenliebe, auch über den Tod hinaus.“ Zugleich haben die Kirchen dafür plädiert, dass die Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen und die Erfüllung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, durch Aufklärung das Vertrauen in die Transplantationsmedizin zurück­zugewinnen, zunächst Priorität haben sollten vor einer Diskussion über mögliche Neuregelungen des Zustimmungsverfahrens zur Organspende.

Dennoch wurde sowohl in der Gesellschaft als auch im Deutschen Bundestag kontrovers um die Frage des Zustimmungsverfahrens gerungen. Im Bundestag waren zwei über Fraktions­grenzen hinweg erarbeitete Gesetzentwürfe im parlamentarischen Verfahren: der „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der doppelten Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz“ und der „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“. Der erstgenannte Entwurf mit der sogenannten „doppelten Widerspruchslösung“ wurde von einer Gruppe um Bundes­gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD, Karl Lauterbach, entwickelt. Er sieht vor, dass künftig jeder Bundesbürger über 16 Jahren als potentieller Organspender gilt, sofern er nicht ausdrücklich widersprochen hat oder seine Angehörigen eine ablehnende Willensbekundung des Betroffenen geltend machen. Der zweitgenannte Entwurf wurde maßgeblich von der Parteivorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Annalena Baerbock, und der Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping, entwickelt und wird (u.a.) von ParlStS Thomas Rachel und ParlStSin Kerstin Griese, die beide dem Rat der EKD angehören, unterstützt. Er setzt weiterhin eine explizite Zustimmung voraus, zielt aber auf eine verbindliche Ansprache der Bürgerinnen und Bürger bei Behördengängen und auf eine intensivierte Beratung durch Hausärzte. In einer im August 2019 abgestimmten Stellungnahme lehnen beide Kirchen die Widerspruchslösung ab und sprechen sich für die Stärkung der Entscheidungsbereitschaft aus.

4.19 Diskussion und aktuelle Gesetzeslage zum Assistierten Suizid

Gegen das vom Deutschen Bundestag 2015 mit § 217 StGB beschlossene Verbot der organisierten Suizidbeihilfe liegen Verfassungsbeschwerden von Privatpersonen, Sterbehilfeorganisationen und Ärzten u. a. vor. Am 16.-17.4.2019 fand vor dem 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts eine zweitägige mündliche Verhandlung statt, bei der auch ParlStSin Kerstin Griese, Mitglied des Rates der EKD, angehört wurde, die seinerzeit wesentlich an der Einführung von § 217 StGB beteiligt war. Sie sagte: „Uns hat motiviert, dass unsere Gesellschaft eine sorgende Gesellschaft sein soll, die dem sterbenskranken Menschen eben nicht die einsame Tablette auf dem Nachttisch als Lösung anbietet, sondern die mit einer gut ausgebauten Hospiz- und Palliativversorgung, mit Menschen, die da sind und Zeit haben, mit allen Möglichkeiten der modernen Medizin zur Linderung von Schmerzen und Leid antwortet. Sich um die Menschen zu kümmern, die sterben wollen, ist der richtige Weg, sie zu begleiten, und nicht den Wunsch auch noch zu verstärken, indem eine vermeintlich so leichte Lösung durch den assistieren Suizid angeboten wird.“ Berichte von Beobachtern der Anhörung und die einschlägige Berichterstattung in der Presse lassen jedoch vermuten, dass das Bundesverfassungsgericht vor einer vorsichtigen Liberalisierung der Sterbehilfe steht.

Auf dieser Linie liegt auch ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3.7.2019, das die Freisprüche von zwei Ärzten aus Berlin und Hamburg bestätigt hat. Diese hatten zwei Patientinnen bei der Selbsttötung unterstützt und waren wegen Tötung auf Verlangen angeklagt. „Ein Arzt kann nicht verpflichtet werden, gegen den Willen des Suizidenten zu handeln“, hieß es in der Urteilsbegründung, wonach das Selbstbestimmungsrecht die Garantenpflicht überlagere. Der Vorsitzende des Marburger Bundes, MdB Rudolf Henke (CDU/CSU), kritisierte das Urteil als eine „schleichende Legalisierung des ärztlich begleiteten Suizids.“ Die EKD hat zu diesem Urteil nicht Stellung genommen, beobachtet aber die aktuellen Entwicklungen mit Sorge.

