„Dem Reden Raum geben“

Telefonseelsorge registriert Existenzängste und Hoffnungslosigkeit

Handy und daneben liegendes Holzkreuz

Die Telefonseelsorge (Themenfoto vom 03.04.2020) ist eine vorwiegend ehrenamtlich betriebene Hilfseinrichtung zur telefonischen Beratung von Menschen mit Sorgen, Nöten und Krisen, die in vielen Laendern besteht. Sie dient als Krisendienst unmittelba​r der Suizidprävention und ist in den meisten Ländern rund um die Uhr erreichbar.

Hannover, Bad Bederkesa (epd). Seit Monaten bestimmen Existenzängste viele Gespräche bei der Telefonseelsorge. „Das bleibt auf einem hohen Level“, sagte der Beauftragte für Telefonseelsorge der hannoverschen Landeskirche, Daniel Tietjen, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Hintergründe sind der Krieg in der Ukraine sowie Inflation, drohende Rezession, Energie- und Klimakrise. „Was jetzt angesichts der Abgründe immer öfter mitschwingt, ist auch die Angst, die Hoffnung zu verlieren,“ berichtete Tietjen.

Zwar stehe die Angst vor einem Krieg und speziell vor einem Atomkrieg nicht im Vordergrund der Gespräche, betonte Tietjen, der auch die Telefonseelsorge Elbe-Weser mit Sitz im niedersächsischen Bad Bederkesa leitet. „Aber diese Angst spielt natürlich eine Rolle, sie ist präsent, auch durch die tägliche Berichterstattung in den Medien.“ Doch egal, um welches Thema es gehe, den Mitarbeitenden der Telefonseelsorge am Hörer sei es zunächst wichtig, die geäußerten Sorgen nicht wegzuwischen, sondern ernst zu nehmen.

In einem zweiten Schritt könne man schauen, wie sich der Blick ändern lasse, um die Hoffnung nicht zu verlieren, was Kraft gebe und trage, ergänzte Tietjen und betonte: „Wir wollen dem Reden Raum geben. Wenn wir im guten Gespräch bleiben und uns andere Meinungen zumuten, dann ist das auch für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie wichtig.“

Ein weiterer hilfreicher Gedanke in diesen Zeiten sei es, die Informationsflut zu reduzieren. „Auch wenn heute zu jeder Uhrzeit ein Nachrichten-Update verfügbar ist, kann ich nur empfehlen, diese bewusster anzugehen“, sagte Tietjen. Auch Bewegung wie Spazierengehen könne helfen, um den Kopf freizubekommen und sich nicht den ganzen Tag mit möglichen Sorgen zu beschäftigen.

Zum bundesweiten Netzwerk der Telefonseelsorge gehören 104 Stationen mit mehr als 7.700 Ehrenamtlichen. Neben Gesprächen am Telefon sind auch Kontakte über Chat und Mail möglich. Für die Ratsuchenden entstehen keine Kosten. Die anfallenden Gesprächsgebühren übernimmt die Deutsche Telekom als Partnerin der Telefonseelsorge.

epd-Gespräch: Dieter Sell

Logo der Telefonseelsorge

TelefonSeelsorge

Die Telefonseelsorge ist bundesweit unter den Rufnummern 0800/111-0-111 sowie 0800/111-0-222 rund um die Uhr kostenlos und anonym erreichbar, auch an Sonn- und Feiertagen. Per Mail oder Chat stehen Seelsorgerinnen und Seelsorger unter https://online.telefonseelsorge.de zur Verfügung. Mittwochs in der Zeit von 17 bis 21 Uhr können Interessierte die russischsprachige Telefonseelsorge Doweria unter der Rufnummer 0511/123588-97 zum Ortstarif erreichen.