Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung

Zehn Impulse der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD zu aktuellen Herausforderungen der Demokratie in Deutschland, August 2017

9. Grenzen der Auseinandersetzung

Der Umgang mit populistischen Positionen darf die Auseinandersetzung nicht scheuen und muss der Sprache der Ausgrenzungen eine Praxis des Involvierens und Sich-Einlassens entgegensetzen. Gleichzeitig ist klarer Widerspruch notwendig, wo Populistinnen und Populisten die Grundregeln und normativen Grundsätze demokratischer Politik nicht nur angreifen, sondern grundsätzlich zur Disposition stellen und so die Grenze zwischen Populismus und Extremismus überschreiten: Mit denen, die das demokratische System in seinem Kern angreifen möchten, gilt es nicht, den Dialog zu suchen, sondern ihnen ist entgegenzutreten. Da die Grenzen hier fließend sind, muss bei Gesprächen sehr sorgsam unterschieden werden: zwischen den Sorgen und Ängsten von Menschen, die zur Sprache und in den öffentlichen Raum gebracht werden müssen, und einer in diesem Kontext vorgebrachten, bewussten Grenzüberschreitung, mit der die Grundlagen der politischen Kultur verschoben werden sollen. Die Grenzen des Sich-Einlassens liegen dort, wo physische oder psychische Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung legitimiert wird, wo das Politische durch Ideologien der Ungleichwertigkeit vermessen wird, die auf bestimmte Eigenschaften von Personen

Die politische Auseinandersetzung braucht Spielregeln und Grenzen. Gewalt und Rassismus dürfen keinen Ort im demokratischen Wettstreit haben, vorschnelle Ausschließungen missliebiger Meinungen aber auch nicht.

zielen (z. B. die Zugehörigkeit zu Volk, Rasse oder Religion sowie geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung), und wo vermeintliche Eindeutigkeiten der Vielfalt und den Machtbegrenzungen der Demokratie entgegengesetzt werden. Allerdings dürfen die Maßnahmen, mit denen den populistischen Akteuren entgegengetreten werden soll, nicht selbst deren Strategie übernehmen. Darum gilt es auch an anderer Stelle Grenzen zu ziehen: beispielsweise wo unter vorschnellem Verweis auf grundlegende Überzeugungen andere, abweichende Positionen aus dem politischen Wettstreit ausgeschlossen werden sollen, wo Fakten nicht sorgsam abgewogen und berücksichtigt werden und wo anstelle politischer Entscheidungsfindung eine personalisierte Auseinandersetzung erfolgt.

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