4.20 Bund, Länder und Kirche verlängern Anmeldefrist der Stiftung Anerkennung und Hilfe

Wegen der zögerlichen Inanspruchnahme der Stiftung Anerkennung und Hilfe für stationär untergebrachte Betroffene von Unrecht und Leid in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie im Zeitraum von 1949 bis 1975 bzw. 1990 ist die Anmeldefrist um ein Jahr bis zum 31.12.2020 verlängert worden. Dies ist 2019 von den Errichtern (Bund, Länder und Kirchen) beschlossen worden, ohne dass aber die Gesamtdauer der Stiftung bis zum 31.12.2021 hinausgeschoben wurde. Dafür sind Öffentlichkeitsmaßnahmen zum Bekanntmachen der Stiftung deutlich ausgeweitet worden. In den ersten Monaten des laufenden Jahres haben sich daraufhin die Anmeldezahlen deutlich erhöht. Mehr als Zweidrittel der Anmeldungen stammen von Betroffenen aus der Behindertenhilfe.

4.21 Bittgottesdienst für den Frieden 2019

Die Ökumenische FriedensDekade findet regelmäßig im November während der zehn Tage vor dem Buß- und Bettag statt. Die Bittgottesdienste sind in den 1980er Jahren im Kontext der „Konziliaren Bewegung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ in der DDR entstanden. Die großen ökumenischen Versammlungen, etwa in Magdeburg 1988, haben dieser Bewegung zu breiter Wirksamkeit verholfen. Vor 30 Jahren spielten die Friedensgebete dann in der friedlichen Revolution 1989 eine wichtige Rolle. Bis heute engagieren sich viele Gemeinden in Mittel- und Ostdeutschland in der FriedensDekade und den Bittgottesdiensten. Das diesjährige Motto „Friedensklima“ wurde wie üblich vom Gesprächsforum der Ökumenischen FriedensDekade, in dem die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland e.V. (ACK) und eine Trägergruppe unter der Federführung der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) zusammenarbeiten, festgelegt. In Zusammenarbeit mit der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) wurde ein Materialheft zum diesjährigen Bittgottesdienst für den Frieden erarbeitet. Darin wird einerseits der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und gerechten, lebensförderlichen und friedlichen Lebensbedingungen der Menschen untereinander fokussiert. Denn die Zerstörung von Lebensräumen und Lebensbedingungen von Menschen durch den Klimawandel ruft Konflikte hervor, die nicht selten gewaltsam ausgetragen werden. Andererseits wird das Motto „Friedensklima“ im übertragenen Sinn auch auf das zwischenmenschliche Klima bezogen. Im Blick auf das Miteinander von Staaten oder Nationen, innerhalb der Gesellschaft, aber auch von einzelnen Menschen soll das Bewusstsein für friedliche, gewaltfreie, gerechte, solidarische und nachhaltig konstruktive Konfliktlösungen geschärft werden. Das Materialheft zum Bittgottesdienst enthält Bausteine für einen Gottesdienst, Lieder, Meditationen, eine Bildbetrachtung zum Plakatmotiv, eine Lesepredigt sowie Informationen zu politischen Hintergründen und Initiativen zum Thema. Es wird herausgegeben von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und steht als PDF zum Download bereit unter https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/Bittgottesdienst_2019.pdf.

4.22 Rezeption und Resonanz auf EKD-Text 131: Religiöse Bildung in der migrationssensiblen Schule. Herausforderungen und Ermutigungen der Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend

Der EKD-Text 131 „Religiöse Bildung in der migrationssensiblen Schule“ wurde anlässlich einer Veranstaltung der Evangelischen Schulstiftung zum Thema „Integration in der Schule“ im Rahmen eines Pressegesprächs im Januar 2019 praxisbezogen thematisiert. Dabei wurde deutlich, dass Religion bei der konstruktiven Bearbeitung von Migrationserfahrung, Flucht und Trauma eine wichtige Rolle spielen kann. Sie ist eine identitätsprägende Ressource und sollte als solche wahrgenommen und anerkannt werden. Demgegenüber wird religiöse Bildung in der Integrationsdebatte bislang häufig vernachlässigt und ist im Kontext von migrationsbezogener Bildung viel deutlicher ins Bewusstsein zu bringen.

4.23 Rezeption und Resonanz auf EKD-Text 128: Konfessionell-kooperativ erteilter Religionsunterricht Grundlagen, Standards und Zielsetzungen

In Aufnahme von EKD-Text 128 „Konfessionell-kooperativ erteilter Religionsunterricht. Grundlagen, Standards und Zielsetzungen“ fand am 8.3.2019 in Frankfurt eine bundesweite Fachtagung zur konfessionellen Kooperation im Studium der Theologie für das Lehramt statt, an der sich evangelische und katholische Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen theologischen Disziplinen beteiligten, um für einen solchen Unterricht in der theologischen Ausbildung geeignete Voraussetzungen zu schaffen. Mittlerweile haben der Ev.-theol. Fakultätentag und die Kirchenkonferenz der EKD dazu entsprechende Empfehlungen verabschiedet.

4.24 Woche für das Leben 2019: Kardinal Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm eröffnen ökumenische Woche für das Leben 2019 in Hannover

„Leben schützen. Menschen begleiten. Suizide verhindern.“ Unter diesem Titel war die Woche für das Leben 2019 dem Thema Suizidprävention gewidmet. Jedes Jahr nehmen sich ca. 10.000 Menschen das Leben, weil sie in ihrem Leben keinen Sinn mehr sehen, weil sie verzweifelt, hoffnungslos oder krank sind. Im Themenheft und bei der Eröffnungsveranstaltung in Hannover wurde den Gründen von Depression und Todeswunsch nachgegangen und versucht, Wege für eine bessere Sorge um suizidgefährdete Menschen aufzuzeigen. Es wurde deutlich, wie wichtig die Aufgabe der vielfältigen (kirchlichen) Beratungsstellen ist. Die Hilfs-angebote der Caritas und der Diakonie wie z.B. die Telefonseelsorge spielen eine große Rolle in der Prävention. Außerdem sind Menschen, die selbst suizidgefährdet waren und/oder Betrof­fene unter Angehörigen und Freunden haben, wichtige Ansprechpartner in Programmen der Suizidprävention. Die weitreichende gesamtgesellschaftliche Relevanz des Themas wurde u.a. von einem großen medialen Interesse an der Eröffnungsveranstaltung gespiegelt; sowohl in der 17 Uhr- als auch in der 20 Uhr-ARD-Tagesschau wurde darüber berichtet. Eröffnet wurde die Woche für das Leben 2019 mit einem ökumenischen Gottesdienst von Kardinal Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm am 4.5.2019 in der Marktkirche Hannover.

4.25 Zwischenstand: Unterstützung für Christen in Syrien. EMOK ruft zu Gebet und humanitären Hilfe auf

In den vergangenen Jahren hat sich die Evangelische Mittelost-Kommission (EMOK) der EKD kontinuierlich mit der Situation in Syrien und der Lage der dortigen Christen beschäftigt. Eine erste Stellungnahme zum Konflikt in Syrien wurde im Juli 2012 veröffentlicht. Im September 2014 hat die Vollversammlung der EMOK auf einen Appell des Höchsten Rates der Evangelischen Gemeinden in Syrien und im Libanon reagiert und sowohl den Rat der EKD als auch die Gliedkirchen gebeten, diesen Hilferuf aufzunehmen und sich den Appell der christlichen Geschwister zu eigen zu machen. Auf die Situation in Syrien wird außerdem hingewiesen im Positionspapier „EMOK an der Seite der Christen im Mittleren Osten“, das die Vollversammlung der EMOK im Oktober 2016 angenommen hat und das dem Rat der EKD ebenso vorgelegt wurde wie die im November 2017 von der Exekutive der EMOK verabschiedete und auch ins Englische übersetzte Stellungnahme „Zur Situation in Syrien“. Dieses Papier verweist eingangs darauf, dass verschiedene in der EMOK vertretene kirchliche Institutionen Partnerschaften zu Kirchen und Gemeinden in Syrien unterhalten. Hiervon ausgehend werden zum einen die deutschen Kirchen dazu aufgerufen, die Arbeit der Geschwister in Syrien durch Gebet, humanitäre Hilfe und die Förderung von Wiederaufbauprojekten zu unterstützen. Zum anderen wendet sich die Stellungnahme an die Partner in Syrien und ermutigt sie, politische Verhältnisse zu fördern, in denen demokratische Grundsätze sowie Religionsfreiheit gewährleistet werden. Dabei ist den Mitgliedern der EMOK bewusst, dass die Spielräume hierfür in der derzeitigen Situation eng sind. Das Papier weist auch auf das vielfältige und ermutigende Engagement der christlichen Gemeinden vor Ort hin, die zu den ältesten Kirchen überhaupt und damit zu den lebendigen geistlichen und kulturellen Wurzeln des Christentums gehören. Über die genannten Stellungnahmen hinaus hat die EMOK eine Syrienrunde initiiert, in der sich die in Syrien engagierten Kirchen und kirchlichen Werke über ihre ökumenischen Kontakte und ihre humanitären Projekte austauschen. Außerdem liegt eine u.a. durch Förderung der EKD ermöglichte Publikation vor, die die Zerstörung der christlichen Sakraltopographie in Syrien dokumentiert.

4.26 Bericht des Datenschutzbeauftragten der EKD: Datenschutz und Datenschutzaufsicht sind in der evangelischen Kirche ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen EKD-Datenschutzgesetzes zukunftsorientiert aufgestellt

Zur Wahrnehmung der Datenschutzaufsicht existiert für die EKD sowie für alle Gliedkirchen, gliedkirchlichen Zusammenschlüsse und Diakonischen Werke, die ihre Datenschutzaufsicht auf die EKD übertragen haben, seit Anfang 2014 die unabhängige und eigenständige Behörde „Der Beauftragte für den Datenschutz der EKD (BfD EKD)“ mit Sitz in Hannover und vier Außenstellen. Vier Gliedkirchen und einige diakonische Landesverbände nehmen die Daten-schutzaufsicht weiterhin eigenständig wahr. Weitere Informationen können der Homepage des BfD EKD (https://datenschutz.ekd.de) und dem im Juni veröffentlichten aktuellen Tätigkeitsbericht für die Jahre 2017/2018 entnommen werden. Mit der Bestellung des Beauftragten für den Datenschutz der Nordkirche zum stellvertretenden Beauftragten für den Datenschutz der EKD am 1.10.2018 werden beide Aufsichtsbehörden zukünftig stärker miteinander kooperieren.

Die Hauptaufgaben des BfD EKD sind Aufsicht, Beratung und Weiterbildung in den Bereichen des rechtlichen und technischen Datenschutzes sowie der Organisation des Datenschutzes. Neben den regelmäßigen Aufgaben (Aufsicht, Beratung, Weiterbildung) beschäftigt sich der BfD EKD mit dem Thema Datenschutz auch unter Berücksichtigung von vier Schwerpunktthemen (Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene – Diakonie (Gesundheitsdatenschutz) – Ehrenamtliche – Mitarbeitende (Beschäftigtendatenschutz)).

Im Rahmen der Aufsicht werden Beschwerden und Datenpannen bearbeitet. Bußgelder wurden bislang nicht verhängt. Zukünftig soll stärker eine proaktive Datenschutzaufsicht etabliert werden.

Im Rahmen der Beratung ist erkennbar, dass viele Anfragen zu folgenden Themen eingingen:

  •  Datenschutz in der Kirchengemeinde
  •  Videoüberwachung
  •  Verschlüsselung
  •  Auftragsverarbeitung und Datenübermittlung in Drittländer
  •  Messenger-Dienste
  •  Auskunftsansprüche und Akteneinsicht
  •  Aufbewahrung und Löschung

Auch beim aufsichtlichen Handeln geht es häufig um diese Themen. In Ergänzung zu einzel-fallbezogenen Beratungen sind seit 2015 zu vielen datenschutzrechtlich und -technisch relevanten Fragestellungen 40 Materialien erarbeitet worden. Die Verbreitung dieser Materialien erfolgt insbesondere über die Rubrik Infothek auf der Website des BfD EKD (https://datenschutz.ekd.de/) und in Papierform. Die Materialien sind den sieben unterschiedlichen Formaten Entschließung, Handreichung, Kurzinformation, Kurzpapiere, Muster, Sensibilisierung und Stellungnahme zugeordnet.

Der BfD EKD setzt neben den Aufgaben Aufsicht und Beratung einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit im Bereich Weiterbildung. Regelmäßig bietet der BfD EKD Weiterbildungsveranstaltungen an. Für den BfD EKD sind die örtlich Beauftragten für den Datenschutz als strategische Partner eine wichtige Zielgruppe im Bereich Weiterbildung. Im Zeitraum 2015 bis Ende 2019 hat der BfD EKD folgende Veranstaltungen durchgeführt:

  • 40 jeweils 3-tägige Grund- und Aufbauseminare für örtlich Beauftragte für den Datenschutz
  • 20 Datenschutz-Infotage für örtlich Beauftragte für den Datenschutz
  • 40 Erfahrungsaustauschkreise für örtlich Beauftragte für den Datenschutz

Der BfD EKD baute auch im Berichtszeitraum seine Kontakte im kirchlichen und staatlichen Umfeld weiter aus, um sich als Datenschutzaufsichtsbehörde nachhaltig zu etablieren. Er pflegte dabei Kontakte in der evangelischen Kirche, zur römisch-katholischen Kirche, zu Bund und Ländern und zu sonstigen Akteuren im Bereich Datenschutz im Umfeld von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft.

Zukünftig muss es darum gehen, die kirchliche Perspektive vor dem Hintergrund unseres christlichen Menschenbildes noch erkennbarer in die gesellschaftliche Debatte zum Daten-schutz einzubringen und die Chancen einer konsequenten Umsetzung des eigenen kirchlichen Datenschutzes zu nutzen. Vor diesem Hintergrund muss neben der Arbeit des BfD EKD die Bestellung von örtlich Beauftragten für den Datenschutz auf allen Ebenen in Kirche und Diakonie genauso weiter vorangetrieben werden wie die Implementierung von Datenschutz als Querschnittsaufgabe in sämtlichen Bereichen kirchlichen und diakonischen Handelns.

4.27 Deutsch-polnischer Gedenk- und Friedensgottesdienst anlässlich des 80. Jahrestages des deutschen Überfalls auf Polen am 31.8.2019 in Warschau

Anlässlich des 80. Jahrestages des deutschen Überfalls auf Polen am 1.9.1939 feierten die EKD und der Polnische Ökumenische Rat im Rahmen des seit 1974 bestehenden Deutsch-Polnischen Kontaktausschusses am 31.8.2019 einen ökumenischen Gedenk- und Friedensgottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche zu Warschau. An ihm wirkten neben der stellvertretenden Ratsvorsitzenden Annette Kurschus auch Vertreter des polnischen Staates und der deutsche Botschafter in Warschau sowie ein Vertreter der Polnischen Bischofskonferenz und der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland mit.

4.28 Gespräch des Rates mit der FDP am 9.9.2019

Der Rat knüpfte mit dem Gespräch, das er am 9.9.2019 mit dem Präsidium der FDP und dem Vorstand der FDP-Bundestagsfraktion führte, an frühere Begegnungen an. Themen waren u.a. das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften in Deutschland (u.a. Staatsleistungen, Sonntagsschutz), ethische Fragen (u.a. Nichtinvasive Pränataldiagnostik, Organspende) und die aktuelle politische Lage in Deutschland.

4.29 Jugendverbände der Parteien

Der Kontakt des Bevollmächtigten zu den Jugendverbänden der Parteien wurde im Be­richts­jahr fortgeführt. Die dafür engagierte, weitgehend ehrenamtlich tätige Beauftragte des Bevoll­mächtigten folgte den Einladungen zu den Bundeskongressen der Jungen Union, Jungen Sozialistinnen, Grünen Jugend, Jungen Liberalen und Linksjugend ['solid]. In besonderer Weise wurde die Verbindung der evangelischen Kirche zum politischen Nachwuchs durch einen religionspolitischen Workshop im Juni 2019 gefördert, bei dem Vorstandsmitglieder der politischen Jugendverbände mit Theologiestudentinnen und -studenten sowie dem Team des Bevollmächtigten über die Zukunftsfähigkeit des deutschen Religionsverfassungsrechts diskutierten. Die Jungpolitiker äußerten teils weitgehende religionsverfassungsrechtliche Re­form­­vorschläge. Sie zeigten ein hohes Interesse an der Fortführung eines solchen Austau­sches mit Kirche und Theologie.

4.30 Jugend und Bildung in Europa

In bewährter Kooperation haben die Dienststelle Brüssel des Bevollmächtigten und die  Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e.V. durch Konsultationsbeiträge, Stellungnahmen, Änderungsanträge, Sitzungsbeteiligung und Gespräche mit politi­schen Entscheidungsträgern Akzente gesetzt. Inhaltlich standen zuletzt die Verhandlungen der neuen Generationen der Jugendförderprogramme Erasmus+ und Europäisches Solidaritätskorps für die Jahre 2021-2027 und die zweite Auflage der Europäischen Jugendstrategie (2019-2027) auf der Tagesordnung. Die vorgebrachten Änderungs- und Kritikpunkte wurden von Seiten der EU wohlwollend aufgenommen und vielfach aufgegriffen. So konnte z.B. ein Prozess zur Stärkung der Lernkomponente innerhalb des DiscoverEU-Programms angestoßen werden.

4.31 Die GKKE zum Rüstungsexport

Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) hat deutsche Rüstungsexporte in Krisen- und Konfliktgebiete wiederholt thematisiert und verurteilt. So kritisierte der Bevoll­mächtigte als evangelischer Vorsitzender der GKKE bei der Vorstellung des Rüstungsexport­berichts der GKKE im Dezember 2018, dass die Rheinmetall AG trotz des von der Bundesregierung verfügten Exportstopps über Tochterfirmen in Italien und Südafrika weiterhin Munition nach Saudi-Arabien liefert. Der Bevollmächtigte forderte den Konzern auf, keine Geschäfte mit Ländern der von Saudi-Arabien angeführten Kriegskoalition zu machen. Er appellierte an die Bundesregierung, bestehende Regelungslücken im Ausfuhrrecht zu schließen. Am 20.3.2019 forderte die GKKE die Bundesregierung auf, das Moratorium für Rüstungsexporte an die Kriegs-Koalition zu verlängern und alle erteilten Genehmigungen zu widerrufen. Auch dürfe die Bundesregierung nicht dem Druck von Frankreich und weiteren EU-Mitgliedern nach­ge­ben, die europäischen Regelungen für ein Waffenembargo zu lockern. Die GKKE kritisierte außerdem den am 19.6.2019 von der Bundesregierung veröffentlichten Rüstungsexportbericht 2018 und auch die für das erste Halbjahr 2019 erteilten Genehmigungswerte. Demnach hat die Bundesregierung allein 2018 Rüstungsgüter an Saudi-Arabien in Höhe von mehr als 416 Millionen Euro genehmigt. Damit erhielt ein maßgeblicher Aggressor im Jemenkrieg die meisten deutschen Waffen unter den so genannten Drittstaaten.

Am 18.9.2019 hat der Bevollmächtigte am Thementag „Exportkontrolle“ des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. teilgenommen. Dabei hat er friedensethische Grundüberzeugungen der evangelischen Kirche zum Thema Rüstungsexporte dargelegt und ausführlich begründet, warum in Deutschland ein restriktives Rüstungsexportgesetz auf den Weg gebracht werden müsse.

4.32 Kultusministerkonferenz mit der DBK und dem Rat der EKD

Anlässlich eines Spitzengespräches der Kultusministerkonferenz (KMK) mit dem Rat der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz am 7.06.2019 in Wiesbaden würdigten die Gesprächsteilnehmer die Bedeutung des Religionsunterrichts und der Schulseelsorge in einer religiös und weltanschaulich pluralen Schule und Gesellschaft und bekräftigten ihre gemeinsame Verantwortung für das Fach. Mit Sorge wurde die Zunahme antisemitischer und anderer religionsfeindlicher Übergriffe in Schulen betrachtet. Ein wichtiger Gesprächspunkt war auch die Förderung der Schulen in freier Trägerschaft. Die Kirchen hoben hervor, dass kirchliche Schulen sich als gemeinwohlorientierte Schulen verstehen. Kirchliche Schulträger beteiligen sich an der gesellschaftlichen Gesamtverantwortung für Kinder und Jugendliche und sehen sich in besonderer Weise dem grundgesetzlichen Verbot einer Sonderung nach Besitzverhältnissen verpflichtet. Im Blick auf den Hochschulbereich würdigten die Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer, dass sich die theologischen Fakultäten und Institute aktiv an interdisziplinären Forschungsprojekten und der Entwicklung von fächerübergreifenden Studiengängen beteiligen. Ferner fand ein breiter Austausch über die derzeit angespannte Situation von Religionsgemeinschaften an deutschen Hochschulen statt. Die Kirchen erinnerten dabei an die grundgesetzlich verankerte positive Religionsfreiheit und warben für eine differenzierte Handhabung im Umgang mit Religionsausübung auf dem Campus.

4.33 NesT – Neustart im Team

Im Juli dieses Jahres haben der Bevollmächtigte der EKD, Martin Dutzmann, Diakoniepräsident Ulrich Lilie und Vertreter der Evangelischen Kirche von Westfalen das gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium entwickelte Pilotprojekt „Neustart im Team (NesT)“ vorgestellt. Es soll 500 Flüchtlingen die Möglichkeit eröffnen, auf legalem Weg nach Deutschland zu kommen und von ehrenamtlichen Mentorengruppen begleitet zu werden.

Vgl. Umsetzungsbericht der Synode (Nr. 10).

4.34 Kirchenasyl

Vgl. Umsetzungsbericht der Synode (Nr. 9).

4.35 Konversion im Asylverfahren

Auch in diesem Berichtszeitraum haben die Themen Taufe und Konversion im Asylverfahren viele Gemeinden bewegt. Nach wie vor besteht der Eindruck, dass bei gerichtlichen Anhörungen „Glaubensprüfungen“ vorgenommen werden. Außerdem waren viele Gemeinden mit Regelüberprüfungen beschäftigt: Die Umstände, die zu einem Aufenthaltsrecht geführt haben, werden nach drei Jahren auch bei Konvertiten von Gesetzes wegen überprüft, was viele Betroffene in große Angst versetzt. Gemeinsam mit der Evangelischen Kirche im Rheinland wird die EKD daher im Januar 2020 erneut einen Fachtag zum Thema „Konversion im Asylverfahren“ abhalten, der dem innerkirchlichen, aber auch externen Austausch mit Verwaltungsrichtern und Entscheidern dienen soll.

Die gemeinsam mit der Deutschen Bischofskonferenz unternommenen Bemühungen der EKD, darauf hinzuwirken, dass das BAMF Konversionsfälle mit mehr Sensibilität prüft, haben erste Früchte getragen: EKD, DBK und die Vereinigten Evangelischen Freikirchen wurden angefragt, bei der Erstellung der Dienstanweisung „Asyl – Konversion im Asylverfahren“ im BAMF beratend mitzuwirken. Die ersten Treffen haben im September begonnen.

Auch im Blick auf verschiedene Einzelfälle gab es vertrauensvolle Gespräche mit dem Bundesamt. Trotzdem erreichen die Dienststelle des Bevollmächtigten in Berlin nach wie vor Informationen von Anhörungen oder Gerichtsverfahren, in denen bei der Prüfung der Konvertiten durch den Staat die gebotenen Grenzen übertreten werden. In diesem Zusammenhang hat das Kirchenrechtliche Institut der EKD ein Gutachten erstellt. Der Text beschreibt, wo aus Sicht der Gutachter die Grenzen bei der Überprüfung einer Konversion im Asylverfahren liegen. Das Gutachten soll Entscheidungsgrundlage dafür werden, ob eventuell gegen ein Bundesverwaltungsgerichtsurteil von 2015 vorgegangen werden soll. Darüber hinaus wird das Gutachten für die weitere Zusammenarbeit mit dem BAMF genutzt und liefert auf Fachveranstaltungen zu Konversion Grundlagenmaterial.

Ratsbericht 2019 (schriftlicher Teil) als Download

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